Die Manifestation einer neuen Anschauungsweise, und damit eines neuen Lebens, einer neuen Kunst und Poesie ist, wie wir am Beispiel der griechi¬ schen und christlichen gesehen, kein momentaner Akt, der sich sofort aller geschichtlichen Elemente bemächtigte und die Formen der früheren Anschau¬ ungsweise auf einmal zertrümmerte, sondern ein progressiver Akt, dem nur allmählig die Ueberwäl¬ tigung und Ausscheidung der zuckenden, abgestor¬ benen Lebensreste gelingt. Es verharrt die Zeit so lang im Verpuppungszustande, bis ihr unter der Decke die Flügel ausgewachsen sind, sie dehnt sich, lockert sich, erwartet den Augenblick -- dann kostet es nur einen Sonnenstrahl, vielleicht den ersten nach schwerem Gewitter und gesprengt ist
Achte Vorleſung.
Die Manifeſtation einer neuen Anſchauungsweiſe, und damit eines neuen Lebens, einer neuen Kunſt und Poeſie iſt, wie wir am Beiſpiel der griechi¬ ſchen und chriſtlichen geſehen, kein momentaner Akt, der ſich ſofort aller geſchichtlichen Elemente bemaͤchtigte und die Formen der fruͤheren Anſchau¬ ungsweiſe auf einmal zertruͤmmerte, ſondern ein progreſſiver Akt, dem nur allmaͤhlig die Ueberwaͤl¬ tigung und Ausſcheidung der zuckenden, abgeſtor¬ benen Lebensreſte gelingt. Es verharrt die Zeit ſo lang im Verpuppungszuſtande, bis ihr unter der Decke die Fluͤgel ausgewachſen ſind, ſie dehnt ſich, lockert ſich, erwartet den Augenblick — dann koſtet es nur einen Sonnenſtrahl, vielleicht den erſten nach ſchwerem Gewitter und geſprengt iſt
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Achte Vorleſung.
Die Manifeſtation einer neuen Anſchauungsweiſe,
und damit eines neuen Lebens, einer neuen Kunſt
und Poeſie iſt, wie wir am Beiſpiel der griechi¬
ſchen und chriſtlichen geſehen, kein momentaner
Akt, der ſich ſofort aller geſchichtlichen Elemente
bemaͤchtigte und die Formen der fruͤheren Anſchau¬
ungsweiſe auf einmal zertruͤmmerte, ſondern ein
progreſſiver Akt, dem nur allmaͤhlig die Ueberwaͤl¬
tigung und Ausſcheidung der zuckenden, abgeſtor¬
benen Lebensreſte gelingt. Es verharrt die Zeit
ſo lang im Verpuppungszuſtande, bis ihr unter
der Decke die Fluͤgel ausgewachſen ſind, ſie dehnt
ſich, lockert ſich, erwartet den Augenblick — dann
koſtet es nur einen Sonnenſtrahl, vielleicht den
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/128>, abgerufen am 21.11.2024.
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