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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Sechzehnte Vorlesung.


Nicht das Wirkliche als wirklich will der Künst¬
ler nachahmen, sondern dem Wirklichen eine künst¬
lerische Bedeutung geben. Der Künstler hütet sich
wohl, die marmornen Wangen seiner Diane roth
zu färben. Er vermeidet selbst den Schein, als
habe er mit der Natur wetteifern wollen. Er
verachtet den Trug natürlicher Lebendigkeit, jedes
Insekt, das auf dem Boden kriecht, würde ihn
beschämen. Er fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn
sein Gemaltes oder Gemeißeltes des Zuschauers
Sinne in die Täuschung versetzt, als sei es ein
Lebendiges und Leibhaftes. Jene griechischen Anek¬
doten von gemalten Trauben und anpickenden Vö¬
geln, von gemalten Pferden und anwiehernden

Sechzehnte Vorleſung.


Nicht das Wirkliche als wirklich will der Kuͤnſt¬
ler nachahmen, ſondern dem Wirklichen eine kuͤnſt¬
leriſche Bedeutung geben. Der Kuͤnſtler huͤtet ſich
wohl, die marmornen Wangen ſeiner Diane roth
zu faͤrben. Er vermeidet ſelbſt den Schein, als
habe er mit der Natur wetteifern wollen. Er
verachtet den Trug natuͤrlicher Lebendigkeit, jedes
Inſekt, das auf dem Boden kriecht, wuͤrde ihn
beſchaͤmen. Er fuͤhlt ſich nicht geſchmeichelt, wenn
ſein Gemaltes oder Gemeißeltes des Zuſchauers
Sinne in die Taͤuſchung verſetzt, als ſei es ein
Lebendiges und Leibhaftes. Jene griechiſchen Anek¬
doten von gemalten Trauben und anpickenden Voͤ¬
geln, von gemalten Pferden und anwiehernden

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[205/0219] Sechzehnte Vorleſung. Nicht das Wirkliche als wirklich will der Kuͤnſt¬ ler nachahmen, ſondern dem Wirklichen eine kuͤnſt¬ leriſche Bedeutung geben. Der Kuͤnſtler huͤtet ſich wohl, die marmornen Wangen ſeiner Diane roth zu faͤrben. Er vermeidet ſelbſt den Schein, als habe er mit der Natur wetteifern wollen. Er verachtet den Trug natuͤrlicher Lebendigkeit, jedes Inſekt, das auf dem Boden kriecht, wuͤrde ihn beſchaͤmen. Er fuͤhlt ſich nicht geſchmeichelt, wenn ſein Gemaltes oder Gemeißeltes des Zuſchauers Sinne in die Taͤuſchung verſetzt, als ſei es ein Lebendiges und Leibhaftes. Jene griechiſchen Anek¬ doten von gemalten Trauben und anpickenden Voͤ¬ geln, von gemalten Pferden und anwiehernden

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/219>, abgerufen am 21.11.2024.