Was für den Gebrauch einer Sache, dieVon den Zinsen. durch den Gebrauch verbraucht wird, inson- derheit des Geldes, gegeben wird, es mag Geld, oder eine andere Sache seyn, heißt die Zinse(usura). Da der Gebrauch einer Sache, welche durch den Gebrauch ver- braucht wird, nicht weniger geschätzt werden kann, als einer Sache, welche durch den Ge- brauch nicht verbraucht wird; wie hinlänglich erhellet, wenn wir setzen, daß das Geld zu Erkaufung eines fruchttragenden Grundes, oder auf ein Geschäfte, das Gewinn bringt, angewandt wird; niemand aber dem andern umsonst etwas geben darf, der ihm wiederum etwas geben kann (§. 473.); so sind die Zinsen an und vor sich selbst nicht un- erlaubt. Natürlicher Weise aber muß die Grösse derselben aus dem Gebrauch des Geldes bestimmt werden, wozu es bestimmt wird. Nämlich die Zinsen kön- nen als ein Theil des Gewinns angesehen werden, daran in einer Gesellschaft ein Mit- glied Theil hat, so allein Geld beyträgt, in- dem man zugleich auf die Gefahr sieht, wel- che der Schuldner allein übernimmt. Und daher erhellet, daß natürlicher Weise die Zinsen bald grösser, bald kleiner seyn können. Man nennt demnach beis- sende Zinsen, oder auch Juden-Zinsen (usuras mordentes) diejenigen, welche von einem gefordert werden, der mit dem Gelde
kaum
Contracten.
§. 649.
Was fuͤr den Gebrauch einer Sache, dieVon den Zinſen. durch den Gebrauch verbraucht wird, inſon- derheit des Geldes, gegeben wird, es mag Geld, oder eine andere Sache ſeyn, heißt die Zinſe(uſura). Da der Gebrauch einer Sache, welche durch den Gebrauch ver- braucht wird, nicht weniger geſchaͤtzt werden kann, als einer Sache, welche durch den Ge- brauch nicht verbraucht wird; wie hinlaͤnglich erhellet, wenn wir ſetzen, daß das Geld zu Erkaufung eines fruchttragenden Grundes, oder auf ein Geſchaͤfte, das Gewinn bringt, angewandt wird; niemand aber dem andern umſonſt etwas geben darf, der ihm wiederum etwas geben kann (§. 473.); ſo ſind die Zinſen an und vor ſich ſelbſt nicht un- erlaubt. Natuͤrlicher Weiſe aber muß die Groͤſſe derſelben aus dem Gebrauch des Geldes beſtimmt werden, wozu es beſtimmt wird. Naͤmlich die Zinſen koͤn- nen als ein Theil des Gewinns angeſehen werden, daran in einer Geſellſchaft ein Mit- glied Theil hat, ſo allein Geld beytraͤgt, in- dem man zugleich auf die Gefahr ſieht, wel- che der Schuldner allein uͤbernimmt. Und daher erhellet, daß natuͤrlicher Weiſe die Zinſen bald groͤſſer, bald kleiner ſeyn koͤnnen. Man nennt demnach beiſ- ſende Zinſen, oder auch Juden-Zinſen (uſuras mordentes) diejenigen, welche von einem gefordert werden, der mit dem Gelde
kaum
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Contracten.
§. 649.
Was fuͤr den Gebrauch einer Sache, die
durch den Gebrauch verbraucht wird, inſon-
derheit des Geldes, gegeben wird, es mag
Geld, oder eine andere Sache ſeyn, heißt
die Zinſe (uſura). Da der Gebrauch einer
Sache, welche durch den Gebrauch ver-
braucht wird, nicht weniger geſchaͤtzt werden
kann, als einer Sache, welche durch den Ge-
brauch nicht verbraucht wird; wie hinlaͤnglich
erhellet, wenn wir ſetzen, daß das Geld zu
Erkaufung eines fruchttragenden Grundes,
oder auf ein Geſchaͤfte, das Gewinn bringt,
angewandt wird; niemand aber dem andern
umſonſt etwas geben darf, der ihm wiederum
etwas geben kann (§. 473.); ſo ſind die
Zinſen an und vor ſich ſelbſt nicht un-
erlaubt. Natuͤrlicher Weiſe aber muß
die Groͤſſe derſelben aus dem Gebrauch
des Geldes beſtimmt werden, wozu es
beſtimmt wird. Naͤmlich die Zinſen koͤn-
nen als ein Theil des Gewinns angeſehen
werden, daran in einer Geſellſchaft ein Mit-
glied Theil hat, ſo allein Geld beytraͤgt, in-
dem man zugleich auf die Gefahr ſieht, wel-
che der Schuldner allein uͤbernimmt. Und
daher erhellet, daß natuͤrlicher Weiſe
die Zinſen bald groͤſſer, bald kleiner
ſeyn koͤnnen. Man nennt demnach beiſ-
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(uſuras mordentes) diejenigen, welche von
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kaum
Von den
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/465>, abgerufen am 21.11.2024.
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