Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
14.
DEMOSTHENES PROOEMIUM 55.


"In der guten alten zeit hielt das volk darauf, dass die biedermänner
auch zu den ämtern herankamen. das war sehr schön, denn die stän-
digen inhaber (oi sunekheis oide) nahmen sich vor diesen anständigen
collegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe
(dem karpousthai ta koina) weggestossen, weil sie sich nicht zu einer
tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, dass man commandirt und durch
die disciplin misliebig wird (enokhlein kai paraggellein). jetzt besetzt
ihr die ämter wie die priestertümer (das heisst hier nicht, wie bei Iso-
krates 2, 6, dass jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern dass das volk
auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zulässt), und
da ist es natürlich, dass ihr, die masse, herumlauft1) und zu den wenigen
emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge-
niessen (sunekhos polla lambanein). ihr seid eben so inconsequent,
dass ihr die iteration der astynomie z. b. verbietet, die der strategie ge-
stattet. für die wirklich militärischen stellen (tous epi ton praxeon,
bei Aristoteles ähnlich 61, 1 pros ta paronta pragmata ekpempein,
wenns aber keine pragmata gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags
noch hingehn, aber es ist eine tollheit bei denen die ohne etwas zu tun
zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen
befristeten gewählt sind. (das mag das frostige wortspiel meinen, khoran
ateleston ekhousin autoi tetelesmenoi vgl. Weil zur rede peri sunta-
xeos 19. natürlich klingt die telete neben dem telos durch: sie sind
geweiht, haben aber einen ungeweihten platz). ihr müsst auch von euch
leute in diese stellen bringen."


1) periete in correcter orthographie, die im attischen allerorten hergestellt
werden muss, wo peri vor einem iota steht, ist überliefert.
14.
DEMOSTHENES PROOEMIUM 55.


“In der guten alten zeit hielt das volk darauf, daſs die biedermänner
auch zu den ämtern herankamen. das war sehr schön, denn die stän-
digen inhaber (οἱ συνεχεῖς οἵδε) nahmen sich vor diesen anständigen
collegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe
(dem καϱποῦσϑαι τὰ κοινά) weggestoſsen, weil sie sich nicht zu einer
tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, daſs man commandirt und durch
die disciplin misliebig wird (ἐνοχλεῖν καὶ παϱαγγέλλειν). jetzt besetzt
ihr die ämter wie die priestertümer (das heiſst hier nicht, wie bei Iso-
krates 2, 6, daſs jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern daſs das volk
auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zuläſst), und
da ist es natürlich, daſs ihr, die masse, herumlauft1) und zu den wenigen
emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge-
nieſsen (συνεχῶς πολλὰ λαμβάνειν). ihr seid eben so inconsequent,
daſs ihr die iteration der astynomie z. b. verbietet, die der strategie ge-
stattet. für die wirklich militärischen stellen (τοὺς ἐπὶ τῶν πϱάξεων,
bei Aristoteles ähnlich 61, 1 πϱὸς τὰ παϱόντα πϱάγματα ἐκπέμπειν,
wenns aber keine πϱάγματα gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags
noch hingehn, aber es ist eine tollheit bei denen die ohne etwas zu tun
zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen
befristeten gewählt sind. (das mag das frostige wortspiel meinen, χώϱαν
ἀτέλεστον ἔχουσιν αὐτοὶ τετελεσμένοι vgl. Weil zur rede πεϱὶ συντά-
ξεως 19. natürlich klingt die τελετή neben dem τέλος durch: sie sind
geweiht, haben aber einen ungeweihten platz). ihr müſst auch von euch
leute in diese stellen bringen.”


