Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. 4. H. Von den Pflichten
der Ge-
müths-
bewegun-
gen.
müssen, sie dem Gesetz der Natur ge-
mäß einzurichten,
d. i. sie zu regieren;
daß wir ihnen wiederstehen müssen,
damit sie nicht in äussere Handlungen,
dazu sie uns verleiten, die dem Gesetz
der Natur zuwieder sind, ausbrechen,

d. i. daß wir sie zähmen (§. 109.); und wenn
es sich zuträgt, daß sie uns bey den Hand-
lungen hindern, und wenn wir die Regie-
rung derselben noch nicht in unserer Gewalt
haben, wir sie unterdrücken, indem sie
plötzlich entstehen,
das ist, sie stillen.
Daher erhellet, daß man Fertigkeiten er-
halten müße, in vorkommendem Falle
den Willen und das Nichtwollen
dem Gesetze der Natur gemäß zu be-
stimmen.

§. 111.
Von
welchen
Dingen
man Wis-
senschafft
erlangen
müsse.

Es ist auch klar, daß der Mensch ver-
bunden sey, die Wissenschaft von den-
jenigen Dingen zu erhalten, was, so
wohl das wahre Gute und Uebel von
dem, so den blossen Schein hat, zu un-
terscheiden (§. 109.), als auch recht zu
handeln, zu wissen nöthig ist
(§. 52. 53.).

§. 112.
Daß der
Leib er-
halten u.
vollkom-
men ge-
macht
werden
müsse.

Unser Leib bestehet 1) aus Gliedern, die
zum Leben gehören
(organis vitalibus),
welche bestimmt sind, das Leben zu erhalten und
sein Geschlecht fortzupflantzen; 2) aus Glie-
dern der Sinnen
(organis sensoriis), wel-
che zu den Empfindungen und der davon ab-

hängen-

I. Th. 4. H. Von den Pflichten
der Ge-
muͤths-
bewegun-
gen.
muͤſſen, ſie dem Geſetz der Natur ge-
maͤß einzurichten,
d. i. ſie zu regieren;
daß wir ihnen wiederſtehen muͤſſen,
damit ſie nicht in aͤuſſere Handlungen,
dazu ſie uns verleiten, die dem Geſetz
der Natur zuwieder ſind, ausbrechen,

d. i. daß wir ſie zaͤhmen (§. 109.); und wenn
es ſich zutraͤgt, daß ſie uns bey den Hand-
lungen hindern, und wenn wir die Regie-
rung derſelben noch nicht in unſerer Gewalt
haben, wir ſie unterdruͤcken, indem ſie
ploͤtzlich entſtehen,
das iſt, ſie ſtillen.
Daher erhellet, daß man Fertigkeiten er-
halten muͤße, in vorkommendem Falle
den Willen und das Nichtwollen
dem Geſetze der Natur gemaͤß zu be-
ſtimmen.

§. 111.
Von
welchen
Dingen
man Wiſ-
ſenſchafft
erlangen
muͤſſe.

Es iſt auch klar, daß der Menſch ver-
bunden ſey, die Wiſſenſchaft von den-
jenigen Dingen zu erhalten, was, ſo
wohl das wahre Gute und Uebel von
dem, ſo den bloſſen Schein hat, zu un-
terſcheiden (§. 109.), als auch recht zu
handeln, zu wiſſen noͤthig iſt
(§. 52. 53.).

§. 112.
Daß der
Leib er-
halten u.
vollkom-
men ge-
macht
werden
muͤſſe.

Unſer Leib beſtehet 1) aus Gliedern, die
zum Leben gehoͤren
(organis vitalibus),
welche beſtimmt ſind, das Leben zu erhalten und
ſein Geſchlecht fortzupflantzen; 2) aus Glie-
dern der Sinnen
(organis ſenſoriis), wel-
che zu den Empfindungen und der davon ab-

