gleich zu achten (§. 351.), folglich uner- laubt (§. 352.). Es erhellet aber ferner, daß die Zweydeutigkeit im Reden in dem Falle erlaubt sey, in welchen die Unwahrheit erlaubt ist (§. 352.).
§ 354.
Die Allegorie ist eine Rede, welche ausVon den Rätzeln. Worten besteht, die in einer andern, als ih- rer eigentlichen Bedeutung genommen wer- den, um eine andere Sache anzudeuten, mit der sie eine Aehnlichkeit hat. Eine dunckele Allegorie, in welcher die uneigentliche Be- deutung der Wörter zweydeutig ist, nennt man ein Rätzel(aenigma).Es dienen also die Rätzel den Witz zu üben, wel- cher in der Leichtigkeit die Aehnlichkeiten der Dinge zu bemercken besteht. Wenn dem- nach die Zweydeutigkeit im Reden er- laubt, oder unerlaubt ist (§. 353.), so ist eine rätzelhafte Redensart auch er- laubt oder unerlaubt.
§. 355.
Offenbahre Worte(verba aperta) nen-Von der Vorbe- haltung im Sin- ne. nen wir diejenigen, welche ausgesprochen, oder geschrieben werden, daß sie von andern ver- standen werden können: verschwiegene Worte aber (tacita) die, welche in Ge- dancken zurück behalten werden, daß sie nie- mand als wir wissen können, indem wir nicht für andere, sondern für uns reden. Eine moralische wahre Rede, welche zum Theil aus offenbahren Worten, zum Theil aus ver-
schwie-
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ſeiner Gedancken.
gleich zu achten (§. 351.), folglich uner- laubt (§. 352.). Es erhellet aber ferner, daß die Zweydeutigkeit im Reden in dem Falle erlaubt ſey, in welchen die Unwahrheit erlaubt iſt (§. 352.).
§ 354.
Die Allegorie iſt eine Rede, welche ausVon den Raͤtzeln. Worten beſteht, die in einer andern, als ih- rer eigentlichen Bedeutung genommen wer- den, um eine andere Sache anzudeuten, mit der ſie eine Aehnlichkeit hat. Eine dunckele Allegorie, in welcher die uneigentliche Be- deutung der Woͤrter zweydeutig iſt, nennt man ein Raͤtzel(ænigma).Es dienen alſo die Raͤtzel den Witz zu uͤben, wel- cher in der Leichtigkeit die Aehnlichkeiten der Dinge zu bemercken beſteht. Wenn dem- nach die Zweydeutigkeit im Reden er- laubt, oder unerlaubt iſt (§. 353.), ſo iſt eine raͤtzelhafte Redensart auch er- laubt oder unerlaubt.
§. 355.
Offenbahre Worte(verba aperta) nen-Von der Vorbe- haltung im Sin- ne. nen wir diejenigen, welche ausgeſprochen, oder geſchrieben werden, daß ſie von andern ver- ſtanden werden koͤnnen: verſchwiegene Worte aber (tacita) die, welche in Ge- dancken zuruͤck behalten werden, daß ſie nie- mand als wir wiſſen koͤnnen, indem wir nicht fuͤr andere, ſondern fuͤr uns reden. Eine moraliſche wahre Rede, welche zum Theil aus offenbahren Worten, zum Theil aus ver-
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ſeiner Gedancken.
gleich zu achten (§. 351.), folglich uner-
laubt (§. 352.). Es erhellet aber ferner,
daß die Zweydeutigkeit im Reden in
dem Falle erlaubt ſey, in welchen die
Unwahrheit erlaubt iſt (§. 352.).
§ 354.
Die Allegorie iſt eine Rede, welche aus
Worten beſteht, die in einer andern, als ih-
rer eigentlichen Bedeutung genommen wer-
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der ſie eine Aehnlichkeit hat. Eine dunckele
Allegorie, in welcher die uneigentliche Be-
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alſo die Raͤtzel den Witz zu uͤben, wel-
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Dinge zu bemercken beſteht. Wenn dem-
nach die Zweydeutigkeit im Reden er-
laubt, oder unerlaubt iſt (§. 353.), ſo
iſt eine raͤtzelhafte Redensart auch er-
laubt oder unerlaubt.
Von den
Raͤtzeln.
§. 355.
Offenbahre Worte (verba aperta) nen-
nen wir diejenigen, welche ausgeſprochen, oder
geſchrieben werden, daß ſie von andern ver-
ſtanden werden koͤnnen: verſchwiegene
Worte aber (tacita) die, welche in Ge-
dancken zuruͤck behalten werden, daß ſie nie-
mand als wir wiſſen koͤnnen, indem wir nicht
fuͤr andere, ſondern fuͤr uns reden. Eine
moraliſche wahre Rede, welche zum Theil
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Vorbe-
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im Sin-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/253>, abgerufen am 21.11.2024.
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