Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Th. 20. H. Von denjenigen,
§. 825.
Von der
Zerglie-
derung
todter
menschli-
cher Kör-
per.

Da durch die Zergliederung todter mensch-
licher Körper eine deutliche Erkäntnis des gan-
tzen menschlichen Körpers und aller seiner Thei-
le erlangt wird, welche, wie niemand zwei-
feln kann, nicht allein zur Erkäntnis der Ge-
sundheit und der Kranckheiten nothwendig ist
(§. 113.), sondern auch GOtt aus dem Baue
des menschlichen Körpers zu erkennen dienet;
so ist die Zergliederung todter mensch-
licher Körper von Natur erlaubt
(§.
cit. und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht
folgt, daß wir diejenigen, deren Körper wir
zergliedern, nicht eben so wohl für Menschen,
als wir sind, und für die vortreflichsten unter
allen Creaturen, ingleichen für Personen,
welche unserer Liebe würdig sind, halten soll-
ten; so ist die Zergliederung todter
menschlicher Körper der Ehre der
Menschheit gar nicht zuwider
(§. 823.):
Jedoch weil die Pflichten gegen Verstorbene
in Ansehung aller Personen nicht völlig ei-
nerley sind (§. 822.); so kann es gesche-
hen, daß sie mit ihnen in gewissen Fäl-
len nicht bestehen kann.
Und daher
siehet man leicht, daß sie nicht ohne Un-
terscheid mit allen Körpern vorgenom-
men werden kann.

§. 826.
Von der
Trauer
wegen
der Ver-

Die Trauer (luctus) nennt man die äus-
serlichen Handlungen, wodurch wir unsere Be-
trübnis anzeigen. Und sie sind entweder na-

türli-
II. Th. 20. H. Von denjenigen,
§. 825.
Von der
Zerglie-
derung
todter
menſchli-
cher Koͤr-
per.

Da durch die Zergliederung todter menſch-
licher Koͤrper eine deutliche Erkaͤntnis des gan-
tzen menſchlichen Koͤrpers und aller ſeiner Thei-
le erlangt wird, welche, wie niemand zwei-
feln kann, nicht allein zur Erkaͤntnis der Ge-
ſundheit und der Kranckheiten nothwendig iſt
(§. 113.), ſondern auch GOtt aus dem Baue
des menſchlichen Koͤrpers zu erkennen dienet;
ſo iſt die Zergliederung todter menſch-
licher Koͤrper von Natur erlaubt
(§.
cit. und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht
folgt, daß wir diejenigen, deren Koͤrper wir
zergliedern, nicht eben ſo wohl fuͤr Menſchen,
als wir ſind, und fuͤr die vortreflichſten unter
allen Creaturen, ingleichen fuͤr Perſonen,
welche unſerer Liebe wuͤrdig ſind, halten ſoll-
ten; ſo iſt die Zergliederung todter
menſchlicher Koͤrper der Ehre der
Menſchheit gar nicht zuwider
(§. 823.):
Jedoch weil die Pflichten gegen Verſtorbene
in Anſehung aller Perſonen nicht voͤllig ei-
nerley ſind (§. 822.); ſo kann es geſche-
hen, daß ſie mit ihnen in gewiſſen Faͤl-
len nicht beſtehen kann.
Und daher
ſiehet man leicht, daß ſie nicht ohne Un-
terſcheid mit allen Koͤrpern vorgenom-
men werden kann.

§. 826.
Von der
Trauer
wegen
der Ver-

Die Trauer (luctus) nennt man die aͤuſ-
ſerlichen Handlungen, wodurch wir unſere Be-
truͤbnis anzeigen. Und ſie ſind entweder na-

