Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.[Spaltenumbruch] wie folgt: "Ein thüringischer Bauer hat einen Hering gekauft, selbigen bis auf das Haupt und Bessttheil beim Bier verzehrt, die Nase oder den Kopf aber den um den Tisch sitzenden Zechgenossen zum Lecken gegeben, damit ihnen das Bier besser schmecken solle. Danach hat der Bauer die Heringsnase wieder eingesteckt, und zu Hause seinem Gesinde einige Suppen davon machen lassen. Der sonach durch die genannten Vorgänge sehr mitgenommene Hering hat sein Schicksal aber noch nicht ganz überstanden. Der Bauer soll nämlich denselben Heringskopf, so oft er wieder zu Bier gegangen, in der Tasche bei sich gehabt, ehe er getrunken, wieder daran geleckt, und infolge seines Beispiels unter den Nachbarn viele Anhänger seiner Weise, den Hering zu verwenden, gefunden haben." - Es ist in die Augen springend, dass damit nur die bekannte Sparsamkeit der Thüringer verspottet werden soll. (Vgl. Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Thüringen u. s. w. in der Zeitung für die eleg. Welt, 1824, Nr. 128-132.) Der Heringswitz ist übrigens schon zu Luther's Zeiten in vollem Schwange gewesen, denn in der Thüringer Landschronik werden Corvinus und Schleder als Gewährsmänner dieses Sprichworts angeführt. Letzterer sagt unter anderm: "Thuringos halecibus, iisdemque vel parie admodum uti vulgare et protitum testatur proverbium." Und an einem andern Orte habe ich den Vers gefunden: "Halec assatum Thuringis est bene gratum de solo capite feciunt sibi fercula quinque." (S. Thier 99.) Thürlein. *1 Einem das hintere Thürl offen lassen. (Niederösterreich.) Ihn verächtlich behandeln. Bewirbt sich z. B. ein junger Mann um ein Mädchen, und sie zieht einen andern vor, so hat sie ihm das hinter Thürl offen gelassen. *2 Hinter das Thürlein treten. - Luther's Tischr., 148a. Zurücktreten, sein Recht andern überlassen. Thurm. 1 An (auf) hohen Thürmen wehen oft starke Winde. Holl.: Bij hooge torens waaijen veeltijds groote winden. (Harrebomee, II, 340a.) 2 Der Thurm zu Cremona hat nicht seinesgleichen. - Hesekiel, 34. 3 Einen Thurm ohne Dach bis zur Stund', ein Haus (Schloss) ohne Rost und Grund, ohne Damm und Wall einen Teich hat nur Kaaden im ganzen Reich. - Egerbote, 1875, Nr. 63. In einer humoristischen Vorlesung (lithographirtes Manuscript), die der durch seine national-ökonomischen Schriften bekannte Dr. Stamm am 25. März 1852 im Schiesshaussaale zu Kaadan (einer böhmischen, jetzt gewöhnlich Kaaden geschriebenen Stadt) zum Besten der Begründung eines Waisenhauses im kaadaner Elisabethiner Kloster veranstalteten musikalisch-deklamatorischen Akademie gehalten hat, heisst es in Bezug auf das obige Sprichwort: "Bisjetzt hat Kaadan diese drei Merkwürdigkeiten; und jeder der sein Getreide, seinen Process, seine Vergehen, seine Steuern oder seine Sünden hierher bringt, dem zeigt man das Rathhaus, die Kaserne und drüben eine Himmelsgegend und sagt: Das sind die drei Merkwürdigkeiten ohne Dach, Grund und Spund." Nach Dr. Stamm's weiterer Ausführung schütteln die Fremden darüber gewöhnlich ungläubig den Kopf und meinen, die Kaadaner wollen ihnen Räthsel zu lösen aufgeben, da ja der Rathhausthurm sein Dach, die Kaserne (Schloss) ihren Grund, der Teich seinen Grund habe. Dr. Stamm löst nun im Weitern vor seinen Zuhörern das Räthsel in der Weise, dass er unter dem Thurm ohne Dach (collectiv aufgefasst) die ausserhalb der Stadt befindlichen, "unzerstörbaren ewigen Thürme", den Goldberg, den Heiligenberg, den Spitzingberg und den breitschulterigen Riesen, den Purberg, unter dem "Schloss ohne Grund" die Luftschlösser (der Kaadaner) unter dem "Teich ohne Damm" (Spund), das Auge voll Thränen verstanden wissen wollen, erinnert zum Schluss daran, dass die Kaadaner diesem Teiche einen Damm gebaut (Stillung der Waisenthränen) durch Errichtung eines Waisenhauses und beglückwünscht sie dazu als zur vierten und schönsten Merkwürdigkeit der Stadt. 