Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

Bild:
<< vorherige Seite
LV.

Und diese mediocrität kan
schwerlich geschrieben/ und in solche
Regeln gefasset werden/ die sich her-
nachmals von dem Papiere weg
lernen liessen. Kan doch ein Mu-
sicus,
der seine gewisse Thone durch
die Noten und Linien unterschei-
den mag/ nicht viel zu wege brin-
gen/ wenn er den Untergebenen
nicht alles vorsinget/ und die Ma-
nier im Leben selbst zu erkennen
giebt: Wie vielmehr hat ein Red-
ner auff die lebendige information
zu sehen/ der seine Noten/ seine in-
tervalla,
sein praesto und adagio
durch keine character bezeichnen
kan.

LVI.

Und also muß der Praece-
ptor
seinem Untergebenen die Re-
de vorsprechen/ daß er sich durch
das Gehöre nach und nach finden/
und von der Sache judiciren lernet:
Und wer etwan selbst in diesem

Stü-
LV.

Und dieſe mediocritaͤt kan
ſchwerlich geſchrieben/ und in ſolche
Regeln gefaſſet werden/ die ſich her-
nachmals von dem Papiere weg
lernen lieſſen. Kan doch ein Mu-
ſicus,
der ſeine gewiſſe Thone durch
die Noten und Linien unterſchei-
den mag/ nicht viel zu wege brin-
gen/ wenn er den Untergebenen
nicht alles vorſinget/ und die Ma-
nier im Leben ſelbſt zu erkennen
giebt: Wie vielmehr hat ein Red-
ner auff die lebendige information
zu ſehen/ der ſeine Noten/ ſeine in-
tervalla,
ſein præſto und adagio
durch keine character bezeichnen
kan.

LVI.

Und alſo muß der Præce-
ptor
ſeinem Untergebenen die Re-
de vorſprechen/ daß er ſich durch
das Gehoͤre nach und nach finden/
und von der Sache judiciren lernet:
Und wer etwan ſelbſt in dieſem

Stuͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0056"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LV.</hi> </head>
          <p>Und die&#x017F;e <hi rendition="#aq">mediocri</hi>ta&#x0364;t kan<lb/>
&#x017F;chwerlich ge&#x017F;chrieben/ und in &#x017F;olche<lb/>
Regeln gefa&#x017F;&#x017F;et werden/ die &#x017F;ich her-<lb/>
nachmals von dem Papiere weg<lb/>
lernen lie&#x017F;&#x017F;en. Kan doch ein <hi rendition="#aq">Mu-<lb/>
&#x017F;icus,</hi> der &#x017F;eine gewi&#x017F;&#x017F;e Thone durch<lb/>
die Noten und Linien unter&#x017F;chei-<lb/>
den mag/ nicht viel zu wege brin-<lb/>
gen/ wenn er den Untergebenen<lb/>
nicht alles vor&#x017F;inget/ und die Ma-<lb/>
nier im Leben &#x017F;elb&#x017F;t zu erkennen<lb/>
giebt: Wie vielmehr hat ein Red-<lb/>
ner auff die lebendige <hi rendition="#aq">information</hi><lb/>
zu &#x017F;ehen/ der &#x017F;eine Noten/ &#x017F;eine <hi rendition="#aq">in-<lb/>
tervalla,</hi> &#x017F;ein <hi rendition="#aq">præ&#x017F;to</hi> und <hi rendition="#aq">adagio</hi><lb/>
durch keine <hi rendition="#aq">charact</hi>er bezeichnen<lb/>
kan.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LVI.</hi> </head>
          <p>Und al&#x017F;o muß der <hi rendition="#aq">Præce-<lb/>
ptor</hi> &#x017F;einem Untergebenen die Re-<lb/>
de vor&#x017F;prechen/ daß er &#x017F;ich durch<lb/>
das Geho&#x0364;re nach und nach finden/<lb/>
und von der Sache <hi rendition="#aq">judici</hi>ren lernet:<lb/>
Und wer etwan &#x017F;elb&#x017F;t in die&#x017F;em<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stu&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] LV. Und dieſe mediocritaͤt kan ſchwerlich geſchrieben/ und in ſolche Regeln gefaſſet werden/ die ſich her- nachmals von dem Papiere weg lernen lieſſen. Kan doch ein Mu- ſicus, der ſeine gewiſſe Thone durch die Noten und Linien unterſchei- den mag/ nicht viel zu wege brin- gen/ wenn er den Untergebenen nicht alles vorſinget/ und die Ma- nier im Leben ſelbſt zu erkennen giebt: Wie vielmehr hat ein Red- ner auff die lebendige information zu ſehen/ der ſeine Noten/ ſeine in- tervalla, ſein præſto und adagio durch keine character bezeichnen kan. LVI. Und alſo muß der Præce- ptor ſeinem Untergebenen die Re- de vorſprechen/ daß er ſich durch das Gehoͤre nach und nach finden/ und von der Sache judiciren lernet: Und wer etwan ſelbſt in dieſem Stuͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/56
Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/56>, abgerufen am 21.11.2024.