Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] 5 Wenn mir der Ungar alles nimmt, den Wald kann er nicht mitnehmen.

"Das Waldesdunkel und die finstere Wassertiefe wird Le genannt. In Oesterreich scheint sonst ein Sprichwort gegolten zu haben, so lange die Einfälle der Ungarn das Land in Unruhe versetzten: Wenn mir der u. s. w. Dies drückt der Oesterreicher Siegfried Halbling (vgl. Haupt, IV, V. 13) in mehrfach anders gewandten Formeln aus: >So mir die Ungar nement re so vert er jagen hin ze le.<" (Vgl. Rochholz, Glaube, 88.)


Ungarn.

1 Ausser Ungarn ist kein Leben.

So sagt der Ungar; er gedenkt seines Vaterlandes immer mit dem Beiwort: süss; auch nennt er es wol seine durch Blut erworbene Heimat. (Vgl. Hungaria in parabolis u. s. w.) Wir Deutschen dagegen sagen: Es ist nicht weit her. (Allgem. Anzeiger der Deutschen, 1837, Nr. 7.) Das Sprichwort geht aber über die berechtigte Vaterlandsliebe hinaus und offenbart den Standpunkt einer beschränkten Anschauung, wie sie jener Ungar zeigte, der in der Buchhandlung einen Globus von Ungarn verlangte, oder neulich die ungarische Delegation, welche erklärte, dass der Durchgang der Venus keine gemeinsame Angelegenheit sei. (Vgl. Schles. Zeitung, 1871, Nr. 49.)

Lat.: Extra hungariam non est vita, si est vita, non est ita.

2 So viel in Ungarn Bärt' und Husaren, so viel in Augsburg Kaufmannswaaren, so viel in Wien man isst an Schnecken, so viel im Schwarzwald Prügel und Recken, so viel in Würtemberg Fässer und Wein: so vielmal gesegnet die Frau soll sein.

Es ist Marie Antoinette, die unglückliche Gemahlin Ludwig's XVI. von Frankreich gemeint. Als sie eben mit dem Kronprinzen von Frankreich, später Ludwig XVI., vermählt, 1770 ihren Brautzug nach Frankreich hielt, wurde sie überall festlich empfangen. Am 1. Mai übernachtete sie in dem schwäbischen Kloster Ober-Marchthal, wo ihr zu Ehren ein von dem damals berühmten schwäbischen Kanzelredner verfasstes Festspiel aufgeführt wurde, in welchem der obige Spruch vorkommt. (Vgl. Morgenblatt, Stuttgart 1857, S. 713.)

3 Ungarn ist der Kirchhof der Deutschen. - Simrock, 10640a.

"Ungarn nennt man des deutschen Reichs Kirchhof." (Hesekiel, 59.)

4 Vngern, Juda, Jesuiter bringen den Kaiser um die Güter.

Der deutsche Kaiser wurde einst von den Jesuiten um ein Gut angesprochen. Er verwies sie auf den Fürsten Lobkowitz. "Wie schreibt, ihr Herren", sagte dieser zu den Abgeordneten, "sieben mit drei Ziffern!" "Je nun", antworteten sie, "man setzt 4, 2, 1 und addirt." "Nun", sagte der Fürst; "also VII! Könnt ihr diese Ziffer deuten? " - "Nein." - "Seht", fuhr der Fürst fort, "Vngern, Iuda, Iesuiter u. s. w." (Witzfunken, IVa, 186.)

*5 Er ist nach Hungarn gezogen. - Sutor, 630.

Wortspiel zwischen Hungern und Ungarn, um zu sagen, er leidet Noth. (S. Aufgehen 7, Ausdreschen 2, Fertig 5, Strasburg 7.)


Ungarwein.

1 Der Ungarwein macht die Frauen schön und die Männer tapfer.

2 Nur Ungarwein ist rechter Wein.

Lat.: Nullum vinum nisi Hungaricum. (Hesekiel, 59.)

3 Wer Ungarwein trinkt, gibt Rheinwein wieder. - M. Ring, Verlorenes Geschlecht, V, 149.


Ungebeten.

1 Et es biäter ungebiäen as ungehoallen. (Iserlohn.) - Woeste, 79, 340.

Eine Zeche, zu der man gebeten wird.

2 Wer kompt vngebeten, der mag hinder die Thür treten. - Henisch, 1370, 28.

Holl.: De vngebeden kumpt, de moet achter der doer sytten. (Tunn., 10, 8.) - Die onghebeden tot hove comt, sit achter die dore.

Lat.: Assideat ianue non invitatus honeste. (Fallersleben, 268.) - Retro sedit ianum non invetatus ad aulam. - Subsidet ante fores non accersitus ad aulam. (Tunn., 353.)

3 Wer ungebeten zur Arbeit kommt, geht unbelohnt davon. - Eisenhart, 36; Pistor., II, 33; Eiselein, 609; Mayer, I, 77; Sutor, 416; Simrock, 6603.

