Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.Erstes Kapitel. Das Werksteinmauerwerk. Erfindung der Neuzeit; bereits Vitruv beschreibt es als opus incertum.Ueberreste hiervon (Fig. 133) fanden sich in dem Gebiete von Tivoli [Abbildung]
Fig. 133. vor. Dieses römische Mauerwerkvon ungleichen Bruchsteinen von Travertin hat etwas Aehnlichkeit mit dem gleich- und ungleichreihigen Mauerwerk (isodomum und pseu- disodomum) der Griechen; denn obgleich die Steine sehr ungleich sind, so sind sie doch in Reihen und mit gedeckten Fugen vermauert. Die drei Backsteinreihen, welche durch die ganze Dicke der Mauer reichen und von Höhe zu Höhe wieder vorkommen, scheinen eine treffliche Vorsorge gegen das Reißen solcher Mauern zu sein. Bei solchem Bruchsteingemäuer C. Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder Schnittsteinen. Werkstein oder Schnittstein heißt jeder ganz ebenflächig und in Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk. Erfindung der Neuzeit; bereits Vitruv beſchreibt es als opus incertum.Ueberreſte hiervon (Fig. 133) fanden ſich in dem Gebiete von Tivoli [Abbildung]
Fig. 133. vor. Dieſes römiſche Mauerwerkvon ungleichen Bruchſteinen von Travertin hat etwas Aehnlichkeit mit dem gleich- und ungleichreihigen Mauerwerk (isodomum und pseu- disodomum) der Griechen; denn obgleich die Steine ſehr ungleich ſind, ſo ſind ſie doch in Reihen und mit gedeckten Fugen vermauert. Die drei Backſteinreihen, welche durch die ganze Dicke der Mauer reichen und von Höhe zu Höhe wieder vorkommen, ſcheinen eine treffliche Vorſorge gegen das Reißen ſolcher Mauern zu ſein. Bei ſolchem Bruchſteingemäuer C. Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder Schnittſteinen. Werkſtein oder Schnittſtein heißt jeder ganz ebenflächig und in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0136" n="120"/><fw place="top" type="header">Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.</fw><lb/> Erfindung der Neuzeit; bereits Vitruv beſchreibt es als <hi rendition="#aq">opus incertum.</hi><lb/> Ueberreſte hiervon (Fig. 133) fanden ſich in dem Gebiete von Tivoli<lb/><figure><head>Fig. 133.</head></figure><lb/> vor. Dieſes römiſche Mauerwerk<lb/> von ungleichen Bruchſteinen von<lb/> Travertin hat etwas Aehnlichkeit<lb/> mit dem gleich- und ungleichreihigen<lb/> Mauerwerk (<hi rendition="#aq">isodomum</hi> und <hi rendition="#aq">pseu-<lb/> disodomum</hi>) der Griechen; denn<lb/> obgleich die Steine ſehr ungleich<lb/> ſind, ſo ſind ſie doch in Reihen und<lb/> mit gedeckten Fugen vermauert.<lb/> Die drei Backſteinreihen, welche<lb/> durch die ganze Dicke der Mauer<lb/> reichen und von Höhe zu Höhe<lb/> wieder vorkommen, ſcheinen eine<lb/> treffliche Vorſorge gegen das Reißen<lb/> ſolcher Mauern zu ſein.</p><lb/> <p>Bei ſolchem Bruchſteingemäuer<lb/> werden auch die Theile in der Nähe<lb/> der Fenſterumfaſſungen von Zie-<lb/> geln gemacht, oder wenn die ganze<lb/> Plinthe (der Sockel oder Zockel)<lb/> ebenfalls aus Bruchſteinen beſteht,<lb/> ordnet man vielfach die in Fig. 134<lb/> dargeſtellte Conſtruktion an.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">C.</hi><hi rendition="#g">Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder<lb/> Schnittſteinen</hi>.</head><lb/> <p>Werkſtein oder Schnittſtein heißt jeder ganz ebenflächig und in<lb/> beſtimmten Dimenſionen bearbeiteter Sandſtein-, Kalkſtein-, Granit-<lb/> und Marmor-Block. Meiſtens bedient man ſich der Kalk- und Sand-<lb/> ſteine, ſelten des Granits, da dieſer, ſeiner bedeutenden Härte wegen,<lb/> ſich ſchwer bearbeiten läßt und nur ganz einfache Profile, wie z. B.<lb/> Abfaſung u. ſ. w. erhalten kann. Der Werkſtein darf niemals ſofort,<lb/> wenn er aus dem Bruche kommt, zu Bauten verwendet werden, viel-<lb/> mehr gilt als Regel, daß er etwa ein Jahr freilagern muß, damit<lb/> er ſeine Erdfeuchtigkeit verliere. Am beſten iſt es, den Werkſtein ſo<lb/> zu verwenden, wie er im Bruche gelegen hat.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0136]
Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Erfindung der Neuzeit; bereits Vitruv beſchreibt es als opus incertum.
Ueberreſte hiervon (Fig. 133) fanden ſich in dem Gebiete von Tivoli
[Abbildung Fig. 133.]
vor. Dieſes römiſche Mauerwerk
von ungleichen Bruchſteinen von
Travertin hat etwas Aehnlichkeit
mit dem gleich- und ungleichreihigen
Mauerwerk (isodomum und pseu-
disodomum) der Griechen; denn
obgleich die Steine ſehr ungleich
ſind, ſo ſind ſie doch in Reihen und
mit gedeckten Fugen vermauert.
Die drei Backſteinreihen, welche
durch die ganze Dicke der Mauer
reichen und von Höhe zu Höhe
wieder vorkommen, ſcheinen eine
treffliche Vorſorge gegen das Reißen
ſolcher Mauern zu ſein.
Bei ſolchem Bruchſteingemäuer
werden auch die Theile in der Nähe
der Fenſterumfaſſungen von Zie-
geln gemacht, oder wenn die ganze
Plinthe (der Sockel oder Zockel)
ebenfalls aus Bruchſteinen beſteht,
ordnet man vielfach die in Fig. 134
dargeſtellte Conſtruktion an.
C. Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder
Schnittſteinen.
Werkſtein oder Schnittſtein heißt jeder ganz ebenflächig und in
beſtimmten Dimenſionen bearbeiteter Sandſtein-, Kalkſtein-, Granit-
und Marmor-Block. Meiſtens bedient man ſich der Kalk- und Sand-
ſteine, ſelten des Granits, da dieſer, ſeiner bedeutenden Härte wegen,
ſich ſchwer bearbeiten läßt und nur ganz einfache Profile, wie z. B.
Abfaſung u. ſ. w. erhalten kann. Der Werkſtein darf niemals ſofort,
wenn er aus dem Bruche kommt, zu Bauten verwendet werden, viel-
mehr gilt als Regel, daß er etwa ein Jahr freilagern muß, damit
er ſeine Erdfeuchtigkeit verliere. Am beſten iſt es, den Werkſtein ſo
zu verwenden, wie er im Bruche gelegen hat.
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