Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 4. Halle (Saale), 1710.der Algebra. halten wir in den Mond-Finsternissen die Erde füreine vollkommene Kugel und also die Höhen der Berge in Ansehung des Diameters der Erde für un- endlich kleine oder für nichts; weil der Schatten der Erde sich auf dem Monden nicht anders präsentiren würde/ wenn die Berge nicht da wären und die Erde die völlige Gestalt einer Kugel hätte. Da nun auch in der Geometrie/ da man die Grössen in abstracto betrachtet/ man grossen Vortheil davon hat/ wenn man sie in unendlich kleine Theile in Gedancken re- solviret/ das ist/ in so kleine/ die in Ansehung ihrer für nichts zu halten sind/ in dem man daraus die end- lichen Grössen öfters determiniren und ihre verbor- gene Eigenschaften auf die allerleichteste Manier fin- den kan: wer wil es den Geometris verdencken/ daß sie dergleichen vornehmea? Die 2. Anmerckung. 387. Jhr wisset aus der gemeinen Geomentrie/ daß Die 3. Erklährung. 388. Wenn die unendlich kleinen Die 4. Erklährung. 389. Differentiiren heisset die Dif- feren- Q 2
der Algebra. halten wir in den Mond-Finſterniſſen die Erde fuͤreine vollkommene Kugel und alſo die Hoͤhen der Berge in Anſehung des Diameters der Erde fuͤr un- endlich kleine oder fuͤr nichts; weil der Schatten der Erde ſich auf dem Monden nicht anders praͤſentiren wuͤrde/ wenn die Berge nicht da waͤren und die Erde die voͤllige Geſtalt einer Kugel haͤtte. Da nun auch in der Geometrie/ da man die Groͤſſen in abſtracto betrachtet/ man groſſen Vortheil davon hat/ wenn man ſie in unendlich kleine Theile in Gedancken re- ſolviret/ das iſt/ in ſo kleine/ die in Anſehung ihrer fuͤr nichts zu halten ſind/ in dem man daraus die end- lichen Groͤſſen oͤfters determiniren und ihre verbor- gene Eigenſchaften auf die allerleichteſte Manier fin- den kan: wer wil es den Geometris verdencken/ daß ſie dergleichen vornehmea? Die 2. Anmerckung. 387. Jhr wiſſet aus der gemeinen Geomẽtrie/ daß Die 3. Erklaͤhrung. 388. Wenn die unendlich kleinen Die 4. Erklaͤhrung. 389. Differentiiren heiſſet die Dif- feren- Q 2
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der Algebra.
halten wir in den Mond-Finſterniſſen die Erde fuͤr
eine vollkommene Kugel und alſo die Hoͤhen der
Berge in Anſehung des Diameters der Erde fuͤr un-
endlich kleine oder fuͤr nichts; weil der Schatten der
Erde ſich auf dem Monden nicht anders praͤſentiren
wuͤrde/ wenn die Berge nicht da waͤren und die Erde
die voͤllige Geſtalt einer Kugel haͤtte. Da nun auch
in der Geometrie/ da man die Groͤſſen in abſtracto
betrachtet/ man groſſen Vortheil davon hat/ wenn
man ſie in unendlich kleine Theile in Gedancken re-
ſolviret/ das iſt/ in ſo kleine/ die in Anſehung ihrer
fuͤr nichts zu halten ſind/ in dem man daraus die end-
lichen Groͤſſen oͤfters determiniren und ihre verbor-
gene Eigenſchaften auf die allerleichteſte Manier fin-
den kan: wer wil es den Geometris verdencken/ daß
ſie dergleichen vornehmea?
Die 2. Anmerckung.
387. Jhr wiſſet aus der gemeinen Geomẽtrie/ daß
eine Linie beſchrieben wird/ wenn ein Punct ſich durch
einen gewiſſen Raum beweget; eine Flaͤche/ wenn
eine Linie; ein Coͤrper/ wenn eine Flaͤche ſich bewe-
get. Alſo erwachſen die die Groͤſſen/ in dem unend-
lich viel unendlich kleine Theile nach einander anwach-
ſen. Und in dieſer Abſicht nennet ſie Nevton Flu-
xionen oder Fluxiones.
Die 3. Erklaͤhrung.
388. Wenn die unendlich kleinen
Groͤſſen als der Unterſcheid zweyer
endlichen angeſehen werden/ nennet
man ſie Differential-Groͤſſen.
Die 4. Erklaͤhrung.
389. Differentiiren heiſſet die Dif-
feren-
Q 2
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 4. Halle (Saale), 1710. , S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende04_1710/245>, abgerufen am 22.02.2025. |