haͤngen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0106" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. 4. H. Von den Pflichten</hi></fw><lb/><note place="left">der Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths-<lb/>
bewegun-<lb/>
gen.</note><hi rendition="#fr">mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie dem Ge&#x017F;etz der Natur ge-<lb/>
ma&#x0364;ß einzurichten,</hi> d. i. &#x017F;ie zu regieren;<lb/><hi rendition="#fr">daß wir ihnen wieder&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
damit &#x017F;ie nicht in a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Handlungen,<lb/>
dazu &#x017F;ie uns verleiten, die dem Ge&#x017F;etz<lb/>
der Natur zuwieder &#x017F;ind, ausbrechen,</hi><lb/>
d. i. daß wir &#x017F;ie za&#x0364;hmen (§. 109.); und wenn<lb/>
es &#x017F;ich zutra&#x0364;gt, daß &#x017F;ie uns bey den Hand-<lb/>
lungen hindern, und wenn wir die Regie-<lb/>
rung der&#x017F;elben noch nicht in un&#x017F;erer Gewalt<lb/>
haben, <hi rendition="#fr">wir &#x017F;ie unterdru&#x0364;cken, indem &#x017F;ie<lb/>
plo&#x0364;tzlich ent&#x017F;tehen,</hi> das i&#x017F;t, &#x017F;ie &#x017F;tillen.<lb/>
Daher erhellet, <hi rendition="#fr">daß man Fertigkeiten er-<lb/>
halten mu&#x0364;ße, in vorkommendem Falle<lb/>
den Willen und das Nichtwollen<lb/>
dem Ge&#x017F;etze der Natur gema&#x0364;ß zu be-<lb/>
&#x017F;timmen.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 111.</head><lb/>
              <note place="left">Von<lb/>
welchen<lb/>
Dingen<lb/>
man Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chafft<lb/>
erlangen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</note>
              <p>Es i&#x017F;t auch klar, <hi rendition="#fr">daß der Men&#x017F;ch ver-<lb/>
bunden &#x017F;ey, die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von den-<lb/>
jenigen Dingen zu erhalten, was, &#x017F;o<lb/>
wohl das wahre Gute und Uebel von<lb/>
dem, &#x017F;o den blo&#x017F;&#x017F;en Schein hat, zu un-<lb/>
ter&#x017F;cheiden (§. 109.), als auch recht zu<lb/>
handeln, zu wi&#x017F;&#x017F;en no&#x0364;thig i&#x017F;t</hi> (§. 52. 53.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 112.</head><lb/>
              <note place="left">Daß der<lb/>
Leib er-<lb/>
halten u.<lb/>
vollkom-<lb/>
men ge-<lb/>
macht<lb/>
werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</note>
              <p>Un&#x017F;er Leib be&#x017F;tehet 1) aus <hi rendition="#fr">Gliedern, die<lb/>
zum Leben geho&#x0364;ren</hi> <hi rendition="#aq">(organis vitalibus),</hi><lb/>
welche be&#x017F;timmt &#x017F;ind, das Leben zu erhalten und<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht fortzupflantzen; 2) aus <hi rendition="#fr">Glie-<lb/>
dern der Sinnen</hi> <hi rendition="#aq">(organis &#x017F;en&#x017F;oriis),</hi> wel-<lb/>
che zu den Empfindungen und der davon ab-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;ngen-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0106] I. Th. 4. H. Von den Pflichten muͤſſen, ſie dem Geſetz der Natur ge- maͤß einzurichten, d. i. ſie zu regieren; daß wir ihnen wiederſtehen muͤſſen, damit ſie nicht in aͤuſſere Handlungen, dazu ſie uns verleiten, die dem Geſetz der Natur zuwieder ſind, ausbrechen, d. i. daß wir ſie zaͤhmen (§. 109.); und wenn es ſich zutraͤgt, daß ſie uns bey den Hand- lungen hindern, und wenn wir die Regie- rung derſelben noch nicht in unſerer Gewalt haben, wir ſie unterdruͤcken, indem ſie ploͤtzlich entſtehen, das iſt, ſie ſtillen. Daher erhellet, daß man Fertigkeiten er- halten muͤße, in vorkommendem Falle den Willen und das Nichtwollen dem Geſetze der Natur gemaͤß zu be- ſtimmen. der Ge- muͤths- bewegun- gen. §. 111. Es iſt auch klar, daß der Menſch ver- bunden ſey, die Wiſſenſchaft von den- jenigen Dingen zu erhalten, was, ſo wohl das wahre Gute und Uebel von dem, ſo den bloſſen Schein hat, zu un- terſcheiden (§. 109.), als auch recht zu handeln, zu wiſſen noͤthig iſt (§. 52. 53.). §. 112. Unſer Leib beſtehet 1) aus Gliedern, die zum Leben gehoͤren (organis vitalibus), welche beſtimmt ſind, das Leben zu erhalten und ſein Geſchlecht fortzupflantzen; 2) aus Glie- dern der Sinnen (organis ſenſoriis), wel- che zu den Empfindungen und der davon ab- haͤngen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/106
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/106>, abgerufen am 21.11.2024.