Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

von Iden enthalten sein, sie müssen allmälig abnehmen bis
zu dem Punkt, wo ihre Zahl so gering ist, dass sie den be-
treffenden Charakter nicht mehr hervorbringen können der
erdrückenden Majorität der übrigen Ide gegenüber.

Fassen wir das Keimplasma in dieser Art auf, so lässt sich
verstehen, dass die Vererbungsstärke bei Kreuzung zweier Arten
im Laufe der Ontogenese wechseln kann, dass in einem
Charakter die väterliche Tendenz dominirt, im andern die
mütterliche. Denn sehen wir auch ganz ab von der möglicher-
weise ja auch verschiedenen Vererbungsstärke der einzelnen De-
terminanten, und nehmen diese bei den gekreuzten Arten als
gleich an, so wird doch die Zahl der Ide, welche homodyname
Determinanten enthalten, je nach dem Alter des betreffen-
den Charakters
verschieden sein müssen. Die grössere Zahl
von Iden mit homodynamen Determinanten wird aber eine grössere
Vererbungsstärke bedeuten. Wenn die Blüthenform der Art A
ein sehr alter Erwerb, die Blattform aber ein sehr junger Er-
werb ist, und wenn es sich bei der mit A gekreuzten Art B
umgekehrt verhält, so wird der Mischling in der Blüthenform
mehr der Art A, in der Blattform mehr der Art B nach.
schlagen müssen. Bei der Art A werden mehr homodyname
Determinanten für die Blüthenanlage einer geringeren Zahl
homodynamer Determinanten der Art B gegenüber stehen; bei
Letzterer aber wird die Zahl homodynamer Determinanten der
Blattanlage die grössere sein. Die Bedeutung des ganzen
Princips wird in dem folgenden Abschnitt noch klarer her-
vortreten.

Kampf der individuellen Merkmale.

Bei der bisherigen Untersuchung wurde von dem Verhalten
der individuellen Merkmale der beiden Eltern abgesehen; sie
durften bei der Kreuzung von Arten den Art-Unterschieden

von Iden enthalten sein, sie müssen allmälig abnehmen bis
zu dem Punkt, wo ihre Zahl so gering ist, dass sie den be-
treffenden Charakter nicht mehr hervorbringen können der
erdrückenden Majorität der übrigen Ide gegenüber.

Fassen wir das Keimplasma in dieser Art auf, so lässt sich
verstehen, dass die Vererbungsstärke bei Kreuzung zweier Arten
im Laufe der Ontogenese wechseln kann, dass in einem
Charakter die väterliche Tendenz dominirt, im andern die
mütterliche. Denn sehen wir auch ganz ab von der möglicher-
weise ja auch verschiedenen Vererbungsstärke der einzelnen De-
terminanten, und nehmen diese bei den gekreuzten Arten als
gleich an, so wird doch die Zahl der Ide, welche homodyname
Determinanten enthalten, je nach dem Alter des betreffen-
den Charakters
verschieden sein müssen. Die grössere Zahl
von Iden mit homodynamen Determinanten wird aber eine grössere
Vererbungsstärke bedeuten. Wenn die Blüthenform der Art A
ein sehr alter Erwerb, die Blattform aber ein sehr junger Er-
werb ist, und wenn es sich bei der mit A gekreuzten Art B
umgekehrt verhält, so wird der Mischling in der Blüthenform
mehr der Art A, in der Blattform mehr der Art B nach.
schlagen müssen. Bei der Art A werden mehr homodyname
Determinanten für die Blüthenanlage einer geringeren Zahl
homodynamer Determinanten der Art B gegenüber stehen; bei
Letzterer aber wird die Zahl homodynamer Determinanten der
Blattanlage die grössere sein. Die Bedeutung des ganzen
Princips wird in dem folgenden Abschnitt noch klarer her-
vortreten.

Kampf der individuellen Merkmale.

