Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtschaft
Knecht (servus), oder wenn es eine Weibs-
person ist, eine Magd (ancilla); wer den
Unterhalt giebt, der Herr (dominus); und
das Recht des Herrn über den Knecht die
herrschaftliche Gewalt (potestas domini-
ca). Es ist aber eine vollkommne
Knechtschaft (servitus perfecta), wenn
die Arbeit, welche er beständig liefern muß,
ungemessen ist; folglich vom Herrn nach sei-
nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge-
gen eine unvollkommne (servitus imper-
fecta), wenn der Knecht nur gemessene Dien-
ste zu leisten schuldig ist, oder sie auch nicht
beständig, oder nicht unausgesetzt leisten
darf.

§. 948.
Von der
freywil-
ligen
Knecht-
schaft.

Weil derjenige, der durch seine Arbeit er-
werben muß, was er zu Nahrung und Klei-
dung braucht, sich zur Arbeit einem andern
vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es
auf seinem Willen beruhet, zu was vor Ar-
beit, oder Diensten er sich vermiethen will (§.
225. 195.); so hat ein jeder, der nicht
anders als durch arbeiten und dienen
Unterhalt haben kann, das Recht, sich
in die Knechtschaft zu begeben (§. 947.).
Weil nun alsdann die Knechtschaft aus
einem Vertrag entsteht, welche man die
freywillige (voluntaria) nennt: so sind
in der freywilligen Knechtschaft die
Rechte und Verbindlichkeiten aus dem
Vertrag zu ermessen; und vermöge der

natür-

III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtſchaft
Knecht (ſervus), oder wenn es eine Weibs-
perſon iſt, eine Magd (ancilla); wer den
Unterhalt giebt, der Herr (dominus); und
das Recht des Herrn uͤber den Knecht die
herrſchaftliche Gewalt (poteſtas domini-
ca). Es iſt aber eine vollkommne
Knechtſchaft (ſervitus perfecta), wenn
die Arbeit, welche er beſtaͤndig liefern muß,
ungemeſſen iſt; folglich vom Herrn nach ſei-
nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge-
gen eine unvollkommne (ſervitus imper-
fecta), wenn der Knecht nur gemeſſene Dien-
ſte zu leiſten ſchuldig iſt, oder ſie auch nicht
beſtaͤndig, oder nicht unausgeſetzt leiſten
darf.

§. 948.
Von der
freywil-
ligen
Knecht-
ſchaft.

Weil derjenige, der durch ſeine Arbeit er-
werben muß, was er zu Nahrung und Klei-
dung braucht, ſich zur Arbeit einem andern
vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es
auf ſeinem Willen beruhet, zu was vor Ar-
beit, oder Dienſten er ſich vermiethen will (§.
225. 195.); ſo hat ein jeder, der nicht
anders als durch arbeiten und dienen
Unterhalt haben kann, das Recht, ſich
in die Knechtſchaft zu begeben (§. 947.).
Weil nun alsdann die Knechtſchaft aus
einem Vertrag entſteht, welche man die
freywillige (voluntaria) nennt: ſo ſind
in der freywilligen Knechtſchaft die
Rechte und Verbindlichkeiten aus dem
Vertrag zu ermeſſen; und vermoͤge der

