Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.Oberon Fünfter Gesang. 1. Auch dich, o Rezia floh, auf deinen weichen schwanen,Der süße schlaf. Du sahst in klippen dich Verfangen, woraus dir einen pfad zu bahnen Unmöglich schien. Verhaßt und fürchterlich Ist dir das festliche roth am morgendämmernden himmel, Verhaßt der tag, der dich an Hymens altar winkt. Langwälzt sie seufzend sich um, bis endlich vom innern getümmel Der seele betäubt, ihr haupt herab zum busen sinkt. 2. Sie schlummert ein, und, ihren mut zu stützen,Webt Oberon ein neues traumgesicht Vor ihre stirn. Sie glaubt, bey mondeslicht, In einer laube der gärten des Harems zu sitzen, In fantasieen der liebe versenkt, Ein süßes weh, ein lieblich banges sehnen Hebt ihre brust, ihr auge schwimmt in thränen, Indem sie hoffnungslos an ihren jüngling denkt. 3. Die
Oberon Fuͤnfter Geſang. 1. Auch dich, o Rezia floh, auf deinen weichen ſchwanen,Der ſuͤße ſchlaf. Du ſahſt in klippen dich Verfangen, woraus dir einen pfad zu bahnen Unmoͤglich ſchien. Verhaßt und fuͤrchterlich Iſt dir das feſtliche roth am morgendaͤmmernden himmel, Verhaßt der tag, der dich an Hymens altar winkt. Langwaͤlzt ſie ſeufzend ſich um, bis endlich vom innern getuͤmmel Der ſeele betaͤubt, ihr haupt herab zum buſen ſinkt. 2. Sie ſchlummert ein, und, ihren mut zu ſtuͤtzen,Webt Oberon ein neues traumgeſicht Vor ihre ſtirn. Sie glaubt, bey mondeslicht, In einer laube der gaͤrten des Harems zu ſitzen, In fantaſieen der liebe verſenkt, Ein ſuͤßes weh, ein lieblich banges ſehnen Hebt ihre bruſt, ihr auge ſchwimmt in thraͤnen, Indem ſie hoffnungslos an ihren juͤngling denkt. 3. Die
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Fuͤnfter Geſang.
1.
Auch dich, o Rezia floh, auf deinen weichen ſchwanen,
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Verfangen, woraus dir einen pfad zu bahnen
Unmoͤglich ſchien. Verhaßt und fuͤrchterlich
Iſt dir das feſtliche roth am morgendaͤmmernden himmel,
Verhaßt der tag, der dich an Hymens altar winkt.
Langwaͤlzt ſie ſeufzend ſich um, bis endlich vom innern getuͤmmel
Der ſeele betaͤubt, ihr haupt herab zum buſen ſinkt.
2.
Sie ſchlummert ein, und, ihren mut zu ſtuͤtzen,
Webt Oberon ein neues traumgeſicht
Vor ihre ſtirn. Sie glaubt, bey mondeslicht,
In einer laube der gaͤrten des Harems zu ſitzen,
In fantaſieen der liebe verſenkt,
Ein ſuͤßes weh, ein lieblich banges ſehnen
Hebt ihre bruſt, ihr auge ſchwimmt in thraͤnen,
Indem ſie hoffnungslos an ihren juͤngling denkt.
3. Die
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/98>, abgerufen am 24.02.2025. |