ihn von Zeit zu Zeit mit einem Ausdruk von Vergnü- gen und Zufriedenheit anzusehen; indessen daß in sei- nen nur selten von ihr abgewandten Augen etwas glänzte, für welches wir uns umsonst bemühet haben, in der Sprache der Menschen einen Nahmen zu finden.
Sechstes Capitel. Geheime Nachrichten.
Wir haben von unserm Freunde Plutarch gelernt, daß sehr kleine Begebenheiten öfters durch grosse Fol- gen merkwürdig werden, und sehr kleine Handlun- gen uns nicht selten tiefere Blike in das Jnwendige der Menschen thun lassen, als die feyerlichen Handlungen, wozu man, weil sie dem öffentlichen Urtheil ausgesezt sind, sich ordentlicher Weise in eine gewisse mit sich selbst abgeredete Verfassung zu sezen pflegt. Die Gründ- lichkeit dieser Beobachtung hat uns bewogen, in der Geschichte der Pantomime, welche das vorige Capitel ausfüllt, so umständlich zu seyn; und wir hoffen uns deßhalb vollkommen zu rechtfertigen, wenn wir diese Erzählung durch dasjenige ergänzen, was die liebens- würdige Psyche betrift, mit welcher der Leser schon im ersten Buche, wiewol nur im Vorbeygehen, bekannt zu werden angefangen hat. Diese Psyche, so wie sie war, hatte bißher unter allen Wesen, welche in die Sinne fallen, (wir sezen diese Einschränkung nicht ohne
Ur-
[Agath. I. Th.] L
Viertes Buch, ſechstes Capitel.
ihn von Zeit zu Zeit mit einem Ausdruk von Vergnuͤ- gen und Zufriedenheit anzuſehen; indeſſen daß in ſei- nen nur ſelten von ihr abgewandten Augen etwas glaͤnzte, fuͤr welches wir uns umſonſt bemuͤhet haben, in der Sprache der Menſchen einen Nahmen zu finden.
Sechſtes Capitel. Geheime Nachrichten.
Wir haben von unſerm Freunde Plutarch gelernt, daß ſehr kleine Begebenheiten oͤfters durch groſſe Fol- gen merkwuͤrdig werden, und ſehr kleine Handlun- gen uns nicht ſelten tiefere Blike in das Jnwendige der Menſchen thun laſſen, als die feyerlichen Handlungen, wozu man, weil ſie dem oͤffentlichen Urtheil ausgeſezt ſind, ſich ordentlicher Weiſe in eine gewiſſe mit ſich ſelbſt abgeredete Verfaſſung zu ſezen pflegt. Die Gruͤnd- lichkeit dieſer Beobachtung hat uns bewogen, in der Geſchichte der Pantomime, welche das vorige Capitel ausfuͤllt, ſo umſtaͤndlich zu ſeyn; und wir hoffen uns deßhalb vollkommen zu rechtfertigen, wenn wir dieſe Erzaͤhlung durch dasjenige ergaͤnzen, was die liebens- wuͤrdige Pſyche betrift, mit welcher der Leſer ſchon im erſten Buche, wiewol nur im Vorbeygehen, bekannt zu werden angefangen hat. Dieſe Pſyche, ſo wie ſie war, hatte bißher unter allen Weſen, welche in die Sinne fallen, (wir ſezen dieſe Einſchraͤnkung nicht ohne
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[Agath. I. Th.] L
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Viertes Buch, ſechstes Capitel.
ihn von Zeit zu Zeit mit einem Ausdruk von Vergnuͤ-
gen und Zufriedenheit anzuſehen; indeſſen daß in ſei-
nen nur ſelten von ihr abgewandten Augen etwas glaͤnzte,
fuͤr welches wir uns umſonſt bemuͤhet haben, in der
Sprache der Menſchen einen Nahmen zu finden.
Sechſtes Capitel.
Geheime Nachrichten.
Wir haben von unſerm Freunde Plutarch gelernt,
daß ſehr kleine Begebenheiten oͤfters durch groſſe Fol-
gen merkwuͤrdig werden, und ſehr kleine Handlun-
gen uns nicht ſelten tiefere Blike in das Jnwendige der
Menſchen thun laſſen, als die feyerlichen Handlungen,
wozu man, weil ſie dem oͤffentlichen Urtheil ausgeſezt
ſind, ſich ordentlicher Weiſe in eine gewiſſe mit ſich
ſelbſt abgeredete Verfaſſung zu ſezen pflegt. Die Gruͤnd-
lichkeit dieſer Beobachtung hat uns bewogen, in der
Geſchichte der Pantomime, welche das vorige Capitel
ausfuͤllt, ſo umſtaͤndlich zu ſeyn; und wir hoffen uns
deßhalb vollkommen zu rechtfertigen, wenn wir dieſe
Erzaͤhlung durch dasjenige ergaͤnzen, was die liebens-
wuͤrdige Pſyche betrift, mit welcher der Leſer ſchon im
erſten Buche, wiewol nur im Vorbeygehen, bekannt
zu werden angefangen hat. Dieſe Pſyche, ſo wie
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/183>, abgerufen am 24.02.2025.
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