Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. sen Hofnungen zu weiden; die Frucht seines Daseynszu verliehren, so lange man lebt, in Hofnung sich da- für schadloß zu halten, wenn man nicht mehr seyn wird! Denn daß wir izt leben, und daß dieses Leben aufhören wird, das wissen wir gewiß; ob ein andres alsdann anfange, ist wenigstens ungewiß, und wenn es auch wäre, so ist es doch unmöglich, das Verhältniß desselben gegen das izige zu bestimmen, da wir kein Mittel haben uns einen ächten Begriff davon zu machen. Laß uns also den Plan unsers Lebens auf das gründen, was wir kennen und wissen; und nachdem wir gefun- den haben, was das glükliche Leben ist, den gerade- sten und sichersten Weg suchen, auf dem wir dazu ge- langen können. Viertes Capitel. Worinn Hippias bessere Schlüsse macht. Jch habe schon bemerkt, daß die Glükseligkeit, wel- de,
Agathon. ſen Hofnungen zu weiden; die Frucht ſeines Daſeynszu verliehren, ſo lange man lebt, in Hofnung ſich da- fuͤr ſchadloß zu halten, wenn man nicht mehr ſeyn wird! Denn daß wir izt leben, und daß dieſes Leben aufhoͤren wird, das wiſſen wir gewiß; ob ein andres alsdann anfange, iſt wenigſtens ungewiß, und wenn es auch waͤre, ſo iſt es doch unmoͤglich, das Verhaͤltniß deſſelben gegen das izige zu beſtimmen, da wir kein Mittel haben uns einen aͤchten Begriff davon zu machen. Laß uns alſo den Plan unſers Lebens auf das gruͤnden, was wir kennen und wiſſen; und nachdem wir gefun- den haben, was das gluͤkliche Leben iſt, den gerade- ſten und ſicherſten Weg ſuchen, auf dem wir dazu ge- langen koͤnnen. Viertes Capitel. Worinn Hippias beſſere Schluͤſſe macht. Jch habe ſchon bemerkt, daß die Gluͤkſeligkeit, wel- de,
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Agathon.
ſen Hofnungen zu weiden; die Frucht ſeines Daſeyns
zu verliehren, ſo lange man lebt, in Hofnung ſich da-
fuͤr ſchadloß zu halten, wenn man nicht mehr ſeyn
wird! Denn daß wir izt leben, und daß dieſes Leben
aufhoͤren wird, das wiſſen wir gewiß; ob ein andres
alsdann anfange, iſt wenigſtens ungewiß, und wenn es
auch waͤre, ſo iſt es doch unmoͤglich, das Verhaͤltniß
deſſelben gegen das izige zu beſtimmen, da wir kein
Mittel haben uns einen aͤchten Begriff davon zu machen.
Laß uns alſo den Plan unſers Lebens auf das gruͤnden,
was wir kennen und wiſſen; und nachdem wir gefun-
den haben, was das gluͤkliche Leben iſt, den gerade-
ſten und ſicherſten Weg ſuchen, auf dem wir dazu ge-
langen koͤnnen.
Viertes Capitel.
Worinn Hippias beſſere Schluͤſſe macht.
Jch habe ſchon bemerkt, daß die Gluͤkſeligkeit, wel-
che wir ſuchen, nur in dem Stand einer Geſellſchaft,
die ſich ſchon zu einem gewiſſen Grade der Vollkom-
menheit erhoben hat, ſtatt finde. Jn einer ſolchen Ge-
ſellſchaft entwikeln ſich alle dieſe manichfaltigen Geſchik-
lichkeiten, die bey dem wilden Menſchen, der ſo wenig
bedarf, ſo einſam lebt, und ſo wenig Leidenſchaften hat,
immer muͤßige Faͤhigkeiten bleiben. Die Einfuͤhrung
des Eigenthums, die Ungleichheit der Guͤter und Staͤn-
de,
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