befreyt werden kann (§. 100.), und man ei- nem jeden erlauben muß sich seines Rechts zu bedienen (§. 66.); so ist es keine Krän- ckung, sondern wird fälschlich davor angenommen, wenn einer das thut, wozu er verbunden ist, oder was er mit Recht thun kann.
§. 155.
Vonn der Rache.
Weil wir niemanden hassen sollen (§. 136.), der Haß(odium) aber in der Gemüths- Verfassung bestehet, aus des andern Unglück- seeligkeit, oder Verdruß und Traurigkeit (§. 118.) ein Vergnügen zu empfinden; so darf auch niemand dem andern Ver- druß verursachen: und da diese Verbind- lichkeit durch eines andern gegenseitige Hand- lung nicht aufgehoben wird (§. 135.); so dürfen wir auch niemanden Verdruß erwecken wollen, weil er uns gekrän- cket; folglich müßen wir dem andern nichts Böses thun, der uns etwas Bö- ses gethan hat, oder Böses mit Bösem vergelten. Die Rache(vindicta) nennt man alle Handlungen, durch welche man Bö- ses mit Bösem vergilt, und die Rachgier (cupiditas vindictae) die Begierde dem an- dern Verdruß zu verursachen, der uns gekrän- cket hat. Daher ist klar, daß die Rache unerlaubt sey, und daß wir ein von al- ler Rachgier befreytes Gemüthe ha- ben müssen; folglich daß dasselbe auch bey der Ausübung des uns zukommen-
den
I. Th. 5. H. Von den Pflichten
befreyt werden kann (§. 100.), und man ei- nem jeden erlauben muß ſich ſeines Rechts zu bedienen (§. 66.); ſo iſt es keine Kraͤn- ckung, ſondern wird faͤlſchlich davor angenommen, wenn einer das thut, wozu er verbunden iſt, oder was er mit Recht thun kann.
§. 155.
Võn der Rache.
Weil wir niemanden haſſen ſollen (§. 136.), der Haß(odium) aber in der Gemuͤths- Verfaſſung beſtehet, aus des andern Ungluͤck- ſeeligkeit, oder Verdruß und Traurigkeit (§. 118.) ein Vergnuͤgen zu empfinden; ſo darf auch niemand dem andern Ver- druß verurſachen: und da dieſe Verbind- lichkeit durch eines andern gegenſeitige Hand- lung nicht aufgehoben wird (§. 135.); ſo duͤrfen wir auch niemanden Verdruß erwecken wollen, weil er uns gekraͤn- cket; folglich muͤßen wir dem andern nichts Boͤſes thun, der uns etwas Boͤ- ſes gethan hat, oder Boͤſes mit Boͤſem vergelten. Die Rache(vindicta) nennt man alle Handlungen, durch welche man Boͤ- ſes mit Boͤſem vergilt, und die Rachgier (cupiditas vindictæ) die Begierde dem an- dern Verdruß zu verurſachen, der uns gekraͤn- cket hat. Daher iſt klar, daß die Rache unerlaubt ſey, und daß wir ein von al- ler Rachgier befreytes Gemuͤthe ha- ben muͤſſen; folglich daß daſſelbe auch bey der Ausuͤbung des uns zukommen-
den
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I. Th. 5. H. Von den Pflichten
befreyt werden kann (§. 100.), und man ei-
nem jeden erlauben muß ſich ſeines Rechts
zu bedienen (§. 66.); ſo iſt es keine Kraͤn-
ckung, ſondern wird faͤlſchlich davor
angenommen, wenn einer das thut,
wozu er verbunden iſt, oder was er mit
Recht thun kann.
§. 155.
Weil wir niemanden haſſen ſollen (§. 136.),
der Haß (odium) aber in der Gemuͤths-
Verfaſſung beſtehet, aus des andern Ungluͤck-
ſeeligkeit, oder Verdruß und Traurigkeit
(§. 118.) ein Vergnuͤgen zu empfinden; ſo
darf auch niemand dem andern Ver-
druß verurſachen: und da dieſe Verbind-
lichkeit durch eines andern gegenſeitige Hand-
lung nicht aufgehoben wird (§. 135.); ſo
duͤrfen wir auch niemanden Verdruß
erwecken wollen, weil er uns gekraͤn-
cket; folglich muͤßen wir dem andern
nichts Boͤſes thun, der uns etwas Boͤ-
ſes gethan hat, oder Boͤſes mit Boͤſem
vergelten. Die Rache (vindicta) nennt
man alle Handlungen, durch welche man Boͤ-
ſes mit Boͤſem vergilt, und die Rachgier
(cupiditas vindictæ) die Begierde dem an-
dern Verdruß zu verurſachen, der uns gekraͤn-
cket hat. Daher iſt klar, daß die Rache
unerlaubt ſey, und daß wir ein von al-
ler Rachgier befreytes Gemuͤthe ha-
ben muͤſſen; folglich daß daſſelbe auch
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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