Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

H. in Argos. der dodekathlos.
gestalt herabgestiegen ist und ihr als gewähr für seine gnade einen goldnen
becher geschenkt hat, ist allerdings auch noch als peloponnesische tradition
nachweisbar 56).

Auf Argos weist also selbst diese alte verschollene HeraklesdichtungH. in Argos.
Boeotiens zurück. die argolischen Erakleous gonai können wir nicht
mehr erkennen, dürfen aber vielleicht annehmen, dass sie in dem gedichte
nicht behandelt waren, das es zu erwecken gilt. denn es ist unmög-
lich, hier die sage von dem werke eines dichters zu sondern, welcher
sie planvoll und tiefsinnig in festen rahmen gespannt hat. in 10 kämpfen
hat er die dienstbarkeit des Herakles zur anschauung gebracht, deren
inhalt ist exemerosai gaian. und mit den beiden aus der ursage stam-
menden, höllenfahrt und himmelfahrt, hat er den kreis vollgemacht, der
dann für alle jahrhunderte gegolten hat, nach dem wir sein werk die
altargolische dichtung des dodekathlos nennen wollen. ihr inhalt lässt
sich ganz wol angeben, wenn der erzähler die entsagung übt das detail
abzustreifen, und der hörer den guten willen mitbringt sich nicht an das
detail zu klammern.

Nakt und bloss 57), wie der mensch aus dem mutterleibe in dieseDer dode-
kathlos.

welt tritt, zieht der Zeussohn Herakles, geknechtet von dem schlechteren
manne, von Mykene zu dem ersten strauss, den er bestehen soll. einen
ast bricht er sich im walde, das ist seine wehr. und auch sie versagt
gegenüber dem ungeheuer, das es zu bezwingen gilt, dem löwen von

56) Das erstere folgt daraus, dass Zeus in des gatten gestalt mit Kassiopeia
den Atymnios zeugt, also eine rhodische sage, Clem. Rom. hom. 5, 13, Robert Bild
und Lied 116. das zweite daraus, dass der besuch des Zeus bei Alkmene nicht nur
auf der altspartanischen basis dargestellt ist (Löschcke de basi Spartana Dorpat 1879,
diese darstellung war von den Spartanern aus dem allgemeinen peloponnesischen
typenschatze entlehnt, da dieselbe darstellung auch auf der korinthischen Kypsele
stand), sondern dass der becher des Zeus in Sparta gezeigt wurde: man wird sich
nun wol hüten, die überlieferung bei Athenaeus 475c anzutasten, der dies aus Charon
von Lampsakos erhalten hat. seltsamer weise hat der Thebaner Pindar (Isthm. 7, 5)
einen zug erhalten, der geradezu für rhodisch ausgegeben werden muss: Zeus lässt,
als er zu Alkmene in Amphitryons haus kommt, um mitternacht gold regnen. so
geschah es auf Rhodos bei Athenas geburt, und so ist Perseus, der Argeier, erzeugt.
das war also in jenes thebanische gedicht aufgenommen: der hagelschlag der euri-
pideischen Alkmene ist das widerspiel dieses goldenen regens.
57) Dies ist vielleicht ein zug, den erst spätere, immerhin aber sehr alte, con-
sequenz eingeführt hat. denn die kunst bewehrt Her. in beiden ersten kämpfen
auch mit dem schwerte. doch kann sie ebenso gut dem heros die gewöhnliche wehr
der helden gegeben haben, obwol die alte sage bedeutsam von den künstlichen
waffen absah.

H. in Argos. der dodekathlos.
gestalt herabgestiegen ist und ihr als gewähr für seine gnade einen goldnen
becher geschenkt hat, ist allerdings auch noch als peloponnesische tradition
nachweisbar 56).

Auf Argos weist also selbst diese alte verschollene HeraklesdichtungH. in Argos.
Boeotiens zurück. die argolischen Ἡρακλέους γοναί können wir nicht
mehr erkennen, dürfen aber vielleicht annehmen, daſs sie in dem gedichte
nicht behandelt waren, das es zu erwecken gilt. denn es ist unmög-
lich, hier die sage von dem werke eines dichters zu sondern, welcher
sie planvoll und tiefsinnig in festen rahmen gespannt hat. in 10 kämpfen
hat er die dienstbarkeit des Herakles zur anschauung gebracht, deren
inhalt ist ἐξημερῶσαι γαῖαν. und mit den beiden aus der ursage stam-
menden, höllenfahrt und himmelfahrt, hat er den kreis vollgemacht, der
dann für alle jahrhunderte gegolten hat, nach dem wir sein werk die
altargolische dichtung des dodekathlos nennen wollen. ihr inhalt läſst
sich ganz wol angeben, wenn der erzähler die entsagung übt das detail
abzustreifen, und der hörer den guten willen mitbringt sich nicht an das
detail zu klammern.

