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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
nicht verwand. dass man nun die gefangenen losgeben musste, zumal
die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen
hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermassen vertragen,
war nicht zu vermeiden. man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf-
gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten
fliehen können, in Sunion an und liess sie auf eigene faust ihre lands-
leute durch seeraub belästigen. vor allem aber ward man nicht etwa
an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange-
stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge-
rechtfertigt: Athen musste eine flotte haben.

Die grün-
dung der
flotte.
Die zeit der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch
489 und 484; dass sie 30 jahre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden
hat, ist überliefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund. da auch
die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so
hilft auch das nicht. doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da
man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef-
tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter
durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben
manchen harten strauss zu fechten, aber 483 war er herr der situation:
dass er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung,
welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor
augen hielt.

Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, dass dem
staate aus den pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein
grosses capital zur verfügung stand. da setzte er durch, dass man dies
geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei
Salamis die freiheit gerettet haben. die chronik, der Aristoteles folgt, hat
die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache
in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen
muss. aber der beschluss des trierenbaues auf antrag des Themistokles
ist ihre notwendige voraussetzung. wir werden allerdings der voraus-
sicht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver-
sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen
wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen
hatten. es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte
an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende
in die festungen an der thrakischen etappenstrasse. im frühjahr 480
kamen die schiffe und die zimmerleute, um den Hellespont zu über-
brücken; der grosskönig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog

II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
nicht verwand. daſs man nun die gefangenen losgeben muſste, zumal
die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen
hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermaſsen vertragen,
war nicht zu vermeiden. man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf-
gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten
fliehen können, in Sunion an und lieſs sie auf eigene faust ihre lands-
leute durch seeraub belästigen. vor allem aber ward man nicht etwa
an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange-
stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge-
rechtfertigt: Athen muſste eine flotte haben.

Die grün-
dung der
flotte.
Die zeit der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch
489 und 484; daſs sie 30 jahre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden
hat, ist überliefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund. da auch
die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so
hilft auch das nicht. doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da
man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef-
tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter
durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben
manchen harten strauſs zu fechten, aber 483 war er herr der situation:
daſs er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung,
welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor
augen hielt.

Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, daſs dem
staate aus den pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein
groſses capital zur verfügung stand. da setzte er durch, daſs man dies
geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei
Salamis die freiheit gerettet haben. die chronik, der Aristoteles folgt, hat
die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache
in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen
muſs. aber der beschluſs des trierenbaues auf antrag des Themistokles
ist ihre notwendige voraussetzung. wir werden allerdings der voraus-
sicht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver-
sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen
wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen
hatten. es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte
an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende
in die festungen an der thrakischen etappenstraſse. im frühjahr 480
kamen die schiffe und die zimmerleute, um den Hellespont zu über-
brücken; der groſskönig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog

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[90/0100] II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. nicht verwand. daſs man nun die gefangenen losgeben muſste, zumal die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermaſsen vertragen, war nicht zu vermeiden. man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf- gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten fliehen können, in Sunion an und lieſs sie auf eigene faust ihre lands- leute durch seeraub belästigen. vor allem aber ward man nicht etwa an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange- stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge- rechtfertigt: Athen muſste eine flotte haben. Die zeit der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch 489 und 484; daſs sie 30 jahre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden hat, ist überliefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund. da auch die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so hilft auch das nicht. doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef- tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben manchen harten strauſs zu fechten, aber 483 war er herr der situation: daſs er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung, welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor augen hielt. Die grün- dung der flotte. Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, daſs dem staate aus den pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein groſses capital zur verfügung stand. da setzte er durch, daſs man dies geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei Salamis die freiheit gerettet haben. die chronik, der Aristoteles folgt, hat die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen muſs. aber der beschluſs des trierenbaues auf antrag des Themistokles ist ihre notwendige voraussetzung. wir werden allerdings der voraus- sicht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver- sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen hatten. es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende in die festungen an der thrakischen etappenstraſse. im frühjahr 480 kamen die schiffe und die zimmerleute, um den Hellespont zu über- brücken; der groſskönig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/100>, abgerufen am 27.04.2024.