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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
sind selbst eigentlich nichts als orgeonen. also stellt sich die adelsordnung
bereits als eine künstliche organisation dar, vergleichbar der späteren
gemeindeordnung. die phylen sind freilich sicherlich nicht local ge-
wesen, so wenig die 4 wie die 10. aber die phylendrittel, die trittus
oder phratriai werden es freilich nicht durchweg gewesen sein, weil es
die geschlechter nicht sein konnten, aber gewissermassen waren sie es doch
auch schon: man hat die neben einander wohnenden geschlechter zu
einer phratrie verbunden. und durch ihren cultort schon erhält die
phratrie einen localen mittelpunkt.

Wir würden also ein gutes teil alter geschichte kennen, wenn wir
die centra der phratrien bestimmen könnten, und vielleicht dürfen wir
das von der zukunft hoffen. Dekeleia (Hippothontis) ist der sitz der
Demotioniden, Myrrhinus (Pandionis) der Dyaleer, Kephale oder Pro-
spalta (Akamantis) der Achniaden, ein beschluss einer unbekannten phra-
trie ist in einer kirche zu Charvati gefunden (CIA II 599); das ist kein
sicherer anhalt für den demos, aber die phyle Aigeis ist wahrscheinlich.
die Butaden und Kothokiden weisen auf eine phratrie, die mit der Oineis
in beziehung stand. über Therrikleiden und Zakyaden, deren steine in
der stadt nur copirt sind, lässt sich nichts sagen, über die Philies, von
denen wir nur das geschlecht der Koironiden kennen, auch nicht. aber
wir sehen einmal wirklich schon, dass Kleisthenes die verteilung der
demen auf die phylen nicht ohne berücksichtigung der phratrien voll-
zogen hat, wir sehen ferner, dass eine gleichsetzung der 12 phratrien mit
den 12 alten städten nicht möglich ist,21) und wenn wir jetzt auch unseres
nichtwissens uns bewusst werden, so gibt der fortschritt der letzten zehn
jahre fröhlicher hoffnung auf die zukunft raum.

Demotion
der heros.
Als postille will ich den eponymus der Demotioniden in einem wert-
vollen namenregister nachweisen, dem verzeichnis der kinder, die Theseus
vor dem Minotaurus gerettet hat, erhalten in einem schönen mytho-
graphischen Vergilscholion zu Aen. VI, 21, das durch Haupt und Jahn
zumeist bereits emendirt ist. quorum haec nomina feruntur. hi pueri:
forbas (so O. Jahn, für hippo forbas.) et libi idest arcadis antimachus
euandri mnesteus sumiani phidocus ramuntis demolion cydani
[puriesion celei
von Haupt getilgte dittographie]. puellae haec peribea alcatim medippe

21) Der einfall, dass die tetrapoles oder epakres oder mesogeioi bruder-
schaften wären, ist mir natürlich gekommen. die ersten beiden stehn in der liste
der alten zwölf städte, die epakres waren auch später eine trittys. aber die er-
haltenen documente dieser genossenschaften bestätigen den einfall nicht, obwol sie
ihn schwerlich verbieten.

III. 1. Die phratrie der Demotioniden.
sind selbst eigentlich nichts als orgeonen. also stellt sich die adelsordnung
bereits als eine künstliche organisation dar, vergleichbar der späteren
gemeindeordnung. die phylen sind freilich sicherlich nicht local ge-
wesen, so wenig die 4 wie die 10. aber die phylendrittel, die τϱιττῦς
oder φϱατϱίαι werden es freilich nicht durchweg gewesen sein, weil es
die geschlechter nicht sein konnten, aber gewiſsermaſsen waren sie es doch
auch schon: man hat die neben einander wohnenden geschlechter zu
einer phratrie verbunden. und durch ihren cultort schon erhält die
phratrie einen localen mittelpunkt.

Wir würden also ein gutes teil alter geschichte kennen, wenn wir
die centra der phratrien bestimmen könnten, und vielleicht dürfen wir
das von der zukunft hoffen. Dekeleia (Hippothontis) ist der sitz der
Demotioniden, Myrrhinus (Pandionis) der Dyaleer, Kephale oder Pro-
spalta (Akamantis) der Achniaden, ein beschluſs einer unbekannten phra-
trie ist in einer kirche zu Charvati gefunden (CIA II 599); das ist kein
sicherer anhalt für den demos, aber die phyle Aigeis ist wahrscheinlich.
die Butaden und Kothokiden weisen auf eine phratrie, die mit der Oineis
in beziehung stand. über Therrikleiden und Zakyaden, deren steine in
der stadt nur copirt sind, läſst sich nichts sagen, über die Philies, von
denen wir nur das geschlecht der Koironiden kennen, auch nicht. aber
wir sehen einmal wirklich schon, dass Kleisthenes die verteilung der
demen auf die phylen nicht ohne berücksichtigung der phratrien voll-
zogen hat, wir sehen ferner, daſs eine gleichsetzung der 12 phratrien mit
den 12 alten städten nicht möglich ist,21) und wenn wir jetzt auch unseres
nichtwissens uns bewuſst werden, so gibt der fortschritt der letzten zehn
jahre fröhlicher hoffnung auf die zukunft raum.