Nakt und bloſs 57), wie der mensch aus dem mutterleibe in dieseDer dode-
kathlos.

welt tritt, zieht der Zeussohn Herakles, geknechtet von dem schlechteren
manne, von Mykene zu dem ersten strauſs, den er bestehen soll. einen
ast bricht er sich im walde, das ist seine wehr. und auch sie versagt
gegenüber dem ungeheuer, das es zu bezwingen gilt, dem löwen von

56) Das erstere folgt daraus, daſs Zeus in des gatten gestalt mit Kassiopeia
den Atymnios zeugt, also eine rhodische sage, Clem. Rom. hom. 5, 13, Robert Bild
und Lied 116. das zweite daraus, daſs der besuch des Zeus bei Alkmene nicht nur
auf der altspartanischen basis dargestellt ist (Löschcke de basi Spartana Dorpat 1879,
diese darstellung war von den Spartanern aus dem allgemeinen peloponnesischen
typenschatze entlehnt, da dieselbe darstellung auch auf der korinthischen Kypsele
stand), sondern daſs der becher des Zeus in Sparta gezeigt wurde: man wird sich
nun wol hüten, die überlieferung bei Athenaeus 475c anzutasten, der dies aus Charon
von Lampsakos erhalten hat. seltsamer weise hat der Thebaner Pindar (Isthm. 7, 5)
einen zug erhalten, der geradezu für rhodisch ausgegeben werden muſs: Zeus läſst,
als er zu Alkmene in Amphitryons haus kommt, um mitternacht gold regnen. so
geschah es auf Rhodos bei Athenas geburt, und so ist Perseus, der Argeier, erzeugt.
das war also in jenes thebanische gedicht aufgenommen: der hagelschlag der euri-
pideischen Alkmene ist das widerspiel dieses goldenen regens.
57) Dies ist vielleicht ein zug, den erst spätere, immerhin aber sehr alte, con-
sequenz eingeführt hat. denn die kunst bewehrt Her. in beiden ersten kämpfen
auch mit dem schwerte. doch kann sie ebenso gut dem heros die gewöhnliche wehr
der helden gegeben haben, obwol die alte sage bedeutsam von den künstlichen
waffen absah.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0319" n="299"/><fw place="top" type="header">H. in Argos. der dodekathlos.</fw><lb/>
gestalt herabgestiegen ist und ihr als gewähr für seine gnade einen goldnen<lb/>
becher geschenkt hat, ist allerdings auch noch als peloponnesische tradition<lb/>
nachweisbar <note place="foot" n="56)">Das erstere folgt daraus, da&#x017F;s Zeus in des gatten gestalt mit Kassiopeia<lb/>
den Atymnios zeugt, also eine rhodische sage, Clem. Rom. hom. 5, 13, Robert Bild<lb/>
und Lied 116. das zweite daraus, da&#x017F;s der besuch des Zeus bei Alkmene nicht nur<lb/>
auf der altspartanischen basis dargestellt ist (Löschcke <hi rendition="#i">de basi Spartana</hi> Dorpat 1879,<lb/>
diese darstellung war von den Spartanern aus dem allgemeinen peloponnesischen<lb/>
typenschatze entlehnt, da dieselbe darstellung auch auf der korinthischen Kypsele<lb/>
stand), sondern da&#x017F;s der becher des Zeus in Sparta gezeigt wurde: man wird sich<lb/>
nun wol hüten, die überlieferung bei Athenaeus 475<hi rendition="#sup">c</hi> anzutasten, der dies aus Charon<lb/>
von Lampsakos erhalten hat. seltsamer weise hat der Thebaner Pindar (Isthm. 7, 5)<lb/>
einen zug erhalten, der geradezu für rhodisch ausgegeben werden mu&#x017F;s: Zeus lä&#x017F;st,<lb/>
als er zu Alkmene in Amphitryons haus kommt, um mitternacht gold regnen. so<lb/>
geschah es auf Rhodos bei Athenas geburt, und so ist Perseus, der Argeier, erzeugt.<lb/>
das war also in jenes thebanische gedicht aufgenommen: der hagelschlag der euri-<lb/>
pideischen Alkmene ist das widerspiel dieses goldenen regens.</note>.</p><lb/>
        <p>Auf Argos weist also selbst diese alte verschollene Heraklesdichtung<note place="right">H. in Argos.</note><lb/>
Boeotiens zurück. die argolischen &#x1F29;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BA;&#x03BB;&#x03AD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03B3;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B1;&#x03AF; können wir nicht<lb/>
mehr erkennen, dürfen aber vielleicht annehmen, da&#x017F;s sie in dem gedichte<lb/>
nicht behandelt waren, das es zu erwecken gilt. denn es ist unmög-<lb/>
lich, hier die sage von dem werke eines dichters zu sondern, welcher<lb/>
sie planvoll und tiefsinnig in festen rahmen gespannt hat. in 10 kämpfen<lb/>
hat er die dienstbarkeit des Herakles zur anschauung gebracht, deren<lb/>
inhalt ist &#x1F10;&#x03BE;&#x03B7;&#x03BC;&#x03B5;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03C3;&#x03B1;&#x03B9; &#x03B3;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03B1;&#x03BD;. und mit den beiden aus der ursage stam-<lb/>
