In dem hinteren Theile des Schiffes, je nachdem dasselbe nur über oder auch unter Deck Geschütze führt -- auf dem ersten oder zweiten Deck, liegt der gemeinsame Wohnraum für die Officiere, die Officiersmesse oder auch einfach Messe ge- nannt. In damaligen Zeiten, bei Gründung der Flotte, war sie ein schmuckloser, gewöhnlich weiß gestrichener viereckiger Raum ohne weiteren Comfort. Ein Eßtisch und die nothwendige Anzahl Stühle, beide handfest und lediglich nach dem Nützlich- keitsprincipe gebaut, bildeten das ganze Mobiliar, zu dem sich vielleicht noch einige Bilder in bescheidenen Goldleistenrahmen gesellten, wenn der mit Führung der Menage betraute Officier, der Messevorstand, gut wirthschaftete und kleine Ueberschüsse aus den Tafelgeldern erzielte, welche die Kosten für solche Zierrathen decken konnten. Das passirte jedoch selten und nur wenn routi- nirte Zahlmeister Messevorstände waren; die Seeofficiere machten nach dieser Richtung gewöhnlich Fiasko. Trotz Milchsuppe, Fisch und Kohlsalat, die aus Sparsamkeit öfter das alleinige Menü bilde- ten, meldete sich doch am letzten des Monats häufig ein Defi- cit und trug dem ungewandten Haushalter unliebsame Bemer- kungen und meistens mit Einstimmigkeit ausgesprochene feierliche Absetzung von seinem Vertrauensposten ein.
Ihr Licht empfängt die Messe von oben, da sie an den Seiten von den Kammern der Officiere umgeben wird. Diese Kammern sind Räume von durchschnittlich zwei Meter Länge und etwas mehr Tiefe. Wenn die Bauart des Schiffes es gestattet, giebt man ihnen Seitenfenster und auf den neueren, namentlich auf den Panzerschiffen, sind jene so groß, daß der Bewohner hinlänglich Luft und Licht hat, um so mehr, als hier auch die Höhe der Kammern 21/2 bis 3 Meter beträgt.
Vor dreißig Jahren kannte man jedoch solchen Luxus noch nicht und glaubte weniger anspruchsvoll sein zu müssen. Die
Werner
2. In der Officiermeſſe.
In dem hinteren Theile des Schiffes, je nachdem daſſelbe nur über oder auch unter Deck Geſchütze führt — auf dem erſten oder zweiten Deck, liegt der gemeinſame Wohnraum für die Officiere, die Officiersmeſſe oder auch einfach Meſſe ge- nannt. In damaligen Zeiten, bei Gründung der Flotte, war ſie ein ſchmuckloſer, gewöhnlich weiß geſtrichener viereckiger Raum ohne weiteren Comfort. Ein Eßtiſch und die nothwendige Anzahl Stühle, beide handfeſt und lediglich nach dem Nützlich- keitsprincipe gebaut, bildeten das ganze Mobiliar, zu dem ſich vielleicht noch einige Bilder in beſcheidenen Goldleiſtenrahmen geſellten, wenn der mit Führung der Menage betraute Officier, der Meſſevorſtand, gut wirthſchaftete und kleine Ueberſchüſſe aus den Tafelgeldern erzielte, welche die Koſten für ſolche Zierrathen decken konnten. Das paſſirte jedoch ſelten und nur wenn routi- nirte Zahlmeiſter Meſſevorſtände waren; die Seeofficiere machten nach dieſer Richtung gewöhnlich Fiasko. Trotz Milchſuppe, Fiſch und Kohlſalat, die aus Sparſamkeit öfter das alleinige Menü bilde- ten, meldete ſich doch am letzten des Monats häufig ein Defi- cit und trug dem ungewandten Haushalter unliebſame Bemer- kungen und meiſtens mit Einſtimmigkeit ausgeſprochene feierliche Abſetzung von ſeinem Vertrauenspoſten ein.
Ihr Licht empfängt die Meſſe von oben, da ſie an den Seiten von den Kammern der Officiere umgeben wird. Dieſe Kammern ſind Räume von durchſchnittlich zwei Meter Länge und etwas mehr Tiefe. Wenn die Bauart des Schiffes es geſtattet, giebt man ihnen Seitenfenſter und auf den neueren, namentlich auf den Panzerſchiffen, ſind jene ſo groß, daß der Bewohner hinlänglich Luft und Licht hat, um ſo mehr, als hier auch die Höhe der Kammern 2½ bis 3 Meter beträgt.
Vor dreißig Jahren kannte man jedoch ſolchen Luxus noch nicht und glaubte weniger anſpruchsvoll ſein zu müſſen. Die
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Werner
2. In der Officiermeſſe.
In dem hinteren Theile des Schiffes, je nachdem daſſelbe
nur über oder auch unter Deck Geſchütze führt — auf dem
erſten oder zweiten Deck, liegt der gemeinſame Wohnraum für
die Officiere, die Officiersmeſſe oder auch einfach Meſſe ge-
nannt. In damaligen Zeiten, bei Gründung der Flotte, war
ſie ein ſchmuckloſer, gewöhnlich weiß geſtrichener viereckiger Raum
ohne weiteren Comfort. Ein Eßtiſch und die nothwendige
Anzahl Stühle, beide handfeſt und lediglich nach dem Nützlich-
keitsprincipe gebaut, bildeten das ganze Mobiliar, zu dem ſich
vielleicht noch einige Bilder in beſcheidenen Goldleiſtenrahmen
geſellten, wenn der mit Führung der Menage betraute Officier,
der Meſſevorſtand, gut wirthſchaftete und kleine Ueberſchüſſe aus
den Tafelgeldern erzielte, welche die Koſten für ſolche Zierrathen
decken konnten. Das paſſirte jedoch ſelten und nur wenn routi-
nirte Zahlmeiſter Meſſevorſtände waren; die Seeofficiere machten
nach dieſer Richtung gewöhnlich Fiasko. Trotz Milchſuppe, Fiſch
und Kohlſalat, die aus Sparſamkeit öfter das alleinige Menü bilde-
ten, meldete ſich doch am letzten des Monats häufig ein Defi-
cit und trug dem ungewandten Haushalter unliebſame Bemer-
kungen und meiſtens mit Einſtimmigkeit ausgeſprochene feierliche
Abſetzung von ſeinem Vertrauenspoſten ein.
Ihr Licht empfängt die Meſſe von oben, da ſie an den
Seiten von den Kammern der Officiere umgeben wird. Dieſe
Kammern ſind Räume von durchſchnittlich zwei Meter Länge und
etwas mehr Tiefe. Wenn die Bauart des Schiffes es geſtattet,
giebt man ihnen Seitenfenſter und auf den neueren, namentlich
auf den Panzerſchiffen, ſind jene ſo groß, daß der Bewohner
hinlänglich Luft und Licht hat, um ſo mehr, als hier auch die
Höhe der Kammern 2½ bis 3 Meter beträgt.
Vor dreißig Jahren kannte man jedoch ſolchen Luxus noch
nicht und glaubte weniger anſpruchsvoll ſein zu müſſen. Die
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/262>, abgerufen am 21.11.2024.
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