will, das solle geschehen, was der andere nicht will, daß es geschehen soll, oder daß das nicht geschehe, was der will, daß es geschehen soll. Es ist aber, eben auf die Art, wie vorher (§. 27.), klar, daß der wiedrige Wille ent- weder der stillschweigende, oder der ausdrückliche sey; wie auch, welcher der vermuthete(praesumtus) genanut wird; und daß der stilschweigende nicht we- niger, als der ausdrückliche, ein wah- ter Wiederwille sey.
§. 29.
Die Ge- nehm- haltung.
Die Anzeige der Einwilligung, sie mag ausdrücklich, oder stillschweigend geschehen, wenn sie nachgehends (ex postfacto) dazu kömt, wird die Genehmhaltung(rati- habitio) genant. Derowegen giebt der- jenige, der eine Handlung genehm- hält, zu erkennen, daß er in dieselbe gewilliget habe; daß es also eben so viel ist, als ob sie mit seiner Einwilligung ge- schehen wäre.
§. 30.
Warum man die vermu- thete Einwil- ligung keine wahre nennen könne.
Uebrigens sagt man, in eben der Bedeu- tung, daß wir etwas ausdrücklich wol- len, oder nicht wollen(expresse velle, vel nolle); wie auch, daß Wollen und nicht Wollen vermuthet werde. Wahrscheinliche Dinge können falsch seyn, und es ist nicht gantz gewiß, ob sie wahr sind, oder nicht. Daher kann auch die
ver-
I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
will, das ſolle geſchehen, was der andere nicht will, daß es geſchehen ſoll, oder daß das nicht geſchehe, was der will, daß es geſchehen ſoll. Es iſt aber, eben auf die Art, wie vorher (§. 27.), klar, daß der wiedrige Wille ent- weder der ſtillſchweigende, oder der ausdruͤckliche ſey; wie auch, welcher der vermuthete(præſumtus) genanut wird; und daß der ſtilſchweigende nicht we- niger, als der ausdruͤckliche, ein wah- ter Wiederwille ſey.
§. 29.
Die Ge- nehm- haltung.
Die Anzeige der Einwilligung, ſie mag ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend geſchehen, wenn ſie nachgehends (ex poſtfacto) dazu koͤmt, wird die Genehmhaltung(rati- habitio) genant. Derowegen giebt der- jenige, der eine Handlung genehm- haͤlt, zu erkennen, daß er in dieſelbe gewilliget habe; daß es alſo eben ſo viel iſt, als ob ſie mit ſeiner Einwilligung ge- ſchehen waͤre.
§. 30.
Warum man die vermu- thete Einwil- ligung keine wahre nennen koͤnne.
Uebrigens ſagt man, in eben der Bedeu- tung, daß wir etwas ausdruͤcklich wol- len, oder nicht wollen(expreſſe velle, vel nolle); wie auch, daß Wollen und nicht Wollen vermuthet werde. Wahrſcheinliche Dinge koͤnnen falſch ſeyn, und es iſt nicht gantz gewiß, ob ſie wahr ſind, oder nicht. Daher kann auch die
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I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
will, das ſolle geſchehen, was der andere nicht
will, daß es geſchehen ſoll, oder daß das nicht
geſchehe, was der will, daß es geſchehen ſoll.
Es iſt aber, eben auf die Art, wie vorher (§.
27.), klar, daß der wiedrige Wille ent-
weder der ſtillſchweigende, oder der
ausdruͤckliche ſey; wie auch, welcher der
vermuthete (præſumtus) genanut wird;
und daß der ſtilſchweigende nicht we-
niger, als der ausdruͤckliche, ein wah-
ter Wiederwille ſey.
§. 29.
Die Anzeige der Einwilligung, ſie mag
ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend geſchehen,
wenn ſie nachgehends (ex poſtfacto) dazu
koͤmt, wird die Genehmhaltung (rati-
habitio) genant. Derowegen giebt der-
jenige, der eine Handlung genehm-
haͤlt, zu erkennen, daß er in dieſelbe
gewilliget habe; daß es alſo eben ſo viel
iſt, als ob ſie mit ſeiner Einwilligung ge-
ſchehen waͤre.
§. 30.
Uebrigens ſagt man, in eben der Bedeu-
tung, daß wir etwas ausdruͤcklich wol-
len, oder nicht wollen (expreſſe velle,
vel nolle); wie auch, daß Wollen und
nicht Wollen vermuthet werde.
Wahrſcheinliche Dinge koͤnnen falſch ſeyn,
und es iſt nicht gantz gewiß, ob ſie wahr
ſind, oder nicht. Daher kann auch die
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/56>, abgerufen am 21.11.2024.
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