Demotion
der heros.
Als postille will ich den eponymus der Demotioniden in einem wert-
vollen namenregister nachweisen, dem verzeichnis der kinder, die Theseus
vor dem Minotaurus gerettet hat, erhalten in einem schönen mytho-
graphischen Vergilscholion zu Aen. VI, 21, das durch Haupt und Jahn
zumeist bereits emendirt ist. quorum haec nomina feruntur. hi pueri:
forbas (so O. Jahn, für hippo forbas.) et libi idest arcadis antimachus
euandri mnesteus sumiani phidocus ramuntis demolion cydani
[puriesion celei
von Haupt getilgte dittographie]. puellae haec peribea alcatim medippe

21) Der einfall, daſs die τετϱαπολῆς oder ἐπακϱῆς oder μεσόγειοι bruder-
schaften wären, ist mir natürlich gekommen. die ersten beiden stehn in der liste
der alten zwölf städte, die ἐπακϱῆς waren auch später eine trittys. aber die er-
haltenen documente dieser genossenschaften bestätigen den einfall nicht, obwol sie
ihn schwerlich verbieten.
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[278/0288] III. 1. Die phratrie der Demotioniden. sind selbst eigentlich nichts als orgeonen. also stellt sich die adelsordnung bereits als eine künstliche organisation dar, vergleichbar der späteren gemeindeordnung. die phylen sind freilich sicherlich nicht local ge- wesen, so wenig die 4 wie die 10. aber die phylendrittel, die τϱιττῦς oder φϱατϱίαι werden es freilich nicht durchweg gewesen sein, weil es die geschlechter nicht sein konnten, aber gewiſsermaſsen waren sie es doch auch schon: man hat die neben einander wohnenden geschlechter zu einer phratrie verbunden. und durch ihren cultort schon erhält die phratrie einen localen mittelpunkt. Wir würden also ein gutes teil alter geschichte kennen, wenn wir die centra der phratrien bestimmen könnten, und vielleicht dürfen wir das von der zukunft hoffen. Dekeleia (Hippothontis) ist der sitz der Demotioniden, Myrrhinus (Pandionis) der Dyaleer, Kephale oder Pro- spalta (Akamantis) der Achniaden, ein beschluſs einer unbekannten phra- trie ist in einer kirche zu Charvati gefunden (CIA II 599); das ist kein sicherer anhalt für den demos, aber die phyle Aigeis ist wahrscheinlich. die Butaden und Kothokiden weisen auf eine phratrie, die mit der Oineis in beziehung stand. über Therrikleiden und Zakyaden, deren steine in der stadt nur copirt sind, läſst sich nichts sagen, über die Philies, von denen wir nur das geschlecht der Koironiden kennen, auch nicht. aber wir sehen einmal wirklich schon, dass Kleisthenes die verteilung der demen auf die phylen nicht ohne berücksichtigung der phratrien voll- zogen hat, wir sehen ferner, daſs eine gleichsetzung der 12 phratrien mit den 12 alten städten nicht möglich ist, 21) und wenn wir jetzt auch unseres nichtwissens uns bewuſst werden, so gibt der fortschritt der letzten zehn jahre fröhlicher hoffnung auf die zukunft raum. Als postille will ich den eponymus der Demotioniden in einem wert- vollen namenregister nachweisen, dem verzeichnis der kinder, die Theseus vor dem Minotaurus gerettet hat, erhalten in einem schönen mytho- graphischen Vergilscholion zu Aen. VI, 21, das durch Haupt und Jahn zumeist bereits emendirt ist. quorum haec nomina feruntur. hi pueri: forbas (so O. Jahn, für hippo forbas.) et libi idest arcadis antimachus euandri mnesteus sumiani phidocus ramuntis demolion cydani [puriesion celei von Haupt getilgte dittographie]. puellae haec peribea alcatim medippe Demotion der heros. 21) Der einfall, daſs die τετϱαπολῆς oder ἐπακϱῆς oder μεσόγειοι bruder- schaften wären, ist mir natürlich gekommen. die ersten beiden stehn in der liste der alten zwölf städte, die ἐπακϱῆς waren auch später eine trittys. aber die er- haltenen documente dieser genossenschaften bestätigen den einfall nicht, obwol sie ihn schwerlich verbieten.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/288>, abgerufen am 26.04.2024.