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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. und Verbindung.
zusammen schwindet/ dadurch die nun zum Punct/ ja zu nichts/
wordene Person sich hinter den redlichen und noch vesten Mit-
Bürgern weg/ in die Affter-Welt zuverschleichen/ und banckerott
zu machen Gelegenheit ergreifft. Welches/ wenn es auch nur
von einem einigen geschicht/ dennoch den gantzen Trieb des or-
dentlichen Herumblauffs aller zu gesampter Dringung auff das
centrum der gemeinen Wohlfahrt hinein aneinander sich stem-
menden Personen/ wo nicht gantz hemmen/ doch in etwas ver-
wirren kan: und dahero/ wenn es gleich privat Verbrechen sind/
dennoch vom publico geanthet werden müssen.

§. 5. Jst also die Obligation eines Menschen nichts anders/
als eine Gestaltsamkeit und gegenständige Qualität/ welche nicht
allein die Moralische Vestigkeit zum Grund hat/ sondern bestehet
auch hierauff in einer Moralischen Dringung dahin/ wozu der
Mensch obligirt. Gleich wie was schwer ist/ oder die Schwä-
re selbst/ nichts anders ist/ als eine so genannte patibilität/ wel-
che die natürliche Vestigkeit und impenetrabilität des Cörpers
zum Grund hat/ und hierauff in einem allezeit bereiten Dringen
gegen das centrum des gantzen Erdhauffens beruhet.

§. 6. Und wie die natürlichen Cörper auff einmahl gegen
allerley Gegenden obligiret und gedrungen werden können/ da
jede Dringung ihre gewisse Quantität und Sehrsamkeit hat/ un-
ter welchen die stärckere zwar durchbricht und von der schwä-
chern sich im Fortgang ereignet; die schwächere aber/ ob sie gleich
so weit nicht treibet/ thut sie doch das ihre/ so viel von einem Wie-
derstand nicht ausgenommen wird; Also kan eine Person aller-
ley Obligationen und Verbindungen an sich haben/ unter welchen
die stärckere von der schwächeren zwar auch im äusserlichen Fort-
gang scheinbarer ist; an sich aber so dringet auch die schwäche-
re/ und würcket das ihre/ so viel von einem Wiederstand nicht
ausgenommen worden.

§. 7. Jm gemeinen Wesen wird sonderlich beobachtet der
Unterscheid zwischen der natürlichen und civilischen Dringung/
Verbindung und Obligation. Die natürliche Dringung ist ge-
neral,
da des Menschen Gemüth von Gott zum guten hingerich-
tet geschaffen ist/ und immerfort sich dahin zu neigen/ und dasselbe

zu er-
P

Capitel. und Verbindung.
zuſammen ſchwindet/ dadurch die nun zum Punct/ ja zu nichts/
wordene Perſon ſich hinter den redlichen und noch veſten Mit-
Buͤrgern weg/ in die Affter-Welt zuverſchleichen/ und banckerott
zu machen Gelegenheit ergreifft. Welches/ wenn es auch nur
von einem einigen geſchicht/ dennoch den gantzen Trieb des or-
dentlichen Herumblauffs aller zu geſampter Dringung auff das
centrum der gemeinen Wohlfahrt hinein aneinander ſich ſtem-
menden Perſonen/ wo nicht gantz hemmen/ doch in etwas ver-
wirren kan: und dahero/ wenn es gleich privat Verbrechen ſind/
dennoch vom publico geanthet werden muͤſſen.

§. 5. Jſt alſo die Obligation eines Menſchen nichts anders/
als eine Geſtaltſamkeit und gegenſtaͤndige Qualitaͤt/ welche nicht
allein die Moraliſche Veſtigkeit zum Grund hat/ ſondern beſtehet
auch hierauff in einer Moraliſchen Dringung dahin/ wozu der
Menſch obligirt. Gleich wie was ſchwer iſt/ oder die Schwaͤ-
re ſelbſt/ nichts anders iſt/ als eine ſo genannte patibilitaͤt/ wel-
che die natuͤrliche Veſtigkeit und impenetrabilitaͤt des Coͤrpers
zum Grund hat/ und hierauff in einem allezeit bereiten Dringen
gegen das centrum des gantzen Erdhauffens beruhet.

