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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Fuͤnftes Buch, fuͤnftes Capitel.
Fuͤnftes Capitel.
Natuͤrliche Geſchichte der Platoniſchen Liebe.

Die Quelle der Liebe, ſagt Zoroaſter, oder haͤtte es
doch ſagen koͤnnen, iſt das Anſchauen eines Gegenſtan-
des, der unſre Einbildungskraft bezaubert. Der Wunſch
dieſen Gegenſtand immer anzuſchauen, iſt der erſte Grad
derſelben. Je bezaubernder dieſes Anſchauen iſt, und
je mehr die an dieſes Bild der Vollkommenheit angehef-
tete Seele daran zu entdeken und zu bewundern findet,
deſto laͤnger bleibt ſie in den Grenzen dieſes erſten Gra-
des der Liebe ſtehen. Dasjenige was ſie hiebey er-
faͤhrt, kommt anfangs demjenigen auſſerordentlichen
Zuſtande ganz nahe, den man Verzuͤkung nennt; alle
andere Sinnen, alle wuͤrkſamen Kraͤfte der Seele ſchei-
nen ſtille zu ſtehen, und in einen einzigen Blik, worinn
man keiner Zeitfolge gewahr wird, verſchlungen zu ſeyn.
Dieſer Zuſtand iſt zugewaltſam, als daß er lange dauern
koͤnnte; langſamer oder ſchneller macht er der Empfin-
dung eines unausſprechlichen Vergnuͤgens Plaz, welches
die natuͤrliche Folge jenes ecſtatiſchen Anſchauens iſt, und
wovon, wie einige Adepten uns verſichert haben, keine
andre Art von Vergnuͤgen oder Wolluſt uns einen beſſern
Begriff geben kan, als der unreine und duͤſtre Schein
einer Pechfakel von der Klarheit des unkoͤrperlichen
Lichts, worinn, nach der Meynung der Morgenlaͤndi-
ſchen Weiſen, die Geiſter als in ihrem Elemente leben.

Dieſes
M 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/203>, abgerufen am 07.01.2025.