Frz.: L'en ne doit homme servir malgre soy. (Leroux, I, 170.)

4 Wer vngebetten kompt, geht vngedanckt davon. - Lehmann, 128, 92.

Engl.: Profferd service stinks.

Frz.: Service offert n'agree guere. (Masson, 57.)

[Spaltenumbruch] It.: Servita offerta non e mai stimata. (Masson, 57.)

Lat.: Merx ultronea putet. (Masson, 57.)

Schwed.: Mangen sijker skalled. - Obedin til, gar otalked ifca. (Grubb, 555.)


Ungeblasen.

Ungeblasen, wird keinem etwas kalt.


Ungeboren.

1 Besser ungeboren als unerzogen (unbelehrt, oder: als ewig verloren). - Teller, 72.

2 Ungeboren - ungeschoren.

Holl.: Die ongeschonden wil zijn, moet ongeboren wezen. (Harrebomee, II, 135b.)


Ungebrüdet.

Ungebrüdet1 ist das Beste. (Holst.)

1) Unverworren, ungehudelt.


Ungedingt.

Wer ungedingt die Wiese mäht, unbezahlt von dannen geht.

Engl.: Who enters without contract, goes out without paying.


Ungeduld.

1 Ein Centner Ungeduld lindert das Kreuz nicht um ein Quentlein.

Lat.: In ruce se cruciat mage, qui se opponit eidem. (Binder II, 1416.)

2 Keine Ungeduld dämpft des Glückes Schuld.

3 Tausend Centner vngedult helffen im Creutz nicht ein härlein breit. - Henisch, 1409, 33.

4 Ungeduld hilft dem Kreuz nicht ab. - Simrock, 10645; Körte, 6137; Braun, I, 4652.

5 Ungeduld ist eine Erwürgerin der Freude, ein zweischneidiges Schwert den Seelen und eine Gebärerin der Verzweiflung.

Lat.: Impatiens animus, nec adhuc tractabilis arte, respuit, atque odie verba monuntis habet. (Chaos, 726.)

6 Ungeduld macht alles Uebel ärger.

Holl.: Ongeduld is zelfkwelling. (Harrebomee, II, 136a.)

7 Ungeduld sitzt immer mit den Füssen in glühenden Kohlen.

8 Vngeduld vnd Zorn machen alle Ding verworrn. - Lehmann, 923, 5; Ramann, II, Pred., I, 515.

9 Vngedult iagt ein andern vnd muss eben so streng lauffen alss der in hatz ist. - Lehmann, 241, 16.

10 Vngedult reut sich selbst aussm sattel. - Lehmann, 241, 17.

11 Vngedult richtet hader an. - Büttner, J7b.

12 Vngedult verschüttet alle Tugend. - Petri, II, 557; Simrock, 10646; Körte, 6138.

*13 Vor Ungeduld brennen.

Holl.: Hij brandt van ongeduld. (Harrebomee, II, 136a.)


Ungeduldig.

Wer vngedultig ist vnd missgläubig im hören, der ist schnel zu richten. - Lehmann, 674, 183.


Ungeduldiger.

1 Ein vngedultiger ist wie ein vnruh im Vhrwerck; er ruhet selbst nicht, vnd treibt ander vmb, dass sie nicht ruhig leben können. - Lehmann, 241, 14.

2 Ein vngedultiger wirdt seines Lebens nicht froh. - Henisch, 1411, 10.


Ungefähr.

1 Dat kommt nich von Ungefähr, dat komt von ganz wat anners här, säd de Dern, da harr se 'n dicken Bauk kregen. (Flensburg.) - Hoefer, 235; für Altmark: Danneil, 278; Schlingmann, 272.

2 Neisd kimd voann ongefähr, ed kimd alles von Godd här. (Trier.) - Laven, 187, 82; Firmenich, III, 547.

3 Nichts nicht kommt von ungefähr, alles kommt von etwas her. - Frischbier2, 3866.

*4 Das kommt nicht von ungefähr. - Klix, 114.

*5 Ungefähr, wie der Teufel die Pflaumen frass.

*6 Von ungefähr, wie die Predigermönche nach Diessenhofen auf die Kilbe kommen. - Simrock, 10640b.

So sagte man ehemals in Schaffhausen, wenn jemand mit allem Fleiss etwas that oder mit Vorsatz wohin ging und sich dann ausreden wollte, als wenn es zufällig geschehen wäre.

*7 Von ung'fähr wie d' Meitli zum Tanz und d' Chrämer z' Märt. - Sutermeister, 102.


[Spaltenumbruch] 5 Wenn mir der Ungar alles nimmt, den Wald kann er nicht mitnehmen.

