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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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I. Th. 4. H. Von den Pflichten
stimmte Urtheile zu fällen, und recht
zu schliessen.
Weil aber dieses nicht ge-
schehen kann, wenn wir nicht im Stande sind,
die Aufmercksamkeit zu erhalten, d. i.
zu machen, daß wir uns derjenigen Sache,
von welcher wir gedencken, mehr bewust sind,
als anderer Dinge, die uns beyfallen, oder
beyfallen können; und über dieselben nach-
zudencken,
d. i. unsere Aufmercksamkeit
von einem zum andern besonders zu wenden,
was in derselben befindlich ist; so müssen
wir auch sorgfältig bemüher seyn, daß
wir einen so starcken Grad der Auf-
mercksamkeit, als uns möglich ist, nebst
der Fertigkeit nachzudencken erhalten.

§. 109.
Daß
man das
Vermö-
gen zu
begehren
und zu
verab-
scheuen
vollkom-
men ma-
chen
müße.

Des Menschen Vermögen zu begehren ist
überhaupt bestimmt, das Gute zu begehren; und
das Vermögen zu verabscheuen das Böse zu ver-
abscheuen. Die Vollkommenheit des Ver-
mögens zu begehren
besteht in der Möglich-
keit, nicht anders als durch ein wahres Gut, des
Vermögens zu verabscheuen aber in der
Möglichkeit, nicht anders als durch ein wah-
res Uebel bestimmet zu werden. Jm Gegen-
theil bestehet die Unvollkommenheit von
jenem
in der Möglichkeit, durch ein Schein-
gut, welches man nach einem gegenwärtigen
Vergnügen, das aber schädlich ist, schätzet, und
die Unvollkommenheit von diesem in
der Möglichkeit, durch ein Scheinübel be-
stimmt zu werden, welches nach einem ge-

genwär-

I. Th. 4. H. Von den Pflichten
ſtimmte Urtheile zu faͤllen, und recht
zu ſchlieſſen.
Weil aber dieſes nicht ge-
ſchehen kann, wenn wir nicht im Stande ſind,
die Aufmerckſamkeit zu erhalten, d. i.
zu machen, daß wir uns derjenigen Sache,
von welcher wir gedencken, mehr bewuſt ſind,
als anderer Dinge, die uns beyfallen, oder
beyfallen koͤnnen; und uͤber dieſelben nach-
zudencken,
d. i. unſere Aufmerckſamkeit
von einem zum andern beſonders zu wenden,
was in derſelben befindlich iſt; ſo muͤſſen
wir auch ſorgfaͤltig bemuͤher ſeyn, daß
wir einen ſo ſtarcken Grad der Auf-
merckſamkeit, als uns moͤglich iſt, nebſt
der Fertigkeit nachzudencken erhalten.

§. 109.
Daß
man das
Vermoͤ-
gen zu
begehren
und zu
verab-
ſcheuen
vollkom-
men ma-
chen
muͤße.

Des Menſchen Vermoͤgen zu begehren iſt
uͤberhaupt beſtimmt, das Gute zu begehren; und
das Vermoͤgen zu verabſcheuen das Boͤſe zu ver-
abſcheuen. Die Vollkommenheit des Ver-
moͤgens zu begehren
beſteht in der Moͤglich-
keit, nicht anders als durch ein wahres Gut, des
Vermoͤgens zu verabſcheuen aber in der
Moͤglichkeit, nicht anders als durch ein wah-
res Uebel beſtimmet zu werden. Jm Gegen-
theil beſtehet die Unvollkommenheit von
jenem
in der Moͤglichkeit, durch ein Schein-
gut, welches man nach einem gegenwaͤrtigen
Vergnuͤgen, das aber ſchaͤdlich iſt, ſchaͤtzet, und
die Unvollkommenheit von dieſem in
der Moͤglichkeit, durch ein Scheinuͤbel be-
ſtimmt zu werden, welches nach einem ge-

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[68/0104] I. Th. 4. H. Von den Pflichten ſtimmte Urtheile zu faͤllen, und recht zu ſchlieſſen. Weil aber dieſes nicht ge- ſchehen kann, wenn wir nicht im Stande ſind, die Aufmerckſamkeit zu erhalten, d. i. zu machen, daß wir uns derjenigen Sache, von welcher wir gedencken, mehr bewuſt ſind, als anderer Dinge, die uns beyfallen, oder beyfallen koͤnnen; und uͤber dieſelben nach- zudencken, d. i. unſere Aufmerckſamkeit von einem zum andern beſonders zu wenden, was in derſelben befindlich iſt; ſo muͤſſen wir auch ſorgfaͤltig bemuͤher ſeyn, daß wir einen ſo ſtarcken Grad der Auf- merckſamkeit, als uns moͤglich iſt, nebſt der Fertigkeit nachzudencken erhalten. §. 109. Des Menſchen Vermoͤgen zu begehren iſt uͤberhaupt beſtimmt, das Gute zu begehren; und das Vermoͤgen zu verabſcheuen das Boͤſe zu ver- abſcheuen. Die Vollkommenheit des Ver- moͤgens zu begehren beſteht in der Moͤglich- keit, nicht anders als durch ein wahres Gut, des Vermoͤgens zu verabſcheuen aber in der Moͤglichkeit, nicht anders als durch ein wah- res Uebel beſtimmet zu werden. Jm Gegen- theil beſtehet die Unvollkommenheit von jenem in der Moͤglichkeit, durch ein Schein- gut, welches man nach einem gegenwaͤrtigen Vergnuͤgen, das aber ſchaͤdlich iſt, ſchaͤtzet, und die Unvollkommenheit von dieſem in der Moͤglichkeit, durch ein Scheinuͤbel be- ſtimmt zu werden, welches nach einem ge- genwaͤr-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/104>, abgerufen am 30.12.2024.