genwärtigen Mißvergnügen, das aber nicht schädlich ist, geschätzet wird. Wir müssen uns also bemühen, daß unser Vermö- gen zu begehren niemahls auf etwas anders, als ein wahres Gut, und un- ser Vermögen zu verabscheuen auf nichts, als ein wahres Uebel gerichtet wird; folglich müssen wir uns befleißi- gen, das wahre Gute und das wahre Uebel, von dem Scheinguten und von dem Scheinübel beständig zu unter- scheiden. Weil der Gebrauch aller Kräfte übereinstimmen muß (§. 106.); so müßen wir uns vornähmlich Mühe geben, daß wir die sinnlichen Begierden zur Ueber- einstimmung mit dem Willen, und die sinnlichen Verabscheuungen zur Uebereinstimmung mit dem Nichtwol- len bringen; folglich, weil der Wille und das Nichtwollen von dem Verstande, die sinliche Begierde und der Abscheu von den Sinnen und der Einbildungskraft herrühren; so müssen wir den Verstand bey den Vorstellungen des Guten und Bösen zur Uebereinstimmung mit den Sinnen und der Einbildungskrafft bringen.
§. 110.
Zur sinnlichen Begierde und dem AbscheueVon der Regie- rung, Zäh- mung u. Stillung werden die Gemüthsbewegungen ge- rechnet, welche in heftigen Begierden und Verabscheuungen bestehen. Daraus schlies- sen wir ferner, daß wir uns bemühen
müs-
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des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
genwaͤrtigen Mißvergnuͤgen, das aber nicht ſchaͤdlich iſt, geſchaͤtzet wird. Wir muͤſſen uns alſo bemuͤhen, daß unſer Vermoͤ- gen zu begehren niemahls auf etwas anders, als ein wahres Gut, und un- ſer Vermoͤgen zu verabſcheuen auf nichts, als ein wahres Uebel gerichtet wird; folglich muͤſſen wir uns befleißi- gen, das wahre Gute und das wahre Uebel, von dem Scheinguten und von dem Scheinuͤbel beſtaͤndig zu unter- ſcheiden. Weil der Gebrauch aller Kraͤfte uͤbereinſtimmen muß (§. 106.); ſo muͤßen wir uns vornaͤhmlich Muͤhe geben, daß wir die ſinnlichen Begierden zur Ueber- einſtimmung mit dem Willen, und die ſinnlichen Verabſcheuungen zur Uebereinſtimmung mit dem Nichtwol- len bringen; folglich, weil der Wille und das Nichtwollen von dem Verſtande, die ſinliche Begierde und der Abſcheu von den Sinnen und der Einbildungskraft herruͤhren; ſo muͤſſen wir den Verſtand bey den Vorſtellungen des Guten und Boͤſen zur Uebereinſtimmung mit den Sinnen und der Einbildungskrafft bringen.
§. 110.
Zur ſinnlichen Begierde und dem AbſcheueVon der Regie- rung, Zaͤh- mung u. Stillung werden die Gemuͤthsbewegungen ge- rechnet, welche in heftigen Begierden und Verabſcheuungen beſtehen. Daraus ſchlieſ- ſen wir ferner, daß wir uns bemuͤhen
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des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
genwaͤrtigen Mißvergnuͤgen, das aber nicht
ſchaͤdlich iſt, geſchaͤtzet wird. Wir muͤſſen
uns alſo bemuͤhen, daß unſer Vermoͤ-
gen zu begehren niemahls auf etwas
anders, als ein wahres Gut, und un-
ſer Vermoͤgen zu verabſcheuen auf
nichts, als ein wahres Uebel gerichtet
wird; folglich muͤſſen wir uns befleißi-
gen, das wahre Gute und das wahre
Uebel, von dem Scheinguten und von
dem Scheinuͤbel beſtaͤndig zu unter-
ſcheiden. Weil der Gebrauch aller Kraͤfte
uͤbereinſtimmen muß (§. 106.); ſo muͤßen
wir uns vornaͤhmlich Muͤhe geben, daß
wir die ſinnlichen Begierden zur Ueber-
einſtimmung mit dem Willen, und
die ſinnlichen Verabſcheuungen zur
Uebereinſtimmung mit dem Nichtwol-
len bringen; folglich, weil der Wille und
das Nichtwollen von dem Verſtande, die
ſinliche Begierde und der Abſcheu von den
Sinnen und der Einbildungskraft herruͤhren;
ſo muͤſſen wir den Verſtand bey den
Vorſtellungen des Guten und Boͤſen
zur Uebereinſtimmung mit den Sinnen
und der Einbildungskrafft bringen.
§. 110.
Zur ſinnlichen Begierde und dem Abſcheue
werden die Gemuͤthsbewegungen ge-
rechnet, welche in heftigen Begierden und
Verabſcheuungen beſtehen. Daraus ſchlieſ-
ſen wir ferner, daß wir uns bemuͤhen
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/105>, abgerufen am 21.12.2024.
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