Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

3. Kap. Von der Entstehungsart
aufhörende Wachsthum aber wiederum für eine
Folge von diesem gehalten. Jch habe das Hart-
werden als eine Eigenschaft der Pflanzenmaterie
angesehen, und sie für eine Würkung von dem
Ausdünsten gehalten, allein ich denke jetzo anders
von dieser Sache. Das Ausdünsten hat keinen
Einfluß hierin. Es mag sich aber verhalten wie
es will; so ist wenigstens die Observation richtig,
und wir können sie als ein Gesetz ansehen.

§. 41.
Die Sub-
stanz der
Pflanzen wird
zu zeitig hart,
und zur Nu-
trition un-
tüchtig.

Die zwote Observation ist diese:
Bey den Pflanzen gehen diese drey
Veränderungen viel schleuniger vor
sich, als bey den Thieren. Jn Zeit
von einem Jahre werden alle Theile
einer Pflanze holzartig, und die wei-
che Theile, die man an einem Baume
sieht, sind Produkte desselben Jahres. Ein Blatt
wird in etlichen Wochen, oder in einem Mona-
the, zur Vollkommenheit gebracht, und alsdann
sind nicht nur schon Holzfasern darin, sondern es
wächset auch gar nicht weiter; es bleibt wie es ist,
und es dringen also nicht mehrere Nahrungssäfte
hinein, als erfordert werden, dasjenige zu ersetzen,
was durch die Ausdünstung weggeht. Bey den
Menschen wird hierzu eine Zeit von 30 Jahren
erfordert, und ein Fetus ist zu der Zeit, wenn
ein Blatt schon sein vollkommnes Wachsthum er-
reicht hat, noch eine Gallerte, so wie er bey sei-
nem ersten Ursprunge gewesen ist. Wenn ein

Blatt

3. Kap. Von der Entſtehungsart
aufhoͤrende Wachsthum aber wiederum fuͤr eine
Folge von dieſem gehalten. Jch habe das Hart-
werden als eine Eigenſchaft der Pflanzenmaterie
angeſehen, und ſie fuͤr eine Wuͤrkung von dem
Ausduͤnſten gehalten, allein ich denke jetzo anders
von dieſer Sache. Das Ausduͤnſten hat keinen
Einfluß hierin. Es mag ſich aber verhalten wie
es will; ſo iſt wenigſtens die Obſervation richtig,
und wir koͤnnen ſie als ein Geſetz anſehen.

§. 41.
Die Sub-
ſtanz der
Pflanzen wird
zu zeitig hart,
und zur Nu-
trition un-
tüchtig.

Die zwote Obſervation iſt dieſe:
Bey den Pflanzen gehen dieſe drey
Veraͤnderungen viel ſchleuniger vor
ſich, als bey den Thieren. Jn Zeit
von einem Jahre werden alle Theile
einer Pflanze holzartig, und die wei-
che Theile, die man an einem Baume
ſieht, ſind Produkte deſſelben Jahres. Ein Blatt
wird in etlichen Wochen, oder in einem Mona-
the, zur Vollkommenheit gebracht, und alsdann
ſind nicht nur ſchon Holzfaſern darin, ſondern es
waͤchſet auch gar nicht weiter; es bleibt wie es iſt,
und es dringen alſo nicht mehrere Nahrungsſaͤfte
hinein, als erfordert werden, dasjenige zu erſetzen,
was durch die Ausduͤnſtung weggeht. Bey den
Menſchen wird hierzu eine Zeit von 30 Jahren
erfordert, und ein Fetus iſt zu der Zeit, wenn
ein Blatt ſchon ſein vollkommnes Wachsthum er-
reicht hat, noch eine Gallerte, ſo wie er bey ſei-
nem erſten Urſprunge geweſen iſt. Wenn ein