„Das Waldesdunkel und die finstere Wassertiefe wird Le genannt. In Oesterreich scheint sonst ein Sprichwort gegolten zu haben, so lange die Einfälle der Ungarn das Land in Unruhe versetzten: Wenn mir der u. s. w. Dies drückt der Oesterreicher Siegfried Halbling (vgl. Haupt, IV, V. 13) in mehrfach anders gewandten Formeln aus: ›Sô mir die Ungar nement rĕ sô vert er jagen hin ze lê.‹“ (Vgl. Rochholz, Glaube, 88.)


Ungarn.

1 Ausser Ungarn ist kein Leben.

So sagt der Ungar; er gedenkt seines Vaterlandes immer mit dem Beiwort: süss; auch nennt er es wol seine durch Blut erworbene Heimat. (Vgl. Hungaria in parabolis u. s. w.) Wir Deutschen dagegen sagen: Es ist nicht weit her. (Allgem. Anzeiger der Deutschen, 1837, Nr. 7.) Das Sprichwort geht aber über die berechtigte Vaterlandsliebe hinaus und offenbart den Standpunkt einer beschränkten Anschauung, wie sie jener Ungar zeigte, der in der Buchhandlung einen Globus von Ungarn verlangte, oder neulich die ungarische Delegation, welche erklärte, dass der Durchgang der Venus keine gemeinsame Angelegenheit sei. (Vgl. Schles. Zeitung, 1871, Nr. 49.)

Lat.: Extra hungariam non est vita, si est vita, non est ita.

2 So viel in Ungarn Bärt' und Husaren, so viel in Augsburg Kaufmannswaaren, so viel in Wien man isst an Schnecken, so viel im Schwarzwald Prügel und Recken, so viel in Würtemberg Fässer und Wein: so vielmal gesegnet die Frau soll sein.

Es ist Marie Antoinette, die unglückliche Gemahlin Ludwig's XVI. von Frankreich gemeint. Als sie eben mit dem Kronprinzen von Frankreich, später Ludwig XVI., vermählt, 1770 ihren Brautzug nach Frankreich hielt, wurde sie überall festlich empfangen. Am 1. Mai übernachtete sie in dem schwäbischen Kloster Ober-Marchthal, wo ihr zu Ehren ein von dem damals berühmten schwäbischen Kanzelredner verfasstes Festspiel aufgeführt wurde, in welchem der obige Spruch vorkommt. (Vgl. Morgenblatt, Stuttgart 1857, S. 713.)

3 Ungarn ist der Kirchhof der Deutschen.Simrock, 10640a.

„Ungarn nennt man des deutschen Reichs Kirchhof.“ (Hesekiel, 59.)

4 Vngern, Juda, Jesuiter bringen den Kaiser um die Güter.

Der deutsche Kaiser wurde einst von den Jesuiten um ein Gut angesprochen. Er verwies sie auf den Fürsten Lobkowitz. „Wie schreibt, ihr Herren“, sagte dieser zu den Abgeordneten, „sieben mit drei Ziffern!“ „Je nun“, antworteten sie, „man setzt 4, 2, 1 und addirt.“ „Nun“, sagte der Fürst; „also VII! Könnt ihr diese Ziffer deuten? “ – „Nein.“ – „Seht“, fuhr der Fürst fort, „Vngern, Iuda, Iesuiter u. s. w.“ (Witzfunken, IVa, 186.)

*5 Er ist nach Hungarn gezogen.Sutor, 630.

Wortspiel zwischen Hungern und Ungarn, um zu sagen, er leidet Noth. (S. Aufgehen 7, Ausdreschen 2, Fertig 5, Strasburg 7.)


Ungarwein.

1 Der Ungarwein macht die Frauen schön und die Männer tapfer.

2 Nur Ungarwein ist rechter Wein.

Lat.: Nullum vinum nisi Hungaricum. (Hesekiel, 59.)

3 Wer Ungarwein trinkt, gibt Rheinwein wieder.M. Ring, Verlorenes Geschlecht, V, 149.


Ungebeten.

1 Et es biäter ungebiäen as ungehoallen. (Iserlohn.) – Woeste, 79, 340.

Eine Zeche, zu der man gebeten wird.

2 Wer kompt vngebeten, der mag hinder die Thür treten.Henisch, 1370, 28.

Holl.: De vngebeden kumpt, de moet achter der doer sytten. (Tunn., 10, 8.) – Die onghebeden tot hove comt, sit achter die dore.

Lat.: Assideat ianue non invitatus honeste. (Fallersleben, 268.) – Retro sedit ianum non invetatus ad aulam. – Subsidet ante fores non accersitus ad aulam. (Tunn., 353.)

3 Wer ungebeten zur Arbeit kommt, geht unbelohnt davon.Eisenhart, 36; Pistor., II, 33; Eiselein, 609; Mayer, I, 77; Sutor, 416; Simrock, 6603.

Frz.: L'en ne doit homme servir malgré soy. (Leroux, I, 170.)

