Eine auf- richtige Hand- lung, die Verstel- lung die Verhee- lung, der Vor- wand.
Eine äusserlich aufrichtige Hand- lung(actio externa sincera) nennt man die- jenige, welche mit der innern übereinstimmt; wenn aber die äussere Handlung der inneren zuwieder ist, so heißt es eine Verstellung (simulatio). Die Verbergung so wohl der äussern, als innern Handlungen, sie mag ent- weder in einer That oder Unterlassung dersel- ben bestehen, auf was Art und Weise sie auch geschiehet, heißt die Verheelung(dissimu- latio). Die Verstellung der Jntention, wenn wir nemlich eine andere, als die wahre, wel- che wir haben, vorgeben, heisset der Vor- wand(praetextus), welche von einigen ein Blendwerck(obtentus) genannt wird.
§. 350.
Welche Rede Wahrre- den, wel- che Rede Unwahr- heit ist.
Es erhellet also, daß Wahrreden eine aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit im Reden eine verstellte Rede sey (§. 347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer- ner, daß der Vorwand eine Art der Unwahrheit sey, wie die Unterlaßung der Rede, die zu dem Ende geschiehet, daß unsere Gedancken dem andern nicht bekannt werden sollen, zur Verheelung zu rechnen ist (§. 349.).
§. 351.
Vom Lü- gen und Ver- schwei- gen.
Der lügt(mentitur), welcher moralisch falsch redet, wenn er wahr zu reden verbun- den ist, oder wenn er verbunden ist dem an- dern seine Gedancken zu entdecken. Eine Lü-
gen
II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
§. 349.
Eine auf- richtige Hand- lung, die Verſtel- lung die Verhee- lung, der Vor- wand.
Eine aͤuſſerlich aufrichtige Hand- lung(actio externa ſincera) nennt man die- jenige, welche mit der innern uͤbereinſtimmt; wenn aber die aͤuſſere Handlung der inneren zuwieder iſt, ſo heißt es eine Verſtellung (ſimulatio). Die Verbergung ſo wohl der aͤuſſern, als innern Handlungen, ſie mag ent- weder in einer That oder Unterlaſſung derſel- ben beſtehen, auf was Art und Weiſe ſie auch geſchiehet, heißt die Verheelung(diſſimu- latio). Die Verſtellung der Jntention, wenn wir nemlich eine andere, als die wahre, wel- che wir haben, vorgeben, heiſſet der Vor- wand(prætextus), welche von einigen ein Blendwerck(obtentus) genannt wird.
§. 350.
Welche Rede Wahrre- den, wel- che Rede Unwahr- heit iſt.
Es erhellet alſo, daß Wahrreden eine aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit im Reden eine verſtellte Rede ſey (§. 347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer- ner, daß der Vorwand eine Art der Unwahrheit ſey, wie die Unterlaßung der Rede, die zu dem Ende geſchiehet, daß unſere Gedancken dem andern nicht bekannt werden ſollen, zur Verheelung zu rechnen iſt (§. 349.).
§. 351.
Vom Luͤ- gen und Ver- ſchwei- gen.