natuͤr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0720" n="684"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#b">Th. 1. A. 6. H. Von der Knecht&#x017F;chaft</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Knecht</hi><hi rendition="#aq">(&#x017F;ervus),</hi> oder wenn es eine Weibs-<lb/>
per&#x017F;on i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">eine Magd</hi> <hi rendition="#aq">(ancilla);</hi> wer den<lb/>
Unterhalt giebt, <hi rendition="#fr">der Herr</hi> <hi rendition="#aq">(dominus);</hi> und<lb/>
das Recht des Herrn u&#x0364;ber den Knecht <hi rendition="#fr">die<lb/>
herr&#x017F;chaftliche Gewalt</hi> <hi rendition="#aq">(pote&#x017F;tas domini-<lb/>
ca).</hi> Es i&#x017F;t aber <hi rendition="#fr">eine vollkommne<lb/>
Knecht&#x017F;chaft</hi> <hi rendition="#aq">(&#x017F;ervitus perfecta),</hi> wenn<lb/>
die Arbeit, welche er be&#x017F;ta&#x0364;ndig liefern muß,<lb/>
ungeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t; folglich vom Herrn nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge-<lb/>
gen <hi rendition="#fr">eine unvollkommne</hi> <hi rendition="#aq">(&#x017F;ervitus imper-<lb/>
fecta),</hi> wenn der Knecht nur geme&#x017F;&#x017F;ene Dien-<lb/>
&#x017F;te zu lei&#x017F;ten &#x017F;chuldig i&#x017F;t, oder &#x017F;ie auch nicht<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig, oder nicht unausge&#x017F;etzt lei&#x017F;ten<lb/>
darf.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 948.</head><lb/>
                <note place="left">Von der<lb/>
freywil-<lb/>
ligen<lb/>
Knecht-<lb/>
&#x017F;chaft.</note>
                <p>Weil derjenige, der durch &#x017F;eine Arbeit er-<lb/>
werben muß, was er zu Nahrung und Klei-<lb/>
dung braucht, &#x017F;ich zur Arbeit einem andern<lb/>
vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es<lb/>
auf &#x017F;einem Willen beruhet, zu was vor Ar-<lb/>
beit, oder Dien&#x017F;ten er &#x017F;ich vermiethen will (§.<lb/>
225. 195.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o hat ein jeder, der nicht<lb/>
anders als durch arbeiten und dienen<lb/>
Unterhalt haben kann, das Recht, &#x017F;ich<lb/>
in die Knecht&#x017F;chaft zu begeben</hi> (§. 947.).<lb/>
Weil nun alsdann die <hi rendition="#fr">Knecht&#x017F;chaft</hi> aus<lb/>
einem Vertrag ent&#x017F;teht, welche man <hi rendition="#fr">die<lb/>
freywillige</hi> <hi rendition="#aq">(voluntaria)</hi> nennt: <hi rendition="#fr">&#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
in der freywilligen Knecht&#x017F;chaft die<lb/>
Rechte und Verbindlichkeiten aus dem<lb/>
Vertrag zu erme&#x017F;&#x017F;en;</hi> und vermo&#x0364;ge der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">natu&#x0364;r-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[684/0720] III. Th. 1. A. 6. H. Von der Knechtſchaft Knecht (ſervus), oder wenn es eine Weibs- perſon iſt, eine Magd (ancilla); wer den Unterhalt giebt, der Herr (dominus); und das Recht des Herrn uͤber den Knecht die herrſchaftliche Gewalt (poteſtas domini- ca). Es iſt aber eine vollkommne Knechtſchaft (ſervitus perfecta), wenn die Arbeit, welche er beſtaͤndig liefern muß, ungemeſſen iſt; folglich vom Herrn nach ſei- nem Gefallen befohlen werden kann: Hinge- gen eine unvollkommne (ſervitus imper- fecta), wenn der Knecht nur gemeſſene Dien- ſte zu leiſten ſchuldig iſt, oder ſie auch nicht beſtaͤndig, oder nicht unausgeſetzt leiſten darf. §. 948. Weil derjenige, der durch ſeine Arbeit er- werben muß, was er zu Nahrung und Klei- dung braucht, ſich zur Arbeit einem andern vor Lohn verdingen kann (§. 620.), und es auf ſeinem Willen beruhet, zu was vor Ar- beit, oder Dienſten er ſich vermiethen will (§. 225. 195.); ſo hat ein jeder, der nicht anders als durch arbeiten und dienen Unterhalt haben kann, das Recht, ſich in die Knechtſchaft zu begeben (§. 947.). Weil nun alsdann die Knechtſchaft aus einem Vertrag entſteht, welche man die freywillige (voluntaria) nennt: ſo ſind in der freywilligen Knechtſchaft die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Vertrag zu ermeſſen; und vermoͤge der natuͤr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/720
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/720>, abgerufen am 30.12.2024.