mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um- wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange selbst nach undenkbar scheint.
Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des Keimplasma's auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er- nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er- weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten des Keimplasna's durch geringe Änderungen ihres Baues die Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver- ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben, durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges "Otternschaf" geboren wurde, oder durch welche Abänderung gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.
b. Ihre Vererbung.
Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,
mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um- wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange selbst nach undenkbar scheint.
Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des Keimplasma’s auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er- nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er- weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten des Keimplasna’s durch geringe Änderungen ihres Baues die Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver- ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben, durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges „Otternschaf“ geboren wurde, oder durch welche Abänderung gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.
b. Ihre Vererbung.
Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0607"n="583"/>
mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere<lb/>
neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um-<lb/>
wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter<lb/>
Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher<lb/>
Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung<lb/>
der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen<lb/>
Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange<lb/>
selbst nach undenkbar scheint.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Grösse</hi> der sprungweisen Abänderung wird von dem<lb/>
Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen<lb/>
Determinantengruppen abhängen, ihre <hirendition="#g">Qualität</hi> in irgend eine<lb/>
causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen<lb/>
zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur<lb/>
sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des<lb/>
Keimplasma’s auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er-<lb/>
nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er-<lb/>
weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen<lb/>
entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten<lb/>
des Keimplasna’s durch geringe Änderungen ihres Baues die<lb/>
Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend<lb/>
einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver-<lb/>
ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben,<lb/>
durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine<lb/>
es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges<lb/>„Otternschaf“ geboren wurde, oder durch welche Abänderung<lb/>
gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter<lb/>
der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.</p></div><lb/><divn="4"><head>b. <hirendition="#g">Ihre Vererbung</hi>.</head><lb/><p>Die Erblichkeit der <hirendition="#g">Spiel-Abänderungen</hi> der Pflanzen<lb/>
war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen<lb/>
sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[583/0607]
mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere
neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um-
wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter
Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher
Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung
der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen
Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange
selbst nach undenkbar scheint.
Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem
Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen
Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine
causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen
zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur
sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des
Keimplasma’s auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er-
nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er-
weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen
entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten
des Keimplasna’s durch geringe Änderungen ihres Baues die
Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend
einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver-
ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben,
durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine
es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges
„Otternschaf“ geboren wurde, oder durch welche Abänderung
gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter
der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.
b. Ihre Vererbung.
Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen
war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen
sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/607>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.