4 Wer vngebetten kompt, geht vngedanckt davon.Lehmann, 128, 92.

Engl.: Profferd service stinks.

Frz.: Service offert n'agrée guere. (Masson, 57.)

[Spaltenumbruch] It.: Servità offerta non è mai stimata. (Masson, 57.)

Lat.: Merx ultronea putet. (Masson, 57.)

Schwed.: Mången sijker skalled. – Obedin til, går otalked ifca. (Grubb, 555.)


Ungeblasen.

Ungeblasen, wird keinem etwas kalt.


Ungeboren.

1 Besser ungeboren als unerzogen (unbelehrt, oder: als ewig verloren).Teller, 72.

2 Ungeboren – ungeschoren.

Holl.: Die ongeschonden wil zijn, moet ongeboren wezen. (Harrebomée, II, 135b.)


Ungebrüdet.

Ungebrüdet1 ist das Beste. (Holst.)

1) Unverworren, ungehudelt.


Ungedingt.

Wer ungedingt die Wiese mäht, unbezahlt von dannen geht.

Engl.: Who enters without contract, goes out without paying.


Ungeduld.

1 Ein Centner Ungeduld lindert das Kreuz nicht um ein Quentlein.

Lat.: In ruce se cruciat mage, qui se opponit eidem. (Binder II, 1416.)

2 Keine Ungeduld dämpft des Glückes Schuld.

3 Tausend Centner vngedult helffen im Creutz nicht ein härlein breit.Henisch, 1409, 33.

4 Ungeduld hilft dem Kreuz nicht ab.Simrock, 10645; Körte, 6137; Braun, I, 4652.

5 Ungeduld ist eine Erwürgerin der Freude, ein zweischneidiges Schwert den Seelen und eine Gebärerin der Verzweiflung.

Lat.: Impatiens animus, nec adhuc tractabilis arte, respuit, atque odie verba monuntis habet. (Chaos, 726.)

6 Ungeduld macht alles Uebel ärger.

Holl.: Ongeduld is zelfkwelling. (Harrebomée, II, 136a.)

7 Ungeduld sitzt immer mit den Füssen in glühenden Kohlen.

8 Vngeduld vnd Zorn machen alle Ding verworrn.Lehmann, 923, 5; Ramann, II, Pred., I, 515.

9 Vngedult iagt ein andern vnd muss eben so streng lauffen alss der in hatz ist.Lehmann, 241, 16.

10 Vngedult reut sich selbst aussm sattel.Lehmann, 241, 17.

11 Vngedult richtet hader an.Büttner, J7b.

12 Vngedult verschüttet alle Tugend.Petri, II, 557; Simrock, 10646; Körte, 6138.

*13 Vor Ungeduld brennen.

Holl.: Hij brandt van ongeduld. (Harrebomée, II, 136a.)


Ungeduldig.

Wer vngedultig ist vnd missgläubig im hören, der ist schnel zu richten.Lehmann, 674, 183.


Ungeduldiger.

1 Ein vngedultiger ist wie ein vnruh im Vhrwerck; er ruhet selbst nicht, vnd treibt ander vmb, dass sie nicht ruhig leben können.Lehmann, 241, 14.

2 Ein vngedultiger wirdt seines Lebens nicht froh.Henisch, 1411, 10.


Ungefähr.

1 Dat kommt nich von Ungefähr, dat komt von ganz wat anners här, säd de Dêrn, da harr se 'n dicken Bûk krêgen. (Flensburg.) – Hoefer, 235; für Altmark: Danneil, 278; Schlingmann, 272.

2 Neisd kimd voann ongefähr, ed kimd alles von Godd här. (Trier.) – Laven, 187, 82; Firmenich, III, 547.

3 Nichts nicht kommt von ungefähr, alles kommt von etwas her.Frischbier2, 3866.

*4 Das kommt nicht von ungefähr.Klix, 114.

*5 Ungefähr, wie der Teufel die Pflaumen frass.

*6 Von ungefähr, wie die Predigermönche nach Diessenhofen auf die Kilbe kommen.Simrock, 10640b.

So sagte man ehemals in Schaffhausen, wenn jemand mit allem Fleiss etwas that oder mit Vorsatz wohin ging und sich dann ausreden wollte, als wenn es zufällig geschehen wäre.

