Meine Herren. Ich bitte Sie, sich aus der er¬ sten Vorlesung den Satz ins Gedächtniß zurückzu¬ rufen, daß der Gegenstand der Aesthetik, die Schönheit und deren Erscheinung in den Gebie¬ ten des Lebens und der Kunst, weder von abstrak¬ ter Philosophie, noch von geist- und ahnungsloser Gelehrsamkeit aufgewiesen und dargestellt werden könne; daß aber die deutsche Aesthetik, als akade¬ mische Wissenschaft, mit wenigen Ausnahmen eben das Schicksal gehabt habe, von solchen Männern geschrieben und gelehrt worden zu sein, denen der rechte Natursinn und die Bildung für die Schön¬ heit bald völlig abging, bald nur in sehr geringem Grade beiwohnte. Einseitigkeit in jeder Art ist keiner Wissenschaft nachtheiliger, als der Lehre
Zweite Vorleſung.
Meine Herren. Ich bitte Sie, ſich aus der er¬ ſten Vorleſung den Satz ins Gedaͤchtniß zuruͤckzu¬ rufen, daß der Gegenſtand der Aeſthetik, die Schoͤnheit und deren Erſcheinung in den Gebie¬ ten des Lebens und der Kunſt, weder von abſtrak¬ ter Philoſophie, noch von geiſt- und ahnungsloſer Gelehrſamkeit aufgewieſen und dargeſtellt werden koͤnne; daß aber die deutſche Aeſthetik, als akade¬ miſche Wiſſenſchaft, mit wenigen Ausnahmen eben das Schickſal gehabt habe, von ſolchen Maͤnnern geſchrieben und gelehrt worden zu ſein, denen der rechte Naturſinn und die Bildung fuͤr die Schoͤn¬ heit bald voͤllig abging, bald nur in ſehr geringem Grade beiwohnte. Einſeitigkeit in jeder Art iſt keiner Wiſſenſchaft nachtheiliger, als der Lehre
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0025"n="11"/></div><divn="1"><head><hirendition="#g">Zweite Vorleſung.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>eine Herren. Ich bitte Sie, ſich aus der er¬<lb/>ſten Vorleſung den Satz ins Gedaͤchtniß zuruͤckzu¬<lb/>
rufen, daß der Gegenſtand der Aeſthetik, die<lb/>
Schoͤnheit und deren Erſcheinung in den Gebie¬<lb/>
ten des Lebens und der Kunſt, weder von abſtrak¬<lb/>
ter Philoſophie, noch von geiſt- und ahnungsloſer<lb/>
Gelehrſamkeit aufgewieſen und dargeſtellt werden<lb/>
koͤnne; daß aber die deutſche Aeſthetik, als akade¬<lb/>
miſche Wiſſenſchaft, mit wenigen Ausnahmen eben<lb/>
das Schickſal gehabt habe, von ſolchen Maͤnnern<lb/>
geſchrieben und gelehrt worden zu ſein, denen der<lb/>
rechte Naturſinn und die Bildung fuͤr die Schoͤn¬<lb/>
heit bald voͤllig abging, bald nur in ſehr geringem<lb/>
Grade beiwohnte. Einſeitigkeit in jeder Art iſt<lb/>
keiner Wiſſenſchaft nachtheiliger, als der Lehre<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0025]
Zweite Vorleſung.
Meine Herren. Ich bitte Sie, ſich aus der er¬
ſten Vorleſung den Satz ins Gedaͤchtniß zuruͤckzu¬
rufen, daß der Gegenſtand der Aeſthetik, die
Schoͤnheit und deren Erſcheinung in den Gebie¬
ten des Lebens und der Kunſt, weder von abſtrak¬
ter Philoſophie, noch von geiſt- und ahnungsloſer
Gelehrſamkeit aufgewieſen und dargeſtellt werden
koͤnne; daß aber die deutſche Aeſthetik, als akade¬
miſche Wiſſenſchaft, mit wenigen Ausnahmen eben
das Schickſal gehabt habe, von ſolchen Maͤnnern
geſchrieben und gelehrt worden zu ſein, denen der
rechte Naturſinn und die Bildung fuͤr die Schoͤn¬
heit bald voͤllig abging, bald nur in ſehr geringem
Grade beiwohnte. Einſeitigkeit in jeder Art iſt
keiner Wiſſenſchaft nachtheiliger, als der Lehre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/25>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.