menden, höllenfahrt und himmelfahrt, hat er den kreis vollgemacht, der<lb/>
dann für alle jahrhunderte gegolten hat, nach dem wir sein werk die<lb/>
altargolische dichtung des dodekathlos nennen wollen. ihr inhalt lä&#x017F;st<lb/>
sich ganz wol angeben, wenn der erzähler die entsagung übt das detail<lb/>
abzustreifen, und der hörer den guten willen mitbringt sich nicht an das<lb/>
detail zu klammern.</p><lb/>
        <p>Nakt und blo&#x017F;s <note place="foot" n="57)">Dies ist vielleicht ein zug, den erst spätere, immerhin aber sehr alte, con-<lb/>
sequenz eingeführt hat. denn die kunst bewehrt Her. in beiden ersten kämpfen<lb/>
auch mit dem schwerte. doch kann sie ebenso gut dem heros die gewöhnliche wehr<lb/>
der helden gegeben haben, obwol die alte sage bedeutsam von den künstlichen<lb/>
waffen absah.</note>, wie der mensch aus dem mutterleibe in diese<note place="right">Der dode-<lb/>
kathlos.</note><lb/>
welt tritt, zieht der Zeussohn Herakles, geknechtet von dem schlechteren<lb/>
manne, von Mykene zu dem ersten strau&#x017F;s, den er bestehen soll. einen<lb/>
ast bricht er sich im walde, das ist seine wehr. und auch sie versagt<lb/>
gegenüber dem ungeheuer, das es zu bezwingen gilt, dem löwen von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0319] H. in Argos. der dodekathlos. gestalt herabgestiegen ist und ihr als gewähr für seine gnade einen goldnen becher geschenkt hat, ist allerdings auch noch als peloponnesische tradition nachweisbar 56). Auf Argos weist also selbst diese alte verschollene Heraklesdichtung Boeotiens zurück. die argolischen Ἡρακλέους γοναί können wir nicht mehr erkennen, dürfen aber vielleicht annehmen, daſs sie in dem gedichte nicht behandelt waren, das es zu erwecken gilt. denn es ist unmög- lich, hier die sage von dem werke eines dichters zu sondern, welcher sie planvoll und tiefsinnig in festen rahmen gespannt hat. in 10 kämpfen hat er die dienstbarkeit des Herakles zur anschauung gebracht, deren inhalt ist ἐξημερῶσαι γαῖαν. und mit den beiden aus der ursage stam- menden, höllenfahrt und himmelfahrt, hat er den kreis vollgemacht, der dann für alle jahrhunderte gegolten hat, nach dem wir sein werk die altargolische dichtung des dodekathlos nennen wollen. ihr inhalt läſst sich ganz wol angeben, wenn der erzähler die entsagung übt das detail abzustreifen, und der hörer den guten willen mitbringt sich nicht an das detail zu klammern. H. in Argos. Nakt und bloſs 57), wie der mensch aus dem mutterleibe in diese welt tritt, zieht der Zeussohn Herakles, geknechtet von dem schlechteren manne, von Mykene zu dem ersten strauſs, den er bestehen soll. einen ast bricht er sich im walde, das ist seine wehr. und auch sie versagt gegenüber dem ungeheuer, das es zu bezwingen gilt, dem löwen von Der dode- kathlos. 56) Das erstere folgt daraus, daſs Zeus in des gatten gestalt mit Kassiopeia den Atymnios zeugt, also eine rhodische sage, Clem. Rom. hom. 5, 13, Robert Bild und Lied 116. das zweite daraus, daſs der besuch des Zeus bei Alkmene nicht nur auf der altspartanischen basis dargestellt ist (Löschcke de basi Spartana Dorpat 1879, diese darstellung war von den Spartanern aus dem allgemeinen peloponnesischen typenschatze entlehnt, da dieselbe darstellung auch auf der korinthischen Kypsele stand), sondern daſs der becher des Zeus in Sparta gezeigt wurde: man wird sich nun wol hüten, die überlieferung bei Athenaeus 475c anzutasten, der dies aus Charon von Lampsakos erhalten hat. seltsamer weise hat der Thebaner Pindar (Isthm. 7, 5) einen zug erhalten, der geradezu für rhodisch ausgegeben werden muſs: Zeus läſst, als er zu Alkmene in Amphitryons haus kommt, um mitternacht gold regnen. so geschah es auf Rhodos bei Athenas geburt, und so ist Perseus, der Argeier, erzeugt. das war also in jenes thebanische gedicht aufgenommen: der hagelschlag der euri- pideischen Alkmene ist das widerspiel dieses goldenen regens. 57) Dies ist vielleicht ein zug, den erst spätere, immerhin aber sehr alte, con- sequenz eingeführt hat. denn die kunst bewehrt Her. in beiden ersten kämpfen auch mit dem schwerte. doch kann sie ebenso gut dem heros die gewöhnliche wehr der helden gegeben haben, obwol die alte sage bedeutsam von den künstlichen waffen absah.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/319
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/319>, abgerufen am 26.04.2024.