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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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Oberon
Zehnter Gesang.


1.
Schon dreymal wechselte der tag sein herbstlich licht,
Seit diese freystatt sie in ihrem schooße heget,
Und beyde können noch sich des gedankens nicht
Entschlagen, daß der Greis, der sie so freundlich pfleget,
Kein wahrer Greis, daß er ein Schuzgeist ist,
Vielleicht ihr Ob'ron selbst, der ihres fehls vergißt,
Und da sie schwer genug, däucht sie, dafür gebüßet,
Bald wieder glüklich sie zu machen sich entschließet.
2.
Nun schwindet zwar allmählich dieser wahn,
Und ach! mit ihm stirbt auch, nicht ohne schmerzen,
Die hoffnung die er nährt; doch schmiegen ihre herzen
Sich an ein Menschenherz nur desto stärker an.
Es war so sanft das herz des guten Alten,
So zart sein mitgefühl, sein innrer sinn so rein,
Unmöglich konnten sie sechs tage um ihn seyn
Und länger sich vor ihm verborgen halten.
3. Der
Oberon
Zehnter Geſang.


1.
Schon dreymal wechſelte der tag ſein herbſtlich licht,
Seit dieſe freyſtatt ſie in ihrem ſchooße heget,
Und beyde koͤnnen noch ſich des gedankens nicht
Entſchlagen, daß der Greis, der ſie ſo freundlich pfleget,
Kein wahrer Greis, daß er ein Schuzgeiſt iſt,
Vielleicht ihr Ob'ron ſelbſt, der ihres fehls vergißt,
Und da ſie ſchwer genug, daͤucht ſie, dafuͤr gebuͤßet,
Bald wieder gluͤklich ſie zu machen ſich entſchließet.
2.
Nun ſchwindet zwar allmaͤhlich dieſer wahn,
Und ach! mit ihm ſtirbt auch, nicht ohne ſchmerzen,
Die hoffnung die er naͤhrt; doch ſchmiegen ihre herzen
Sich an ein Menſchenherz nur deſto ſtaͤrker an.
Es war ſo ſanft das herz des guten Alten,
So zart ſein mitgefuͤhl, ſein innrer ſinn ſo rein,
Unmoͤglich konnten ſie ſechs tage um ihn ſeyn
Und laͤnger ſich vor ihm verborgen halten.
3. Der
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[0208] Oberon Zehnter Geſang. 1. Schon dreymal wechſelte der tag ſein herbſtlich licht, Seit dieſe freyſtatt ſie in ihrem ſchooße heget, Und beyde koͤnnen noch ſich des gedankens nicht Entſchlagen, daß der Greis, der ſie ſo freundlich pfleget, Kein wahrer Greis, daß er ein Schuzgeiſt iſt, Vielleicht ihr Ob'ron ſelbſt, der ihres fehls vergißt, Und da ſie ſchwer genug, daͤucht ſie, dafuͤr gebuͤßet, Bald wieder gluͤklich ſie zu machen ſich entſchließet. 2. Nun ſchwindet zwar allmaͤhlich dieſer wahn, Und ach! mit ihm ſtirbt auch, nicht ohne ſchmerzen, Die hoffnung die er naͤhrt; doch ſchmiegen ihre herzen Sich an ein Menſchenherz nur deſto ſtaͤrker an. Es war ſo ſanft das herz des guten Alten, So zart ſein mitgefuͤhl, ſein innrer ſinn ſo rein, Unmoͤglich konnten ſie ſechs tage um ihn ſeyn Und laͤnger ſich vor ihm verborgen halten. 3. Der

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/208>, abgerufen am 21.11.2024.