dieser Art von Abänderungen. Ich will im Folgenden kurz über einige derselben berichten, ihre ausführliche Darlegung einer späteren Gelegenheit vorbehaltend.
3. Die klimatischen Varietäten der Schmetterlinge in ihrer idioplasmatischen Wurzel.
Ein über den ganzen gemässigten und kalten Theil des asiatisch-europäischen Continents verbreiteter Schmetterling ist der der Familie der Bläulinge (Lycaeniden) angehörige Polyom- matus Phlaeas. Die Art kommt auch im Mittelmeergebiet, auf Madeira und den kanarischen Inseln, und in einem Theil von Nordamerika vor. Sie muss vor Beginn der Eiszeit den hohen Norden circumpolar bewohnt haben, dann während der- selben südwärts gedrängt worden sein, und später wieder von Neuem sich nordwärts ausgebreitet haben. In unsern Breiten ist sie auf der Oberseite der Flügel schön rothgoldig glänzend, woher ihr Volksname: Feuerfalter. Im Süden nun ist dieses Rothgelb mehr oder weniger stark mit Schwarz überflogen ("schwarz überstäubt"), und Exemplare aus Sicilien, Griechenland oder Japan zeigen oft nur ganz wenig rothgoldne Schuppen und machen fast den Totaleindruck von Schwarz. Der Schmetter- ling fliegt bei uns in zwei Generationen, die sich ganz gleich sind, in Südeuropa aber giebt es Landstriche, z. B. die Riviera di levante, wo die erste Generation rothgolden, die zweite, im Hochsommer fliegende schwarz bestäubt (var. Eleus) ist. Da nun auch bei uns in besonders heissen Sommern wiederholt schwärzlich angeflogene Exemplare gefangen worden sind, neben gewöhnlichen, und da ferner im äussersten Süden des Ver- breitungsgebietes -- soviel ich in Erfahrung bringen konnte -- beide Generationen schwärzlich gefärbt sind, so scheint auf den ersten Blick die Sache so aufzufassen zu sein, als ob es sich hier um eine einfache und einmalige Wärmewirkung handle,
dieser Art von Abänderungen. Ich will im Folgenden kurz über einige derselben berichten, ihre ausführliche Darlegung einer späteren Gelegenheit vorbehaltend.
3. Die klimatischen Varietäten der Schmetterlinge in ihrer idioplasmatischen Wurzel.
Ein über den ganzen gemässigten und kalten Theil des asiatisch-europäischen Continents verbreiteter Schmetterling ist der der Familie der Bläulinge (Lycaeniden) angehörige Polyom- matus Phlaeas. Die Art kommt auch im Mittelmeergebiet, auf Madeira und den kanarischen Inseln, und in einem Theil von Nordamerika vor. Sie muss vor Beginn der Eiszeit den hohen Norden circumpolar bewohnt haben, dann während der- selben südwärts gedrängt worden sein, und später wieder von Neuem sich nordwärts ausgebreitet haben. In unsern Breiten ist sie auf der Oberseite der Flügel schön rothgoldig glänzend, woher ihr Volksname: Feuerfalter. Im Süden nun ist dieses Rothgelb mehr oder weniger stark mit Schwarz überflogen („schwarz überstäubt“), und Exemplare aus Sicilien, Griechenland oder Japan zeigen oft nur ganz wenig rothgoldne Schuppen und machen fast den Totaleindruck von Schwarz. Der Schmetter- ling fliegt bei uns in zwei Generationen, die sich ganz gleich sind, in Südeuropa aber giebt es Landstriche, z. B. die Riviera di levante, wo die erste Generation rothgolden, die zweite, im Hochsommer fliegende schwarz bestäubt (var. Elēus) ist. Da nun auch bei uns in besonders heissen Sommern wiederholt schwärzlich angeflogene Exemplare gefangen worden sind, neben gewöhnlichen, und da ferner im äussersten Süden des Ver- breitungsgebietes — soviel ich in Erfahrung bringen konnte — beide Generationen schwärzlich gefärbt sind, so scheint auf den ersten Blick die Sache so aufzufassen zu sein, als ob es sich hier um eine einfache und einmalige Wärmewirkung handle,
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dieser Art von Abänderungen. Ich will im Folgenden kurz
über einige derselben berichten, ihre ausführliche Darlegung
einer späteren Gelegenheit vorbehaltend.
3. Die klimatischen Varietäten der Schmetterlinge in
ihrer idioplasmatischen Wurzel.
Ein über den ganzen gemässigten und kalten Theil des
asiatisch-europäischen Continents verbreiteter Schmetterling ist
der der Familie der Bläulinge (Lycaeniden) angehörige Polyom-
matus Phlaeas. Die Art kommt auch im Mittelmeergebiet,
auf Madeira und den kanarischen Inseln, und in einem Theil
von Nordamerika vor. Sie muss vor Beginn der Eiszeit den
hohen Norden circumpolar bewohnt haben, dann während der-
selben südwärts gedrängt worden sein, und später wieder von
Neuem sich nordwärts ausgebreitet haben. In unsern Breiten
ist sie auf der Oberseite der Flügel schön rothgoldig glänzend,
woher ihr Volksname: Feuerfalter. Im Süden nun ist dieses
Rothgelb mehr oder weniger stark mit Schwarz überflogen
(„schwarz überstäubt“), und Exemplare aus Sicilien, Griechenland
oder Japan zeigen oft nur ganz wenig rothgoldne Schuppen
und machen fast den Totaleindruck von Schwarz. Der Schmetter-
ling fliegt bei uns in zwei Generationen, die sich ganz gleich
sind, in Südeuropa aber giebt es Landstriche, z. B. die Riviera
di levante, wo die erste Generation rothgolden, die zweite, im
Hochsommer fliegende schwarz bestäubt (var. Elēus) ist. Da
nun auch bei uns in besonders heissen Sommern wiederholt
schwärzlich angeflogene Exemplare gefangen worden sind, neben
gewöhnlichen, und da ferner im äussersten Süden des Ver-
breitungsgebietes — soviel ich in Erfahrung bringen konnte
— beide Generationen schwärzlich gefärbt sind, so scheint auf
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/547>, abgerufen am 22.12.2024.
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