*7 Von ung'fähr wie d' Meitli zum Tanz und d' Chrämer z' Märt.Sutermeister, 102.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger"><pb facs="#f0721" n="[715]"/><cb n="1429"/>
5 Wenn mir der Ungar alles nimmt, den Wald kann er nicht mitnehmen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">&#x201E;Das Waldesdunkel und die finstere Wassertiefe wird Le genannt. In Oesterreich scheint sonst ein Sprichwort gegolten zu haben, so lange die Einfälle der Ungarn das Land in Unruhe versetzten: Wenn mir der u. s. w. Dies drückt der Oesterreicher <hi rendition="#i">Siegfried Halbling (vgl. Haupt, IV, V. 13)</hi> in mehrfach anders gewandten Formeln aus: &#x203A;Sô mir die Ungar nement r&#x0115; sô vert er jagen hin ze lê.&#x2039;&#x201C; (Vgl. <hi rendition="#i">Rochholz, Glaube, 88.)</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungarn.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 Ausser Ungarn ist kein Leben.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">So sagt der Ungar; er gedenkt seines Vaterlandes immer mit dem Beiwort: süss; auch nennt er es wol seine durch Blut erworbene Heimat. (Vgl. <hi rendition="#i">Hungaria in parabolis u. s. w.)</hi> Wir Deutschen dagegen sagen: Es ist nicht weit her. (<hi rendition="#i">Allgem. Anzeiger der Deutschen, 1837, Nr. 7.</hi>) Das Sprichwort geht aber über die berechtigte Vaterlandsliebe hinaus und offenbart den Standpunkt einer beschränkten Anschauung, wie sie jener Ungar zeigte, der in der Buchhandlung einen Globus von Ungarn verlangte, oder neulich die ungarische Delegation, welche erklärte, dass der Durchgang der Venus keine gemeinsame Angelegenheit sei. (Vgl. <hi rendition="#i">Schles. Zeitung, 1871, Nr. 49.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Extra hungariam non est vita, si est vita, non est ita.</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 So viel in Ungarn Bärt' und Husaren, so viel in Augsburg Kaufmannswaaren, so viel in Wien man isst an Schnecken, so viel im Schwarzwald Prügel und Recken, so viel in Würtemberg Fässer und Wein: so vielmal gesegnet die Frau soll sein.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Es ist Marie Antoinette, die unglückliche Gemahlin Ludwig's XVI. von Frankreich gemeint. Als sie eben mit dem Kronprinzen von Frankreich, später Ludwig XVI., vermählt, 1770 ihren Brautzug nach Frankreich hielt, wurde sie überall festlich empfangen. Am 1. Mai übernachtete sie in dem schwäbischen Kloster Ober-Marchthal, wo ihr zu Ehren ein von dem damals berühmten schwäbischen Kanzelredner verfasstes Festspiel aufgeführt wurde, in welchem der obige Spruch vorkommt. (Vgl. <hi rendition="#i">Morgenblatt, Stuttgart 1857, S. 713.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Ungarn ist der Kirchhof der Deutschen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Simrock, 10640<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">&#x201E;Ungarn nennt man des deutschen Reichs Kirchhof.&#x201C; (<hi rendition="#i">Hesekiel, 59.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">4 Vngern, Juda, Jesuiter bringen den Kaiser um die Güter.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Der deutsche Kaiser wurde einst von den Jesuiten um ein Gut angesprochen. Er verwies sie auf den Fürsten Lobkowitz. &#x201E;Wie schreibt, ihr Herren&#x201C;, sagte dieser zu den Abgeordneten, &#x201E;sieben mit drei Ziffern!&#x201C; &#x201E;Je nun&#x201C;, antworteten sie, &#x201E;man setzt 4, 2, 1 und addirt.&#x201C; &#x201E;Nun&#x201C;, sagte der Fürst; &#x201E;also VII! Könnt ihr diese Ziffer deuten? &#x201C; &#x2013; &#x201E;Nein.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Seht&#x201C;, fuhr der Fürst fort, &#x201E;Vngern, Iuda, Iesuiter u. s. w.&#x201C; (<hi rendition="#i">Witzfunken, IV<hi rendition="#sup">a</hi>, 186.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*5 Er ist nach Hungarn gezogen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Sutor, 630.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Wortspiel zwischen Hungern und Ungarn, um zu sagen, er leidet Noth. (S.  Aufgehen 7,  Ausdreschen 2,  Fertig 5,  Strasburg 7.)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungarwein.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 Der Ungarwein macht die Frauen schön und die Männer tapfer.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 Nur Ungarwein ist rechter Wein.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Nullum vinum nisi Hungaricum. (<hi rendition="#i">Hesekiel, 59.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Wer Ungarwein trinkt, gibt Rheinwein wieder.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">M. Ring, Verlorenes Geschlecht, V, 149.</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungebeten.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Et es biäter ungebiäen as ungehoallen.</hi> (<hi rendition="#i">Iserlohn.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Woeste, 79, 340.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Eine Zeche, zu der man gebeten wird.