Von ei- ner Jn- sel, die im Mee- re oder in ei- nem Flusse entstehet.
Wenn durch einen Zufall im Meere, oder auf einem Fluß eine Jnsel entste- het, z. E durch ein Erdbeben, oder weil der Fluß durch Zusammenschwemmen nach und nach einen erhabenen Ort über dem Fluß gemacht, und durch Anspühlen vergrössert hat; so gehöret dieselbe nie- manden, indem sie als eine Sache anzusehen, die in der Natur noch nicht dagewesen (§. 191.); folglich kann sie von demjenigen eigen- thümlich gemacht werden, der das Recht hat, sich eigenthümlich zu machen, was niemanden gehöret (§. 210. 215.). Wenn aber eine Jnsel in einem Flusse entstehet, weil der Fluß einen Theil, der sonst zum Graben des Flusses gehörte, trocken ver- läßt und um denselben zu fliessen be- ginnet; da in solchem Falle nur ein Theil des Grabens verlassen wird, so ist die Jnsul des- sen, dem der Fluß zugehöret; folgends wenn der Fluß niemanden zugehöret, so ge- höret auch die Jnsel niemanden (§. 246.).
§. 251.
Von dem Recht der An- spüh- lung.
Die Anspühlung(alluvio) nennt man den natürlichen Zuwachs, da durch die Gewalt eines Flusses an einen daran liegenden Grund unvermerkt immer mehr angesetzt wird, so daß er mit der Zeit merklich vergrössert wird. Da nun, was hierdurch zu unserm Grun- de kommt, als eine Sache anzusehen ist, die vorher in der Natur nicht gewesen;
so
II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangung
§. 250.
Von ei- ner Jn- ſel, die im Mee- re oder in ei- nem Fluſſe entſtehet.
Wenn durch einen Zufall im Meere, oder auf einem Fluß eine Jnſel entſte- het, z. E durch ein Erdbeben, oder weil der Fluß durch Zuſammenſchwemmen nach und nach einen erhabenen Ort uͤber dem Fluß gemacht, und durch Anſpuͤhlen vergroͤſſert hat; ſo gehoͤret dieſelbe nie- manden, indem ſie als eine Sache anzuſehen, die in der Natur noch nicht dageweſen (§. 191.); folglich kann ſie von demjenigen eigen- thuͤmlich gemacht werden, der das Recht hat, ſich eigenthuͤmlich zu machen, was niemanden gehoͤret (§. 210. 215.). Wenn aber eine Jnſel in einem Fluſſe entſtehet, weil der Fluß einen Theil, der ſonſt zum Graben des Fluſſes gehoͤrte, trocken ver- laͤßt und um denſelben zu flieſſen be- ginnet; da in ſolchem Falle nur ein Theil des Grabens verlaſſen wird, ſo iſt die Jnſul deſ- ſen, dem der Fluß zugehoͤret; folgends weñ der Fluß niemanden zugehoͤret, ſo ge- hoͤret auch die Jnſel niemanden (§. 246.).
§. 251.
Von dem Recht der An- ſpuͤh- lung.
Die Anſpuͤhlung(alluvio) nennt man den natuͤrlichen Zuwachs, da durch die Gewalt eines Fluſſes an einen daran liegenden Grund unvermerkt immer mehr angeſetzt wird, ſo daß er mit der Zeit merklich vergroͤſſert wird. Da nun, was hierdurch zu unſerm Grun- de kommt, als eine Sache anzuſehen iſt, die vorher in der Natur nicht geweſen;
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II. Th. 2. H. Von urſpruͤngl. Erlangung
§. 250.
Wenn durch einen Zufall im Meere,
oder auf einem Fluß eine Jnſel entſte-
het, z. E durch ein Erdbeben, oder weil der
Fluß durch Zuſammenſchwemmen nach
und nach einen erhabenen Ort uͤber dem
Fluß gemacht, und durch Anſpuͤhlen
vergroͤſſert hat; ſo gehoͤret dieſelbe nie-
manden, indem ſie als eine Sache anzuſehen,
die in der Natur noch nicht dageweſen (§. 191.);
folglich kann ſie von demjenigen eigen-
thuͤmlich gemacht werden, der das Recht
hat, ſich eigenthuͤmlich zu machen, was
niemanden gehoͤret (§. 210. 215.). Wenn
aber eine Jnſel in einem Fluſſe entſtehet,
weil der Fluß einen Theil, der ſonſt zum
Graben des Fluſſes gehoͤrte, trocken ver-
laͤßt und um denſelben zu flieſſen be-
ginnet; da in ſolchem Falle nur ein Theil des
Grabens verlaſſen wird, ſo iſt die Jnſul deſ-
ſen, dem der Fluß zugehoͤret; folgends weñ
der Fluß niemanden zugehoͤret, ſo ge-
hoͤret auch die Jnſel niemanden (§. 246.).
§. 251.
Die Anſpuͤhlung (alluvio) nennt man
den natuͤrlichen Zuwachs, da durch die
Gewalt eines Fluſſes an einen daran liegenden
Grund unvermerkt immer mehr angeſetzt wird,
ſo daß er mit der Zeit merklich vergroͤſſert wird.
Da nun, was hierdurch zu unſerm Grun-
de kommt, als eine Sache anzuſehen iſt,
die vorher in der Natur nicht geweſen;
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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