haben, wovon doch die innern Handlungen weit entfernt sind. Da nun das Gesetz der Natur eine Uebereinstimmung der innern und äussern Handlungen erfordert (§. 52.); so ist die Heucheley durch das Gesetz der Natur verbothen (§. 51.).
§. 168.
Vom Ge- horsam, den man Gott zu leisten schuldig.
Der Gehorsam(obedientia) ist die Be- reitwilligkeit, das zu thun, was der andere will, und das zu unterlassen, was er nicht will. Weil nun unser Wille überhaupt bestimmt werden soll, das zu thun, was Gott will, und das zu unterlassen, was er nicht will (§. 164.); so sind wir verbunden, Gott zu gehor- chen; folglich ist der Ungehorsam, wel- cher dem Gehorsam entgegengesetzet wird, durch das Gesetze der Natur verbothen (§. 51.).
§. 169.
Von der Liebe Gottes.
Gott ist der Vollkommenste. Da nun aus der Erfahrung bekannt, daß das Gemüth mit Freude und Vergnügen erfüllt wird, wenn wir uns einer Vollkommenheit bewust sind; so muß die gröste Vollkommenheit Gottes, wenn sie erkannt wird, auch das Gemüth mit dem grösten Vergnügen erfüllen. Die Neigung des Gemüths, aus der grösten Voll- kommenheit Gottes das gröste Vergnügen zu empfinden, wird die Liebe zu Gott genannt, und unter der Liebe des Wohlgefallens (amor complacentiae) verstehet man diejenige, welche gantz allein in der Empfindung des
Ver-
I. Th. 6. H. Von den Pflichten
haben, wovon doch die innern Handlungen weit entfernt ſind. Da nun das Geſetz der Natur eine Uebereinſtimmung der innern und aͤuſſern Handlungen erfordert (§. 52.); ſo iſt die Heucheley durch das Geſetz der Natur verbothen (§. 51.).
§. 168.
Vom Ge- horſam, den man Gott zu leiſten ſchuldig.
Der Gehorſam(obedientia) iſt die Be- reitwilligkeit, das zu thun, was der andere will, und das zu unterlaſſen, was er nicht will. Weil nun unſer Wille uͤberhaupt beſtimmt werden ſoll, das zu thun, was Gott will, und das zu unterlaſſen, was er nicht will (§. 164.); ſo ſind wir verbunden, Gott zu gehor- chen; folglich iſt der Ungehorſam, wel- cher dem Gehorſam entgegengeſetzet wird, durch das Geſetze der Natur verbothen (§. 51.).
§. 169.
Von der Liebe Gottes.
Gott iſt der Vollkommenſte. Da nun aus der Erfahrung bekannt, daß das Gemuͤth mit Freude und Vergnuͤgen erfuͤllt wird, wenn wir uns einer Vollkommenheit bewuſt ſind; ſo muß die groͤſte Vollkommenheit Gottes, wenn ſie erkannt wird, auch das Gemuͤth mit dem groͤſten Vergnuͤgen erfuͤllen. Die Neigung des Gemuͤths, aus der groͤſten Voll- kommenheit Gottes das groͤſte Vergnuͤgen zu empfinden, wird die Liebe zu Gott genannt, und unter der Liebe des Wohlgefallens (amor complacentiæ) verſtehet man diejenige, welche gantz allein in der Empfindung des
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I. Th. 6. H. Von den Pflichten
haben, wovon doch die innern Handlungen
weit entfernt ſind. Da nun das Geſetz der
Natur eine Uebereinſtimmung der innern und
aͤuſſern Handlungen erfordert (§. 52.); ſo
iſt die Heucheley durch das Geſetz der
Natur verbothen (§. 51.).
§. 168.
Der Gehorſam (obedientia) iſt die Be-
reitwilligkeit, das zu thun, was der andere
will, und das zu unterlaſſen, was er nicht will.
Weil nun unſer Wille uͤberhaupt beſtimmt
werden ſoll, das zu thun, was Gott will, und
das zu unterlaſſen, was er nicht will (§. 164.);
ſo ſind wir verbunden, Gott zu gehor-
chen; folglich iſt der Ungehorſam, wel-
cher dem Gehorſam entgegengeſetzet wird,
durch das Geſetze der Natur verbothen
(§. 51.).
§. 169.
Gott iſt der Vollkommenſte. Da nun aus
der Erfahrung bekannt, daß das Gemuͤth mit
Freude und Vergnuͤgen erfuͤllt wird, wenn
wir uns einer Vollkommenheit bewuſt ſind;
ſo muß die groͤſte Vollkommenheit Gottes,
wenn ſie erkannt wird, auch das Gemuͤth
mit dem groͤſten Vergnuͤgen erfuͤllen. Die
Neigung des Gemuͤths, aus der groͤſten Voll-
kommenheit Gottes das groͤſte Vergnuͤgen zu
empfinden, wird die Liebe zu Gott genannt,
und unter der Liebe des Wohlgefallens
(amor complacentiæ) verſtehet man diejenige,
welche gantz allein in der Empfindung des
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/142>, abgerufen am 21.11.2024.
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