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Wer kompt vngebeten, der mag hinder die Thür treten.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Henisch, 1370, 28.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: De vngebeden kumpt, de moet achter der doer sytten. (<hi rendition="#i">Tunn., 10, 8.</hi>) &#x2013; Die onghebeden tot hove comt, sit achter die dore.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Assideat ianue non invitatus honeste. (<hi rendition="#i">Fallersleben, 268.</hi>) &#x2013; Retro sedit ianum non invetatus ad aulam. &#x2013; Subsidet ante fores non accersitus ad aulam. (<hi rendition="#i">Tunn., 353.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Wer ungebeten zur Arbeit kommt, geht unbelohnt davon.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Eisenhart, 36; Pistor., II, 33; Eiselein, 609; Mayer, I, 77; Sutor, 416; Simrock, 6603.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Frz.</hi>: L'en ne doit homme servir malgré soy. (<hi rendition="#i">Leroux, I, 170.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">4 Wer vngebetten kompt, geht vngedanckt davon.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 128, 92.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Engl.</hi>: Profferd service stinks.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Frz.</hi>: Service offert n'agrée guere. (<hi rendition="#i">Masson, 57.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i"><cb n="1430"/>
It.</hi>: Servità offerta non è mai stimata. (<hi rendition="#i">Masson, 57.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Merx ultronea putet. (<hi rendition="#i">Masson, 57.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Schwed.</hi>: Mången sijker skalled. &#x2013; Obedin til, går otalked ifca. (<hi rendition="#i">Grubb, 555.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungeblasen.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Ungeblasen, wird keinem etwas kalt.</hi> </p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungeboren.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Besser ungeboren als unerzogen (unbelehrt, oder: als ewig verloren).</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Teller, 72.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 Ungeboren &#x2013; ungeschoren.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Die ongeschonden wil zijn, moet ongeboren wezen. (<hi rendition="#i">Harrebomée, II, 135<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungebrüdet.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Ungebrüdet<hi rendition="#sup">1</hi> ist das Beste.</hi> (<hi rendition="#i">Holst.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#sup">1</hi>) Unverworren, ungehudelt.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungedingt.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Wer ungedingt die Wiese mäht, unbezahlt von dannen geht.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Engl.</hi>: Who enters without contract, goes out without paying.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungeduld.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 Ein Centner Ungeduld lindert das Kreuz nicht um ein Quentlein.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: In ruce se cruciat mage, qui se opponit eidem. (<hi rendition="#i">Binder II, 1416.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 Keine Ungeduld dämpft des Glückes Schuld.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Tausend Centner vngedult helffen im Creutz nicht ein härlein breit.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Henisch, 1409, 33.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">4 Ungeduld hilft dem Kreuz nicht ab.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Simrock, 10645; Körte, 6137; Braun, I, 4652.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">5 Ungeduld ist eine Erwürgerin der Freude, ein zweischneidiges Schwert den Seelen und eine Gebärerin der Verzweiflung.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Impatiens animus, nec adhuc tractabilis arte, respuit, atque odie verba monuntis habet. (<hi rendition="#i">Chaos, 726.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">6 Ungeduld macht alles Uebel ärger.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Ongeduld is zelfkwelling. (<hi rendition="#i">Harrebomée, II, 136<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">7 Ungeduld sitzt immer mit den Füssen in glühenden Kohlen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">8 Vngeduld vnd Zorn machen alle Ding verworrn.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 923, 5; Ramann, II, Pred., I, 515.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">9 Vngedult iagt ein andern vnd muss eben so streng lauffen alss der in hatz ist.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 241, 16.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">10 Vngedult reut sich selbst aussm sattel.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 241, 17.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">11 Vngedult richtet hader an.