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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Verhältnis zu Philippos. gründung der schule.
hiess für ihn, lehren. so gieng er nach Athen und gründete die schule
im Lykeion, sobald Alexandros den thron bestiegen hatte. die meister-
jahre begannen.

Vorträge hatte Aristoteles schon zu Platons zeit gehalten. das hätteGründung
der schule.

er auch neben Xenokrates in der Akademie tun können; er würde selbst
als nachfolger Platons dort nicht anders zu reden gebraucht haben, als
er im Lykeion getan hat. wenn er einen neuen wissenschaftlichen
verein gebildet hat, so liegt darin trotz aller pietät für Platon und aller
rücksicht gegen Xenokrates, dass er den beruf zum schulhaupt in sich
fand und der ansicht war, die Akademie genüge nicht mehr für die
bedürfnisse der wissenschaft und der nation. zwar der wissenschaft
hätte sie ja sicherlich wieder genügt, wenn Aristoteles nur in ihre hallen
zurückgekehrt wäre. zoologie und botanik, dialektik und metaphysik
konnte er auch dort lehren; mathematik und astronomie ist so wie so
mehr dort als unter ihm getrieben worden. aber seit dem scheitern
der sicilischen plane war die Akademie dem praktischen leben ent-
fremdet. mehr noch als der greise Platon, der doch immer Athener
blieb, war der Chalkedonier Xenokrates gesonnen, nunmehr sich in der
reinen sphaere der wissenschaft zu halten und die welt draussen ihren
sünden und lüsten zu überlassen. er lebte selbst als loyaler schutz-
verwandter des staates Athen, geachtet als charakter und gelehrter, aber
er war keine macht im öffentlichen leben und wollte es nicht sein.
zwei menschenalter hat die Akademie diesen klösterlichen charakter be-
wahrt40). das lärmende und nervöse volk des marktes erkannte wol
einen stolz der stadt auch darin, dass ein par tausend schritt vor dem
stadttore in einem der gärten des ölwaldes eine anzahl seltsamer greise
und männer wohnten, die man kaum je auf der strasse oder im theater
sah, und die eine fabelhafte weisheit und frömmigkeit besassen, gute
leute, die jedes verlaufene rebhuhn pflegten und schützten und für
jedermann schöne worte des trostes und der erbauung hatten. aus den
fernsten ländern kamen die jünglinge um sie zu hören, und auch die
athenischen väter hatten es gern, wenn ihre söhne eine weile an den
disputirübungen und vorträgen der Akademie teil nahmen, denn da war
viel unnützes aber nichts schädliches zu lernen. aber das war alles:

40) Die gewaltige wirkung, die es hatte, als einmal das schulhaupt der Akademie
aus seiner clause herauskam und zu gunsten Athens bei könig Pyrrhos intervenirte,
habe ich erläutert Antig. Kar. 207. dass Xenokrates 338 oder 322 das gleiche getan
hätte, ist eine fabel, aber ihre existenz lehrt am besten, wie man die stellung der
Akademie beurteilte.

Verhältnis zu Philippos. gründung der schule.
hieſs für ihn, lehren. so gieng er nach Athen und gründete die schule
im Lykeion, sobald Alexandros den thron bestiegen hatte. die meister-
jahre begannen.

Vorträge hatte Aristoteles schon zu Platons zeit gehalten. das hätteGründung
der schule.