1) πεϱίητε in correcter orthographie, die im attischen allerorten hergestellt
werden muſs, wo πεϱί vor einem iota steht, ist überliefert.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0410" n="[400]"/>
        <div n="2">
          <head>14.<lb/><hi rendition="#b">DEMOSTHENES PROOEMIUM 55.</hi></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>&#x201C;In der guten alten zeit hielt das volk darauf, da&#x017F;s die biedermänner<lb/>
auch zu den ämtern herankamen. das war sehr schön, denn die stän-<lb/>
digen inhaber (&#x03BF;&#x1F31; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C7;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F35;&#x03B4;&#x03B5;) nahmen sich vor diesen anständigen<lb/>
collegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe<lb/>
(dem &#x03BA;&#x03B1;&#x03F1;&#x03C0;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F70; &#x03BA;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BD;&#x03AC;) weggesto&#x017F;sen, weil sie sich nicht zu einer<lb/>
tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, da&#x017F;s man commandirt und durch<lb/>
die disciplin misliebig wird (&#x1F10;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C7;&#x03BB;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B3;&#x03AD;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;). jetzt besetzt<lb/>
ihr die ämter wie die priestertümer (das hei&#x017F;st hier nicht, wie bei Iso-<lb/>
krates 2, 6, da&#x017F;s jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern da&#x017F;s das volk<lb/>
auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zulä&#x017F;st), und<lb/>
da ist es natürlich, da&#x017F;s ihr, die masse, herumlauft<note place="foot" n="1)">&#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x03AF;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B5; in correcter orthographie, die im attischen allerorten hergestellt<lb/>
werden mu&#x017F;s, wo &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x03AF; vor einem iota steht, ist überliefert.</note> und zu den wenigen<lb/>
emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge-<lb/>
nie&#x017F;sen (&#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C7;&#x1FF6;&#x03C2; &#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03BB;&#x1F70; &#x03BB;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B2;&#x03AC;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;). ihr seid eben so inconsequent,<lb/>
da&#x017F;s ihr die iteration der astynomie z. b. verbietet, die der strategie ge-<lb/>
stattet. für die wirklich militärischen stellen (&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x1F76; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C0;&#x03F1;&#x03AC;&#x03BE;&#x03B5;&#x03C9;&#x03BD;,<lb/>
bei Aristoteles ähnlich 61, 1 &#x03C0;&#x03F1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F70; &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C0;&#x03F1;&#x03AC;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; &#x1F10;&#x03BA;&#x03C0;&#x03AD;&#x03BC;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;,<lb/>
wenns aber keine &#x03C0;&#x03F1;&#x03AC;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags<lb/>
noch hingehn, aber es ist eine tollheit bei denen die ohne etwas zu tun<lb/>
zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen<lb/>
befristeten gewählt sind. (das mag das frostige wortspiel meinen, &#x03C7;&#x03CE;&#x03F1;&#x03B1;&#x03BD;<lb/>
&#x1F00;&#x03C4;&#x03AD;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F14;&#x03C7;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x03BF;&#x1F76; &#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C3;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03B9; vgl. Weil zur rede &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x1F76; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03C4;&#x03AC;-<lb/>
&#x03BE;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2; 19. natürlich klingt die &#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C4;&#x03AE; neben dem &#x03C4;&#x03AD;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2; durch: sie sind<lb/>
geweiht, haben aber einen ungeweihten platz). ihr mü&#x017F;st auch von euch<lb/>
leute in diese stellen bringen.&#x201D;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[400]/0410] 14. DEMOSTHENES PROOEMIUM 55. “In der guten alten zeit hielt das volk darauf, daſs die biedermänner auch zu den ämtern herankamen. das war sehr schön, denn die stän- digen inhaber (οἱ συνεχεῖς οἵδε) nahmen sich vor diesen anständigen collegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe (dem καϱποῦσϑαι τὰ κοινά) weggestoſsen, weil sie sich nicht zu einer tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, daſs man commandirt und durch die disciplin misliebig wird (ἐνοχλεῖν καὶ παϱαγγέλλειν). jetzt besetzt ihr die ämter wie die priestertümer (das heiſst hier nicht, wie bei Iso- krates 2, 6, daſs jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern daſs das volk auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zuläſst), und da ist es natürlich, daſs ihr, die masse, herumlauft 1) und zu den wenigen emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge- nieſsen (συνεχῶς πολλὰ λαμβάνειν). ihr seid eben so inconsequent, daſs ihr die iteration der astynomie z. b. verbietet, die der strategie ge- stattet. für die wirklich militärischen stellen (τοὺς ἐπὶ τῶν πϱάξεων, bei Aristoteles ähnlich 61, 1 πϱὸς τὰ παϱόντα πϱάγματα ἐκπέμπειν, wenns aber keine πϱάγματα gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags noch hingehn, aber es ist eine tollheit bei denen die ohne etwas zu tun zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen befristeten gewählt sind. (das mag das frostige wortspiel meinen, χώϱαν ἀτέλεστον ἔχουσιν αὐτοὶ τετελεσμένοι vgl. Weil zur rede πεϱὶ συντά- ξεως 19. natürlich klingt die τελετή neben dem τέλος durch: sie sind geweiht, haben aber einen ungeweihten platz). ihr müſst auch von euch leute in diese stellen bringen.” 1) πεϱίητε in correcter orthographie, die im attischen allerorten hergestellt werden muſs, wo πεϱί vor einem iota steht, ist überliefert.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/410
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. [400]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/410>, abgerufen am 22.12.2024.