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Büttner, J7<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">12 Vngedult verschüttet alle Tugend.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Petri, II, 557; Simrock, 10646; Körte, 6138.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">*13 Vor Ungeduld brennen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Hij brandt van ongeduld. (<hi rendition="#i">Harrebomée, II, 136<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungeduldig.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Wer vngedultig ist vnd missgläubig im hören, der ist schnel zu richten.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 674, 183.</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungeduldiger.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Ein vngedultiger ist wie ein vnruh im Vhrwerck; er ruhet selbst nicht, vnd treibt ander vmb, dass sie nicht ruhig leben können.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 241, 14.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Ein vngedultiger wirdt seines Lebens nicht froh.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Henisch, 1411, 10.</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Ungefähr.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Dat kommt nich von Ungefähr, dat komt von ganz wat anners här, säd de Dêrn, da harr se 'n dicken Bûk krêgen.</hi> (<hi rendition="#i">Flensburg.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Hoefer, 235;</hi> für Altmark: <hi rendition="#i">Danneil, 278; Schlingmann, 272.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Neisd kimd voann ongefähr, ed kimd alles von Godd här.</hi> (<hi rendition="#i">Trier.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Laven, 187, 82; Firmenich, III, 547.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Nichts nicht kommt von ungefähr, alles kommt von etwas her.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 3866.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*4 Das kommt nicht von ungefähr.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Klix, 114.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">*5 Ungefähr, wie der Teufel die Pflaumen frass.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*6 Von ungefähr, wie die Predigermönche nach Diessenhofen auf die Kilbe kommen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Simrock, 10640<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">So sagte man ehemals in Schaffhausen, wenn jemand mit allem Fleiss etwas that oder mit Vorsatz wohin ging und sich dann ausreden wollte, als wenn es zufällig geschehen wäre.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*7 Von ung'fähr wie d' Meitli zum Tanz und d' Chrämer z' Märt.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Sutermeister, 102.</hi></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[715]/0721] 5 Wenn mir der Ungar alles nimmt, den Wald kann er nicht mitnehmen. „Das Waldesdunkel und die finstere Wassertiefe wird Le genannt. In Oesterreich scheint sonst ein Sprichwort gegolten zu haben, so lange die Einfälle der Ungarn das Land in Unruhe versetzten: Wenn mir der u. s. w. Dies drückt der Oesterreicher Siegfried Halbling (vgl. Haupt, IV, V. 13) in mehrfach anders gewandten Formeln aus: ›Sô mir die Ungar nement rĕ sô vert er jagen hin ze lê.‹“ (Vgl. Rochholz, Glaube, 88.) Ungarn. 1 Ausser Ungarn ist kein Leben. So sagt der Ungar; er gedenkt seines Vaterlandes immer mit dem Beiwort: süss; auch nennt er es wol seine durch Blut erworbene Heimat. (Vgl. Hungaria in parabolis u. s. w.) Wir Deutschen dagegen sagen: Es ist nicht weit her. (Allgem. Anzeiger der Deutschen, 1837, Nr. 7.) Das Sprichwort geht aber über die berechtigte Vaterlandsliebe hinaus und offenbart den Standpunkt einer beschränkten Anschauung, wie sie jener Ungar zeigte, der in der Buchhandlung einen Globus von Ungarn verlangte, oder neulich die ungarische Delegation, welche erklärte, dass der Durchgang der Venus keine gemeinsame Angelegenheit sei. (Vgl. Schles. Zeitung, 1871, Nr. 49.) Lat.: Extra hungariam non est vita, si est vita, non est ita. 2 So viel in Ungarn Bärt' und Husaren, so viel in Augsburg Kaufmannswaaren, so viel in Wien man isst an Schnecken, so viel im Schwarzwald Prügel und Recken, so viel in Würtemberg Fässer und Wein: so vielmal gesegnet die Frau soll sein. Es ist Marie Antoinette, die unglückliche Gemahlin Ludwig's XVI. von Frankreich gemeint. Als sie eben mit dem Kronprinzen von Frankreich, später Ludwig XVI., vermählt, 1770 ihren Brautzug nach Frankreich hielt, wurde sie überall festlich empfangen. Am 1. Mai übernachtete sie in dem schwäbischen Kloster Ober-Marchthal, wo ihr zu Ehren ein von dem damals berühmten schwäbischen Kanzelredner verfasstes Festspiel aufgeführt wurde, in welchem der obige Spruch vorkommt. (Vgl. Morgenblatt, Stuttgart 1857, S. 713.) 3 Ungarn ist der Kirchhof der Deutschen. – Simrock, 10640a. „Ungarn nennt man des deutschen Reichs Kirchhof.“ (Hesekiel, 59.) 