er auch neben Xenokrates in der Akademie tun können; er würde selbst
als nachfolger Platons dort nicht anders zu reden gebraucht haben, als
er im Lykeion getan hat. wenn er einen neuen wissenschaftlichen
verein gebildet hat, so liegt darin trotz aller pietät für Platon und aller
rücksicht gegen Xenokrates, daſs er den beruf zum schulhaupt in sich
fand und der ansicht war, die Akademie genüge nicht mehr für die
bedürfnisse der wissenschaft und der nation. zwar der wissenschaft
hätte sie ja sicherlich wieder genügt, wenn Aristoteles nur in ihre hallen
zurückgekehrt wäre. zoologie und botanik, dialektik und metaphysik
konnte er auch dort lehren; mathematik und astronomie ist so wie so
mehr dort als unter ihm getrieben worden. aber seit dem scheitern
der sicilischen plane war die Akademie dem praktischen leben ent-
fremdet. mehr noch als der greise Platon, der doch immer Athener
blieb, war der Chalkedonier Xenokrates gesonnen, nunmehr sich in der
reinen sphaere der wissenschaft zu halten und die welt drauſsen ihren
sünden und lüsten zu überlassen. er lebte selbst als loyaler schutz-
verwandter des staates Athen, geachtet als charakter und gelehrter, aber
er war keine macht im öffentlichen leben und wollte es nicht sein.
zwei menschenalter hat die Akademie diesen klösterlichen charakter be-
wahrt40). das lärmende und nervöse volk des marktes erkannte wol
einen stolz der stadt auch darin, daſs ein par tausend schritt vor dem
stadttore in einem der gärten des ölwaldes eine anzahl seltsamer greise
und männer wohnten, die man kaum je auf der straſse oder im theater
sah, und die eine fabelhafte weisheit und frömmigkeit besaſsen, gute
leute, die jedes verlaufene rebhuhn pflegten und schützten und für
jedermann schöne worte des trostes und der erbauung hatten. aus den
fernsten ländern kamen die jünglinge um sie zu hören, und auch die
athenischen väter hatten es gern, wenn ihre söhne eine weile an den
disputirübungen und vorträgen der Akademie teil nahmen, denn da war
viel unnützes aber nichts schädliches zu lernen. aber das war alles:

40) Die gewaltige wirkung, die es hatte, als einmal das schulhaupt der Akademie
aus seiner clause herauskam und zu gunsten Athens bei könig Pyrrhos intervenirte,
habe ich erläutert Antig. Kar. 207. daſs Xenokrates 338 oder 322 das gleiche getan
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Akademie beurteilte.
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[341/0355] Verhältnis zu Philippos. gründung der schule. hieſs für ihn, lehren. so gieng er nach Athen und gründete die schule im Lykeion, sobald Alexandros den thron bestiegen hatte. die meister- jahre begannen. Vorträge hatte Aristoteles schon zu Platons zeit gehalten. das hätte er auch neben Xenokrates in der Akademie tun können; er würde selbst als nachfolger Platons dort nicht anders zu reden gebraucht haben, als er im Lykeion getan hat. wenn er einen neuen wissenschaftlichen verein gebildet hat, so liegt darin trotz aller pietät für Platon und aller rücksicht gegen Xenokrates, daſs er den beruf zum schulhaupt in sich fand und der ansicht war, die Akademie genüge nicht mehr für die bedürfnisse der wissenschaft und der nation. zwar der wissenschaft hätte sie ja sicherlich wieder genügt, wenn Aristoteles nur in ihre hallen zurückgekehrt wäre. zoologie und botanik, dialektik und metaphysik konnte er auch dort lehren; mathematik und astronomie ist so wie so mehr dort als unter ihm getrieben worden. aber seit dem scheitern der sicilischen plane war die Akademie dem praktischen leben ent- fremdet. mehr noch als der greise Platon, der doch immer Athener blieb, war der Chalkedonier Xenokrates gesonnen, nunmehr sich in der reinen sphaere der wissenschaft zu halten und die welt drauſsen ihren sünden und lüsten zu überlassen. er lebte selbst als loyaler schutz- verwandter des staates Athen, geachtet als charakter und gelehrter, aber er war keine macht im öffentlichen leben und wollte es nicht sein. zwei menschenalter hat die Akademie diesen klösterlichen charakter be- wahrt 40). das lärmende und nervöse volk des marktes erkannte wol einen stolz der stadt auch darin, daſs ein par tausend schritt vor dem stadttore in einem der gärten des ölwaldes eine anzahl seltsamer greise und männer wohnten, die man kaum je auf der straſse oder im theater sah, und die eine fabelhafte weisheit und frömmigkeit besaſsen, gute leute, die jedes verlaufene rebhuhn pflegten und schützten und für jedermann schöne worte des trostes und der erbauung hatten. aus den fernsten ländern kamen die jünglinge um sie zu hören, und auch die athenischen väter hatten es gern, wenn ihre söhne eine weile an den disputirübungen und vorträgen der Akademie teil nahmen, denn da war viel unnützes aber nichts schädliches zu lernen. aber das war alles: Gründung der schule. 40) Die gewaltige wirkung, die es hatte, als einmal das schulhaupt der Akademie aus seiner clause herauskam und zu gunsten Athens bei könig Pyrrhos intervenirte, habe ich erläutert Antig. Kar. 207. daſs Xenokrates 338 oder 322 das gleiche getan hätte, ist eine fabel, aber ihre existenz lehrt am besten, wie man die stellung der Akademie beurteilte.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/355>, abgerufen am 26.04.2024.