Blatt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0200" n="178"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">3. Kap. Von der Ent&#x017F;tehungsart</hi></fw><lb/>
aufho&#x0364;rende Wachsthum aber wiederum fu&#x0364;r eine<lb/>
Folge von die&#x017F;em gehalten. Jch habe das Hart-<lb/>
werden als eine Eigen&#x017F;chaft der Pflanzenmaterie<lb/>
ange&#x017F;ehen, und &#x017F;ie fu&#x0364;r eine Wu&#x0364;rkung von dem<lb/>
Ausdu&#x0364;n&#x017F;ten gehalten, allein ich denke jetzo anders<lb/>
von die&#x017F;er Sache. Das Ausdu&#x0364;n&#x017F;ten hat keinen<lb/>
Einfluß hierin. Es mag &#x017F;ich aber verhalten wie<lb/>
es will; &#x017F;o i&#x017F;t wenig&#x017F;tens die Ob&#x017F;ervation richtig,<lb/>
und wir ko&#x0364;nnen &#x017F;ie als ein Ge&#x017F;etz an&#x017F;ehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 41.</head><lb/>
            <note place="left">Die Sub-<lb/>
&#x017F;tanz der<lb/>
Pflanzen wird<lb/>
zu zeitig hart,<lb/>
und zur Nu-<lb/>
trition un-<lb/>
tüchtig.</note>
            <p>Die zwote Ob&#x017F;ervation i&#x017F;t die&#x017F;e:<lb/>
Bey den Pflanzen gehen die&#x017F;e drey<lb/>
Vera&#x0364;nderungen viel &#x017F;chleuniger vor<lb/>
&#x017F;ich, als bey den Thieren. Jn Zeit<lb/>
von einem Jahre werden alle Theile<lb/>
einer Pflanze holzartig, und die wei-<lb/>
che Theile, die man an einem Baume<lb/>
&#x017F;ieht, &#x017F;ind Produkte de&#x017F;&#x017F;elben Jahres. Ein Blatt<lb/>
wird in etlichen Wochen, oder in einem Mona-<lb/>
the, zur Vollkommenheit gebracht, und alsdann<lb/>
&#x017F;ind nicht nur &#x017F;chon Holzfa&#x017F;ern darin, &#x017F;ondern es<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;et auch gar nicht weiter; es bleibt wie es i&#x017F;t,<lb/>
und es dringen al&#x017F;o nicht mehrere Nahrungs&#x017F;a&#x0364;fte<lb/>
hinein, als erfordert werden, dasjenige zu er&#x017F;etzen,<lb/>
was durch die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung weggeht. Bey den<lb/>
Men&#x017F;chen wird hierzu eine Zeit von 30 Jahren<lb/>
erfordert, und ein Fetus i&#x017F;t zu der Zeit, wenn<lb/>
ein Blatt &#x017F;chon &#x017F;ein vollkommnes Wachsthum er-<lb/>
reicht hat, noch eine Gallerte, &#x017F;o wie er bey &#x017F;ei-<lb/>
nem er&#x017F;ten Ur&#x017F;prunge gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Wenn ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Blatt</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0200] 3. Kap. Von der Entſtehungsart aufhoͤrende Wachsthum aber wiederum fuͤr eine Folge von dieſem gehalten. Jch habe das Hart- werden als eine Eigenſchaft der Pflanzenmaterie angeſehen, und ſie fuͤr eine Wuͤrkung von dem Ausduͤnſten gehalten, allein ich denke jetzo anders von dieſer Sache. Das Ausduͤnſten hat keinen Einfluß hierin. Es mag ſich aber verhalten wie es will; ſo iſt wenigſtens die Obſervation richtig, und wir koͤnnen ſie als ein Geſetz anſehen. §. 41. Die zwote Obſervation iſt dieſe: Bey den Pflanzen gehen dieſe drey Veraͤnderungen viel ſchleuniger vor ſich, als bey den Thieren. Jn Zeit von einem Jahre werden alle Theile einer Pflanze holzartig, und die wei- che Theile, die man an einem Baume ſieht, ſind Produkte deſſelben Jahres. Ein Blatt wird in etlichen Wochen, oder in einem Mona- the, zur Vollkommenheit gebracht, und alsdann ſind nicht nur ſchon Holzfaſern darin, ſondern es waͤchſet auch gar nicht weiter; es bleibt wie es iſt, und es dringen alſo nicht mehrere Nahrungsſaͤfte hinein, als erfordert werden, dasjenige zu erſetzen, was durch die Ausduͤnſtung weggeht. Bey den Menſchen wird hierzu eine Zeit von 30 Jahren erfordert, und ein Fetus iſt zu der Zeit, wenn ein Blatt ſchon ſein vollkommnes Wachsthum er- reicht hat, noch eine Gallerte, ſo wie er bey ſei- nem erſten Urſprunge geweſen iſt. Wenn ein Blatt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/200
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/200>, abgerufen am 21.11.2024.