4 Vngern, Juda, Jesuiter bringen den Kaiser um die Güter. Der deutsche Kaiser wurde einst von den Jesuiten um ein Gut angesprochen. Er verwies sie auf den Fürsten Lobkowitz. „Wie schreibt, ihr Herren“, sagte dieser zu den Abgeordneten, „sieben mit drei Ziffern!“ „Je nun“, antworteten sie, „man setzt 4, 2, 1 und addirt.“ „Nun“, sagte der Fürst; „also VII! Könnt ihr diese Ziffer deuten? “ – „Nein.“ – „Seht“, fuhr der Fürst fort, „Vngern, Iuda, Iesuiter u. s. w.“ (Witzfunken, IVa, 186.) *5 Er ist nach Hungarn gezogen. – Sutor, 630. Wortspiel zwischen Hungern und Ungarn, um zu sagen, er leidet Noth. (S. Aufgehen 7, Ausdreschen 2, Fertig 5, Strasburg 7.) Ungarwein. 1 Der Ungarwein macht die Frauen schön und die Männer tapfer. 2 Nur Ungarwein ist rechter Wein. Lat.: Nullum vinum nisi Hungaricum. (Hesekiel, 59.) 3 Wer Ungarwein trinkt, gibt Rheinwein wieder. – M. Ring, Verlorenes Geschlecht, V, 149. Ungebeten. 1 Et es biäter ungebiäen as ungehoallen. (Iserlohn.) – Woeste, 79, 340. Eine Zeche, zu der man gebeten wird. 2 Wer kompt vngebeten, der mag hinder die Thür treten. – Henisch, 1370, 28. Holl.: De vngebeden kumpt, de moet achter der doer sytten. (Tunn., 10, 8.) – Die onghebeden tot hove comt, sit achter die dore. Lat.: Assideat ianue non invitatus honeste. (Fallersleben, 268.) – Retro sedit ianum non invetatus ad aulam. – Subsidet ante fores non accersitus ad aulam. (Tunn., 353.) 3 Wer ungebeten zur Arbeit kommt, geht unbelohnt davon. – Eisenhart, 36; Pistor., II, 33; Eiselein, 609; Mayer, I, 77; Sutor, 416; Simrock, 6603. Frz.: L'en ne doit homme servir malgré soy. (Leroux, I, 170.) 4 Wer vngebetten kompt, geht vngedanckt davon. – Lehmann, 128, 92. Engl.: Profferd service stinks. Frz.: Service offert n'agrée guere. (Masson, 57.) It.: Servità offerta non è mai stimata. (Masson, 57.) Lat.: Merx ultronea putet. (Masson, 57.) Schwed.: Mången sijker skalled. – Obedin til, går otalked ifca. (Grubb, 555.) Ungeblasen. Ungeblasen, wird keinem etwas kalt. Ungeboren. 1 Besser ungeboren als unerzogen (unbelehrt, oder: als ewig verloren). – Teller, 72. 2 Ungeboren – ungeschoren. Holl.: Die ongeschonden wil zijn, moet ongeboren wezen. (Harrebomée, II, 135b.) Ungebrüdet. Ungebrüdet1 ist das Beste. (Holst.) 1) Unverworren, ungehudelt. Ungedingt. Wer ungedingt die Wiese mäht, unbezahlt von dannen geht. Engl.: Who enters without contract, goes out without paying. Ungeduld. 1 Ein Centner Ungeduld lindert das Kreuz nicht um ein Quentlein. Lat.: In ruce se cruciat mage, qui se opponit eidem. (Binder II, 1416.) 2 Keine Ungeduld dämpft des Glückes Schuld. 3 Tausend Centner vngedult helffen im Creutz nicht ein härlein breit. – Henisch, 1409, 33. 4 Ungeduld hilft dem Kreuz nicht ab. – Simrock, 10645; Körte, 6137; Braun, I, 4652. 5 Ungeduld ist eine Erwürgerin der Freude, ein zweischneidiges Schwert den Seelen und eine Gebärerin der Verzweiflung. Lat.: Impatiens animus, nec adhuc tractabilis arte, respuit, atque odie verba monuntis habet. (Chaos, 726.) 6 Ungeduld macht alles Uebel ärger. Holl.: Ongeduld is zelfkwelling. (Harrebomée, II, 136a.) 7 Ungeduld sitzt immer mit den Füssen in glühenden Kohlen. 8 Vngeduld vnd Zorn machen alle Ding verworrn. – Lehmann, 923, 5; Ramann, II, Pred., I, 515. 9 Vngedult iagt ein andern vnd muss eben so streng lauffen alss der in hatz ist. – Lehmann, 241, 16. 10 Vngedult reut sich selbst aussm sattel. – Lehmann, 241, 17. 11 Vngedult richtet hader an. – Büttner, J7b. 12 Vngedult verschüttet alle Tugend. – Petri, II, 557; Simrock, 10646; Körte, 6138. *13 Vor Ungeduld brennen. Holl.: Hij brandt van ongeduld. (Harrebomée, II, 136a.) Ungeduldig. Wer vngedultig ist vnd missgläubig im hören, der ist schnel zu richten. – Lehmann, 674, 183. Ungeduldiger. 1 Ein vngedultiger ist wie ein vnruh im Vhrwerck; er ruhet selbst nicht, vnd treibt ander vmb, dass sie nicht ruhig leben können. – Lehmann, 241, 14. 2 Ein vngedultiger wirdt seines Lebens nicht froh. – Henisch, 1411, 10. Ungefähr. 1 Dat kommt nich von Ungefähr, dat komt von ganz wat anners här, säd de Dêrn, da harr se 'n dicken Bûk krêgen. (Flensburg.) – Hoefer, 235; für Altmark: Danneil, 278; Schlingmann, 272. 2 Neisd kimd voann ongefähr, ed kimd alles von Godd här. (Trier.) – Laven, 187, 82; Firmenich, III, 547. 3 Nichts nicht kommt von ungefähr, alles kommt von etwas her. – Frischbier2, 3866. *4 Das kommt nicht von ungefähr. – Klix, 114. *5 Ungefähr, wie der Teufel die Pflaumen frass. *6 Von ungefähr, wie die Predigermönche nach Diessenhofen auf die Kilbe kommen. – Simrock, 10640b. So sagte man ehemals in Schaffhausen, wenn jemand mit allem Fleiss etwas that oder mit Vorsatz wohin ging und sich dann ausreden wollte, als wenn es zufällig geschehen wäre. *7 Von ung'fähr wie d' Meitli zum Tanz und d' Chrämer z' Märt. – Sutermeister, 102.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-18T08:39:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-18T08:39:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/721
Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [715]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/721>, abgerufen am 21.11.2024.