Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Streitigkeiten zu endigen.
was er uns schuldig ist, wenn wir das unsere
von ihm nicht erhalten können, nennt man
die Erfüllung des Rechtes (expletio ju-
ris).
Diese ist also von Natur erlaubt.
Es erhellet aber, daß sie nicht eher zu
Stande kommen kann, bis es gewiß
ist, daß der andere, welcher uns das
unsere vorenthält, dasselbe uns nicht
geben will, damit er das seinige
wieder bekommen könnte;
folglich
muß man in zweifelhaftem Fall ihm
einige Bedenckzeit lassen.
Weil es aber
nöthig ist, daß wir mit einer Sache, daran
wir uns wegen des unsern zu halten haben,
machen können, was wir wollen, wenn nur
nichts vorgenommen wird, das dem Rechte des-
sen, der uns das unsere vorenthält, zuwider
ist (§. 86.), indem wir dadurch befriediget
werden sollen; so erhalten wir das Ei-
genthum in einer Sache, die wir, um
uns an derselben zu erhohlen, wegge-
nommen haben
(§. 195.); sonst würde ja
das gantze Verfahren vor die lange Weile
seyn.

Das neunzehnte Hauptstück.

Von der Auslegung.

§. 794.

Auslegen (interpretari) ist nichts an-Was die
Ausle-
gung sey.

ders, als auf eine gewisse Art schlies-
sen, was einer durch seine Worte,

oder

Streitigkeiten zu endigen.
was er uns ſchuldig iſt, wenn wir das unſere
von ihm nicht erhalten koͤnnen, nennt man
die Erfuͤllung des Rechtes (expletio ju-
ris).
Dieſe iſt alſo von Natur erlaubt.
Es erhellet aber, daß ſie nicht eher zu
Stande kommen kann, bis es gewiß
iſt, daß der andere, welcher uns das
unſere vorenthaͤlt, daſſelbe uns nicht
geben will, damit er das ſeinige
wieder bekommen koͤnnte;
folglich
muß man in zweifelhaftem Fall ihm
einige Bedenckzeit laſſen.
Weil es aber
noͤthig iſt, daß wir mit einer Sache, daran
wir uns wegen des unſern zu halten haben,
machen koͤnnen, was wir wollen, wenn nur
nichts vorgenommen wird, das dem Rechte deſ-
ſen, der uns das unſere vorenthaͤlt, zuwider
iſt (§. 86.), indem wir dadurch befriediget
werden ſollen; ſo erhalten wir das Ei-
genthum in einer Sache, die wir, um
uns an derſelben zu erhohlen, wegge-
nommen haben
(§. 195.); ſonſt wuͤrde ja
das gantze Verfahren vor die lange Weile
ſeyn.

Das neunzehnte Hauptſtuͤck.

Von der Auslegung.

§. 794.

Auslegen (interpretari) iſt nichts an-Was die
Ausle-
gung ſey.

ders, als auf eine gewiſſe Art ſchlieſ-
ſen, was einer durch ſeine Worte,

oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0623" n="587"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Streitigkeiten zu endigen.</hi></fw><lb/>
was er uns &#x017F;chuldig i&#x017F;t, wenn wir das un&#x017F;ere<lb/>
von ihm nicht erhalten ko&#x0364;nnen, nennt man<lb/>
die <hi rendition="#fr">Erfu&#x0364;llung des Rechtes</hi> <hi rendition="#aq">(expletio ju-<lb/>
ris).</hi> Die&#x017F;e <hi rendition="#fr">i&#x017F;t</hi> al&#x017F;o <hi rendition="#fr">von Natur erlaubt.</hi><lb/>
Es erhellet aber, <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ie nicht eher zu<lb/>
Stande kommen kann, bis es gewiß<lb/>
i&#x017F;t, daß der andere, welcher uns das<lb/>
un&#x017F;ere vorentha&#x0364;lt, da&#x017F;&#x017F;elbe uns nicht<lb/>
geben will, damit er das &#x017F;einige<lb/>
wieder bekommen ko&#x0364;nnte;</hi> folglich<lb/><hi rendition="#fr">muß man in zweifelhaftem Fall ihm<lb/>
einige Bedenckzeit la&#x017F;&#x017F;en.</hi> Weil es aber<lb/>
no&#x0364;thig i&#x017F;t, daß wir mit einer Sache, daran<lb/>
wir uns wegen des un&#x017F;ern zu halten haben,<lb/>
machen ko&#x0364;nnen, was wir wollen, wenn nur<lb/>
nichts vorgenommen wird, das dem Rechte de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, der uns das un&#x017F;ere vorentha&#x0364;lt, zuwider<lb/>
i&#x017F;t (§. 86.), indem wir dadurch befriediget<lb/>
werden &#x017F;ollen; <hi rendition="#fr">&#x017F;o erhalten wir das Ei-<lb/>
genthum in einer Sache, die wir, um<lb/>
uns an der&#x017F;elben zu erhohlen, wegge-<lb/>
nommen haben</hi> (§. 195.); &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde ja<lb/>
das gantze Verfahren vor die lange Weile<lb/>
&#x017F;eyn.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Das neunzehnte Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Von der Auslegung.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 794.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">A</hi>uslegen</hi><hi rendition="#aq">(interpretari)</hi> i&#x017F;t nichts an-<note place="right">Was die<lb/>
Ausle-<lb/>
gung &#x017F;ey.</note><lb/>
ders, als auf eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art &#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, was einer durch &#x017F;eine Worte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[587/0623] Streitigkeiten zu endigen. was er uns ſchuldig iſt, wenn wir das unſere von ihm nicht erhalten koͤnnen, nennt man die Erfuͤllung des Rechtes (expletio ju- ris). Dieſe iſt alſo von Natur erlaubt. Es erhellet aber, daß ſie nicht eher zu Stande kommen kann, bis es gewiß iſt, daß der andere, welcher uns das unſere vorenthaͤlt, daſſelbe uns nicht geben will, damit er das ſeinige wieder bekommen koͤnnte; folglich muß man in zweifelhaftem Fall ihm einige Bedenckzeit laſſen. Weil es aber noͤthig iſt, daß wir mit einer Sache, daran wir uns wegen des unſern zu halten haben, machen koͤnnen, was wir wollen, wenn nur nichts vorgenommen wird, das dem Rechte deſ- ſen, der uns das unſere vorenthaͤlt, zuwider iſt (§. 86.), indem wir dadurch befriediget werden ſollen; ſo erhalten wir das Ei- genthum in einer Sache, die wir, um uns an derſelben zu erhohlen, wegge- nommen haben (§. 195.); ſonſt wuͤrde ja das gantze Verfahren vor die lange Weile ſeyn. Das neunzehnte Hauptſtuͤck. Von der Auslegung. §. 794. Auslegen (interpretari) iſt nichts an- ders, als auf eine gewiſſe Art ſchlieſ- ſen, was einer durch ſeine Worte, oder Was die Ausle- gung ſey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/623
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/623>, abgerufen am 21.12.2024.