tuͤrli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0642" n="606"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#b">Th. 20. H. Von denjenigen,</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 825.</head><lb/>
              <note place="left">Von der<lb/>
Zerglie-<lb/>
derung<lb/>
todter<lb/>
men&#x017F;chli-<lb/>
cher Ko&#x0364;r-<lb/>
per.</note>
              <p>Da durch die Zergliederung todter men&#x017F;ch-<lb/>
licher Ko&#x0364;rper eine deutliche Erka&#x0364;ntnis des gan-<lb/>
tzen men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers und aller &#x017F;einer Thei-<lb/>
le erlangt wird, welche, wie niemand zwei-<lb/>
feln kann, nicht allein zur Erka&#x0364;ntnis der Ge-<lb/>
&#x017F;undheit und der Kranckheiten nothwendig i&#x017F;t<lb/>
(§. 113.), &#x017F;ondern auch GOtt aus dem Baue<lb/>
des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers zu erkennen dienet;<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t die Zergliederung todter men&#x017F;ch-<lb/>
licher Ko&#x0364;rper von Natur erlaubt</hi> (§.<lb/><hi rendition="#aq">cit.</hi> und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht<lb/>
folgt, daß wir diejenigen, deren Ko&#x0364;rper wir<lb/>
zergliedern, nicht eben &#x017F;o wohl fu&#x0364;r Men&#x017F;chen,<lb/>
als wir &#x017F;ind, und fu&#x0364;r die vortreflich&#x017F;ten unter<lb/>
allen Creaturen, ingleichen fu&#x0364;r Per&#x017F;onen,<lb/>
welche un&#x017F;erer Liebe wu&#x0364;rdig &#x017F;ind, halten &#x017F;oll-<lb/>
ten; &#x017F;o <hi rendition="#fr">i&#x017F;t die Zergliederung todter<lb/>
men&#x017F;chlicher Ko&#x0364;rper der Ehre der<lb/>
Men&#x017F;chheit gar nicht zuwider</hi> (§. 823.):<lb/>
Jedoch weil die Pflichten gegen Ver&#x017F;torbene<lb/>
in An&#x017F;ehung aller Per&#x017F;onen nicht vo&#x0364;llig ei-<lb/>
nerley &#x017F;ind (§. 822.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o kann es ge&#x017F;che-<lb/>
hen, daß &#x017F;ie mit ihnen in gewi&#x017F;&#x017F;en Fa&#x0364;l-<lb/>
len nicht be&#x017F;tehen kann.</hi> Und daher<lb/>
&#x017F;iehet man leicht, <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ie nicht ohne Un-<lb/>
ter&#x017F;cheid mit allen Ko&#x0364;rpern vorgenom-<lb/>
men werden kann.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 826.</head><lb/>
              <note place="left">Von der<lb/>
Trauer<lb/>
wegen<lb/>
der Ver-</note>
              <p>Die <hi rendition="#fr">Trauer</hi> <hi rendition="#aq">(luctus)</hi> nennt man die a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlichen Handlungen, wodurch wir un&#x017F;ere Be-<lb/>
tru&#x0364;bnis anzeigen. Und &#x017F;ie &#x017F;ind entweder <hi rendition="#fr">na-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">tu&#x0364;rli-</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0642] II. Th. 20. H. Von denjenigen, §. 825. Da durch die Zergliederung todter menſch- licher Koͤrper eine deutliche Erkaͤntnis des gan- tzen menſchlichen Koͤrpers und aller ſeiner Thei- le erlangt wird, welche, wie niemand zwei- feln kann, nicht allein zur Erkaͤntnis der Ge- ſundheit und der Kranckheiten nothwendig iſt (§. 113.), ſondern auch GOtt aus dem Baue des menſchlichen Koͤrpers zu erkennen dienet; ſo iſt die Zergliederung todter menſch- licher Koͤrper von Natur erlaubt (§. cit. und §. 163.). Weil aber daraus gar nicht folgt, daß wir diejenigen, deren Koͤrper wir zergliedern, nicht eben ſo wohl fuͤr Menſchen, als wir ſind, und fuͤr die vortreflichſten unter allen Creaturen, ingleichen fuͤr Perſonen, welche unſerer Liebe wuͤrdig ſind, halten ſoll- ten; ſo iſt die Zergliederung todter menſchlicher Koͤrper der Ehre der Menſchheit gar nicht zuwider (§. 823.): Jedoch weil die Pflichten gegen Verſtorbene in Anſehung aller Perſonen nicht voͤllig ei- nerley ſind (§. 822.); ſo kann es geſche- hen, daß ſie mit ihnen in gewiſſen Faͤl- len nicht beſtehen kann. Und daher ſiehet man leicht, daß ſie nicht ohne Un- terſcheid mit allen Koͤrpern vorgenom- men werden kann. §. 826. Die Trauer (luctus) nennt man die aͤuſ- ſerlichen Handlungen, wodurch wir unſere Be- truͤbnis anzeigen. Und ſie ſind entweder na- tuͤrli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/642
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/642>, abgerufen am 21.12.2024.