Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895.
ein Skirtdancekostüm -- Plisse, hellgelbe Seide, ohne Taille, am Hals geschlossen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blousenärmel, -- und wirft es sich über.) Ich muß tanzen. Escerny (erhebt sich und küßt ihr die Hand). Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben. Lulu. Bitte, bleiben Sie. Escerny (sie zur Thür geleitend). Ich bedarf etwas der Einsamkeit. (Lulu ab.) Sechster Auftritt. Escerny (allein). Was ist Noblesse? -- Ist es Verschrobenheit, wie bei mir? -- Oder ist es leibliche und geistige Vervollkommnung, wie bei diesem Mädchen? -- (Klatschen und Bravorufen wird hörbar.) -- Eine Tänzerin! -- Ich habe mich um die besten Jahre damit be- trogen, einem Grame zu leben, über den ein Mann in vier Wochen hätte hinwegkommen müssen. Wer mir den Glauben an die Menschen zurückgiebt, giebt mir mein Leben zurück. -- -- Eine Tänzerin! -- Mein dunkles Blut läßt sich nicht aus meiner Welt regeneriren. Will ich meinen Stamm nicht erlöschen lassen -- was vielleicht das beste für ihn
ein Skirtdancekoſtüm — Pliſſé, hellgelbe Seide, ohne Taille, am Hals geſchloſſen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blouſenärmel, — und wirft es ſich über.) Ich muß tanzen. Eſcerny (erhebt ſich und küßt ihr die Hand). Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben. Lulu. Bitte, bleiben Sie. Eſcerny (ſie zur Thür geleitend). Ich bedarf etwas der Einſamkeit. (Lulu ab.) Sechſter Auftritt. Eſcerny (allein). Was iſt Nobleſſe? — Iſt es Verſchrobenheit, wie bei mir? — Oder iſt es leibliche und geiſtige Vervollkommnung, wie bei dieſem Mädchen? — (Klatſchen und Bravorufen wird hörbar.) — Eine Tänzerin! — Ich habe mich um die beſten Jahre damit be- trogen, einem Grame zu leben, über den ein Mann in vier Wochen hätte hinwegkommen müſſen. Wer mir den Glauben an die Menſchen zurückgiebt, giebt mir mein Leben zurück. — — Eine Tänzerin! — Mein dunkles Blut läßt ſich nicht aus meiner Welt regeneriren. Will ich meinen Stamm nicht erlöſchen laſſen — was vielleicht das beſte für ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#LUL"> <stage><pb n="146" facs="#f0152"/> ein Skirtdancekoſtüm — Pliſſ<hi rendition="#aq">é</hi>, hellgelbe Seide, ohne Taille, am<lb/> Hals geſchloſſen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blouſenärmel,<lb/> — und wirft es ſich über.)</stage> <p>Ich muß tanzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny</hi> </speaker> <stage>(erhebt ſich und küßt ihr die Hand).</stage><lb/> <p>Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Bitte, bleiben Sie.</p> </sp><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny</hi> </speaker> <stage>(ſie zur Thür geleitend).</stage><lb/> <p>Ich bedarf etwas der Einſamkeit.</p> <stage>(Lulu ab.)</stage> </sp> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sechſter Auftritt.</hi> </head><lb/> <sp who="#ESC"> <speaker> <hi rendition="#b">Eſcerny</hi> </speaker> <stage>(allein).</stage><lb/> <p>Was iſt Nobleſſe? — Iſt es Verſchrobenheit,<lb/> wie bei mir? — Oder iſt es leibliche und geiſtige<lb/> Vervollkommnung, wie bei dieſem Mädchen? —</p><lb/> <stage>(Klatſchen und Bravorufen wird hörbar.)</stage> <p>— Eine Tänzerin!<lb/> — Ich habe mich um die beſten Jahre damit be-<lb/> trogen, einem Grame zu leben, über den ein Mann<lb/> in vier Wochen hätte hinwegkommen müſſen. Wer<lb/> mir den Glauben an die Menſchen zurückgiebt,<lb/> giebt mir mein Leben zurück. — — Eine Tänzerin!<lb/> — Mein dunkles Blut läßt ſich nicht aus meiner<lb/> Welt regeneriren. Will ich meinen Stamm nicht<lb/> erlöſchen laſſen — was vielleicht das beſte für ihn<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0152]
ein Skirtdancekoſtüm — Pliſſé, hellgelbe Seide, ohne Taille, am
Hals geſchloſſen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blouſenärmel,
— und wirft es ſich über.) Ich muß tanzen.
Eſcerny (erhebt ſich und küßt ihr die Hand).
Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben.
Lulu.
Bitte, bleiben Sie.
Eſcerny (ſie zur Thür geleitend).
Ich bedarf etwas der Einſamkeit. (Lulu ab.)
Sechſter Auftritt.
Eſcerny (allein).
Was iſt Nobleſſe? — Iſt es Verſchrobenheit,
wie bei mir? — Oder iſt es leibliche und geiſtige
Vervollkommnung, wie bei dieſem Mädchen? —
(Klatſchen und Bravorufen wird hörbar.) — Eine Tänzerin!
— Ich habe mich um die beſten Jahre damit be-
trogen, einem Grame zu leben, über den ein Mann
in vier Wochen hätte hinwegkommen müſſen. Wer
mir den Glauben an die Menſchen zurückgiebt,
giebt mir mein Leben zurück. — — Eine Tänzerin!
— Mein dunkles Blut läßt ſich nicht aus meiner
Welt regeneriren. Will ich meinen Stamm nicht
erlöſchen laſſen — was vielleicht das beſte für ihn
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erdgeist_1895/152>, abgerufen am 03.03.2025. |