§. 6. Und wie die natuͤrlichen Coͤrper auff einmahl gegen
allerley Gegenden obligiret und gedrungen werden koͤnnen/ da
jede Dringung ihre gewiſſe Quantitaͤt und Sehrſamkeit hat/ un-
ter welchen die ſtaͤrckere zwar durchbricht und von der ſchwaͤ-
chern ſich im Fortgang ereignet; die ſchwaͤchere aber/ ob ſie gleich
ſo weit nicht treibet/ thut ſie doch das ihre/ ſo viel von einem Wie-
derſtand nicht ausgenommen wird; Alſo kan eine Perſon aller-
ley Obligationen und Verbindungen an ſich haben/ unter welchen
die ſtaͤrckere von der ſchwaͤcheren zwar auch im aͤuſſerlichen Fort-
gang ſcheinbarer iſt; an ſich aber ſo dringet auch die ſchwaͤche-
re/ und wuͤrcket das ihre/ ſo viel von einem Wiederſtand nicht
ausgenommen worden.

§. 7. Jm gemeinen Weſen wird ſonderlich beobachtet der
Unterſcheid zwiſchen der natuͤrlichen und civiliſchen Dringung/
Verbindung und Obligation. Die natuͤrliche Dringung iſt ge-
neral,
da des Menſchen Gemuͤth von Gott zum guten hingerich-
tet geſchaffen iſt/ und immerfort ſich dahin zu neigen/ und daſſelbe

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[113/0123] Capitel. und Verbindung. zuſammen ſchwindet/ dadurch die nun zum Punct/ ja zu nichts/ wordene Perſon ſich hinter den redlichen und noch veſten Mit- Buͤrgern weg/ in die Affter-Welt zuverſchleichen/ und banckerott zu machen Gelegenheit ergreifft. Welches/ wenn es auch nur von einem einigen geſchicht/ dennoch den gantzen Trieb des or- dentlichen Herumblauffs aller zu geſampter Dringung auff das centrum der gemeinen Wohlfahrt hinein aneinander ſich ſtem- menden Perſonen/ wo nicht gantz hemmen/ doch in etwas ver- wirren kan: und dahero/ wenn es gleich privat Verbrechen ſind/ dennoch vom publico geanthet werden muͤſſen. §. 5. Jſt alſo die Obligation eines Menſchen nichts anders/ als eine Geſtaltſamkeit und gegenſtaͤndige Qualitaͤt/ welche nicht allein die Moraliſche Veſtigkeit zum Grund hat/ ſondern beſtehet auch hierauff in einer Moraliſchen Dringung dahin/ wozu der Menſch obligirt. Gleich wie was ſchwer iſt/ oder die Schwaͤ- re ſelbſt/ nichts anders iſt/ als eine ſo genannte patibilitaͤt/ wel- che die natuͤrliche Veſtigkeit und impenetrabilitaͤt des Coͤrpers zum Grund hat/ und hierauff in einem allezeit bereiten Dringen gegen das centrum des gantzen Erdhauffens beruhet. §. 6. Und wie die natuͤrlichen Coͤrper auff einmahl gegen allerley Gegenden obligiret und gedrungen werden koͤnnen/ da jede Dringung ihre gewiſſe Quantitaͤt und Sehrſamkeit hat/ un- ter welchen die ſtaͤrckere zwar durchbricht und von der ſchwaͤ- chern ſich im Fortgang ereignet; die ſchwaͤchere aber/ ob ſie gleich ſo weit nicht treibet/ thut ſie doch das ihre/ ſo viel von einem Wie- derſtand nicht ausgenommen wird; Alſo kan eine Perſon aller- ley Obligationen und Verbindungen an ſich haben/ unter welchen die ſtaͤrckere von der ſchwaͤcheren zwar auch im aͤuſſerlichen Fort- gang ſcheinbarer iſt; an ſich aber ſo dringet auch die ſchwaͤche- re/ und wuͤrcket das ihre/ ſo viel von einem Wiederſtand nicht ausgenommen worden. §. 7. Jm gemeinen Weſen wird ſonderlich beobachtet der Unterſcheid zwiſchen der natuͤrlichen und civiliſchen Dringung/ Verbindung und Obligation. Die natuͤrliche Dringung iſt ge- neral, da des Menſchen Gemuͤth von Gott zum guten hingerich- tet geſchaffen iſt/ und immerfort ſich dahin zu neigen/ und daſſelbe zu er- P

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/123>, abgerufen am 26.04.2024.