Der luͤgt(mentitur), welcher moraliſch falſch redet, wenn er wahr zu reden verbun- den iſt, oder wenn er verbunden iſt dem an- dern ſeine Gedancken zu entdecken. Eine Luͤ-
gen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0250"n="214"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. 6. H. Von der Eroͤfnung</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 349.</head><lb/><noteplace="left">Eine auf-<lb/>
richtige<lb/>
Hand-<lb/>
lung, die<lb/>
Verſtel-<lb/>
lung die<lb/>
Verhee-<lb/>
lung, der<lb/>
Vor-<lb/>
wand.</note><p><hirendition="#fr">Eine aͤuſſerlich aufrichtige Hand-<lb/>
lung</hi><hirendition="#aq">(actio externa ſincera)</hi> nennt man die-<lb/>
jenige, welche mit der innern uͤbereinſtimmt;<lb/>
wenn aber die aͤuſſere Handlung der inneren<lb/>
zuwieder iſt, ſo heißt es <hirendition="#fr">eine Verſtellung</hi><lb/><hirendition="#aq">(ſimulatio).</hi> Die Verbergung ſo wohl der<lb/>
aͤuſſern, als innern Handlungen, ſie mag ent-<lb/>
weder in einer That oder Unterlaſſung derſel-<lb/>
ben beſtehen, auf was Art und Weiſe ſie auch<lb/>
geſchiehet, heißt <hirendition="#fr">die Verheelung</hi><hirendition="#aq">(diſſimu-<lb/>
latio).</hi> Die Verſtellung der Jntention, wenn<lb/>
wir nemlich eine andere, als die wahre, wel-<lb/>
che wir haben, vorgeben, heiſſet der <hirendition="#fr">Vor-<lb/>
wand</hi><hirendition="#aq">(prætextus),</hi> welche von einigen ein<lb/><hirendition="#fr">Blendwerck</hi><hirendition="#aq">(obtentus)</hi> genannt wird.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 350.</head><lb/><noteplace="left">Welche<lb/>
Rede<lb/>
Wahrre-<lb/>
den, wel-<lb/>
che Rede<lb/>
Unwahr-<lb/>
heit iſt.</note><p>Es erhellet alſo, <hirendition="#fr">daß Wahrreden eine<lb/>
aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit<lb/>
im Reden eine verſtellte Rede ſey</hi> (§.<lb/>
347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer-<lb/>
ner, <hirendition="#fr">daß der Vorwand eine Art der<lb/>
Unwahrheit ſey,</hi> wie <hirendition="#fr">die Unterlaßung<lb/>
der Rede, die zu dem Ende geſchiehet,<lb/>
daß unſere Gedancken dem andern nicht<lb/>
bekannt werden ſollen, zur Verheelung<lb/>
zu rechnen iſt</hi> (§. 349.).</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 351.</head><lb/><noteplace="left">Vom Luͤ-<lb/>
gen und<lb/>
Ver-<lb/>ſchwei-<lb/>
gen.</note><p><hirendition="#fr">Der luͤgt</hi><hirendition="#aq">(mentitur),</hi> welcher moraliſch<lb/>
falſch redet, wenn er wahr zu reden verbun-<lb/>
den iſt, oder wenn er verbunden iſt dem an-<lb/>
dern ſeine Gedancken zu entdecken. Eine <hirendition="#fr">Luͤ-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">gen</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[214/0250]
II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
§. 349.
Eine aͤuſſerlich aufrichtige Hand-
lung (actio externa ſincera) nennt man die-
jenige, welche mit der innern uͤbereinſtimmt;
wenn aber die aͤuſſere Handlung der inneren
zuwieder iſt, ſo heißt es eine Verſtellung
(ſimulatio). Die Verbergung ſo wohl der
aͤuſſern, als innern Handlungen, ſie mag ent-
weder in einer That oder Unterlaſſung derſel-
ben beſtehen, auf was Art und Weiſe ſie auch
geſchiehet, heißt die Verheelung (diſſimu-
latio). Die Verſtellung der Jntention, wenn
wir nemlich eine andere, als die wahre, wel-
che wir haben, vorgeben, heiſſet der Vor-
wand (prætextus), welche von einigen ein
Blendwerck (obtentus) genannt wird.
§. 350.
Es erhellet alſo, daß Wahrreden eine
aufrichtige Rede, und eine Unwahrheit
im Reden eine verſtellte Rede ſey (§.
347. 348. 349.). Es erhellet aber auch fer-
ner, daß der Vorwand eine Art der
Unwahrheit ſey, wie die Unterlaßung
der Rede, die zu dem Ende geſchiehet,
daß unſere Gedancken dem andern nicht
bekannt werden ſollen, zur Verheelung
zu rechnen iſt (§. 349.).
§. 351.
Der luͤgt (mentitur), welcher moraliſch
falſch redet, wenn er wahr zu reden verbun-
den iſt, oder wenn er verbunden iſt dem an-
dern ſeine Gedancken zu entdecken. Eine Luͤ-
gen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/250>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.