Bei der bisherigen Untersuchung wurde von dem Verhalten
der individuellen Merkmale der beiden Eltern abgesehen; sie
durften bei der Kreuzung von Arten den Art-Unterschieden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0383" n="359"/>
von Iden enthalten sein</hi>, sie müssen allmälig abnehmen bis<lb/>
zu dem Punkt, wo ihre Zahl so gering ist, dass sie den be-<lb/>
treffenden Charakter nicht mehr hervorbringen können der<lb/>
erdrückenden Majorität der übrigen Ide gegenüber.</p><lb/>
              <p>Fassen wir das Keimplasma in dieser Art auf, so lässt sich<lb/>
verstehen, dass die Vererbungsstärke bei Kreuzung zweier Arten<lb/>
im Laufe <hi rendition="#g">der Ontogenese</hi> wechseln kann, dass in <hi rendition="#g">einem</hi><lb/>
Charakter die väterliche Tendenz dominirt, im <hi rendition="#g">andern</hi> die<lb/>
mütterliche. Denn sehen wir auch ganz ab von der möglicher-<lb/>
weise ja auch verschiedenen Vererbungsstärke der einzelnen De-<lb/>
terminanten, und nehmen diese bei den gekreuzten Arten als<lb/>
gleich an, so wird doch <hi rendition="#g">die Zahl</hi> der Ide, welche homodyname<lb/>
Determinanten enthalten, <hi rendition="#g">je nach dem Alter des betreffen-<lb/>
den Charakters</hi> verschieden sein müssen. Die grössere Zahl<lb/>
von Iden mit homodynamen Determinanten wird aber eine grössere<lb/>
Vererbungsstärke bedeuten. Wenn die Blüthenform der Art A<lb/>
ein sehr alter Erwerb, die Blattform aber ein sehr junger Er-<lb/>
werb ist, und wenn es sich bei der mit A gekreuzten Art B<lb/>
umgekehrt verhält, so wird der Mischling in der Blüthenform<lb/>
mehr der Art A, in der Blattform mehr der Art B nach.<lb/>
schlagen müssen. Bei der Art A werden mehr homodyname<lb/>
Determinanten für die Blüthenanlage einer geringeren Zahl<lb/>
homodynamer Determinanten der Art B gegenüber stehen; bei<lb/>
Letzterer aber wird die Zahl homodynamer Determinanten der<lb/>
Blattanlage die grössere sein. Die Bedeutung des ganzen<lb/>
Princips wird in dem folgenden Abschnitt noch klarer her-<lb/>
vortreten.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Kampf der individuellen Merkmale</hi>.</head><lb/>
              <p>Bei der bisherigen Untersuchung wurde von dem Verhalten<lb/>
der <hi rendition="#g">individuellen</hi> Merkmale der beiden Eltern abgesehen; sie<lb/>
durften bei der Kreuzung von <hi rendition="#g">Arten</hi> den Art-Unterschieden<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0383] von Iden enthalten sein, sie müssen allmälig abnehmen bis zu dem Punkt, wo ihre Zahl so gering ist, dass sie den be- treffenden Charakter nicht mehr hervorbringen können der erdrückenden Majorität der übrigen Ide gegenüber. Fassen wir das Keimplasma in dieser Art auf, so lässt sich verstehen, dass die Vererbungsstärke bei Kreuzung zweier Arten im Laufe der Ontogenese wechseln kann, dass in einem Charakter die väterliche Tendenz dominirt, im andern die mütterliche. Denn sehen wir auch ganz ab von der möglicher- weise ja auch verschiedenen Vererbungsstärke der einzelnen De- terminanten, und nehmen diese bei den gekreuzten Arten als gleich an, so wird doch die Zahl der Ide, welche homodyname Determinanten enthalten, je nach dem Alter des betreffen- den Charakters verschieden sein müssen. Die grössere Zahl von Iden mit homodynamen Determinanten wird aber eine grössere Vererbungsstärke bedeuten. Wenn die Blüthenform der Art A ein sehr alter Erwerb, die Blattform aber ein sehr junger Er- werb ist, und wenn es sich bei der mit A gekreuzten Art B umgekehrt verhält, so wird der Mischling in der Blüthenform mehr der Art A, in der Blattform mehr der Art B nach. schlagen müssen. Bei der Art A werden mehr homodyname Determinanten für die Blüthenanlage einer geringeren Zahl homodynamer Determinanten der Art B gegenüber stehen; bei Letzterer aber wird die Zahl homodynamer Determinanten der Blattanlage die grössere sein. Die Bedeutung des ganzen Princips wird in dem folgenden Abschnitt noch klarer her- vortreten. Kampf der individuellen Merkmale. Bei der bisherigen Untersuchung wurde von dem Verhalten der individuellen Merkmale der beiden Eltern abgesehen; sie durften bei der Kreuzung von Arten den Art-Unterschieden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/383
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/383>, abgerufen am 22.12.2024.