4 Es ist nit loblich eim turn, dass er steiff stot, da em keine Darnsbüchs1 daran gericht ist gewesen. - Alsatia, 1862-67, 438. 1) Ein Belagerungsgeschütz, von Darras, Tarras Wall. 5 Grosse hohe Thürn seynd von geringen schlechten Steinen gebawet. - Lehmann, 269, 66. 6 Grosse Thürme sieht man bald. 7 Hoche thürn fallen hart. - Franck, I, 68a; Lehmann, II, 267, 82. Lat.: Excelsis multo facilius casus nocet. (Franck, I, 68a.) 8 Hohe Thürme fallen leicht ein. Dän.: Hög gjerning hög fare. - Högt verk er snart a gaae paa. (Prov. dan., 229.) Lat.: Non sine periculo facinus magnum et memorabile. (Terenz.) [Spaltenumbruch] 9 Hohe Thürme trifft der Blitz am ersten. - Parömiakon, 101. Auch russisch Altmann VI, 426. Gefahren hoher Stellungen und grossen Glücks. Dän.: Paa höyeste taarn og slotte treffer allersnarest torden. (Prov. dan., 551.) Lat.: Feriunt summos fulmina montes. (Horaz.) (Binder I, 540; II, 1124; Philippi, I, 154.) 10 Im Thurm gebührt sich die Rechtfertigung. - Graf, 445, 402. Auch wenn ein Gut besetzt (vom Gericht mit Beschlag belegt) und der Eigenthümer "in des Kaisers Finsternis" (Gefängniss) gebracht worden war, war ein auf zweiseitiges Gehör gegründetes Verfahren nothwendig, einerseits zur Rechtfertigung des Kummers (der Beschlagnahme), andererseits zur Durchführung des Rechtsstreits. Mhd.: In dem thurn gepurt sich die rechtfertigung. (Grimm, Weisth., II, 426.) 11 In hohe Thürme schlägt es gern. Dän.: Fast borg, stor sorg. - Höge taarne slaaes af torden snarest. (Prov. dan., 83.) Lat.: Saepe ferit Jupiter sublimae fulmine montes. (Chaos, 981, 107.) 12 Je höher der Thurm, je näher beim Wetter. - Chaos, 980, 99; Winckler, XX, 41. 13 Je höher ein Thurm, desto enger (spitzer). - Parömiakon, 1917. 14 Läwer sal der greiss Torn ämfalen wä en Flasch vol Weinj. (Siebenbürg.-sächs.) - Schuster, 317. 15 Thürme misst man nach ihrem Schatten, grosse Menschen nach ihren Neidern. - Cibot, 166. 16 Vor alten Thürmen soll man sich neigen. 17 Wenn der Thorn niedergeworffen, so läufft jedermann vber hin. - Petri, II, 639. 18 Wenn ein Thurm fällt, entsteht viel Staub. In Aegypten sagt man, um auszudrücken, dass der Fall einer hohen Person selbst in seinen entfernten Wirkungen und Folgen zu fürchten sei: Der Pharus von Alexandrien ist nun gefallen. Gott bewahre uns, sagten sie, vor dem blossen Staube desselben. (Burckhardt, 720.) 19 Wenn ein Thurm fällt, so ist es immer noch ein Thurm, und wenn ein Misthaufen steigt, so bleibt es ein Misthaufen. 20 Wer auf dem Thurme ist, muss wieder herabsteigen. 21 Wer bei einem Thurme wohnt, muss sich das Läuten gefallen lassen. Holl.: Die bij torens woont, moet hooren klok-luiden. (Harrebomee, II, 341a.) 22 Wer einen einfallenden Thurm will helffen erhalten, der wird drunter erschlagen. "Also wer Herrn will helfen, die im fall seind, der muss mit jhnen verderben." 23 Wer einen Thurm bauen will, muss erst fragen, was er kostet. Holl.: Wie een' toren wil bouwen, die berekene eerst de kosten. (Harrebomee, II, 341a.) 24 Wer eines hohen Thurn dach decken vnd bessern soll, der ist in grosser gefahr. - Lehmann, 794, 4. 25 Wer im Thurm sitzt, der hat immer Winter. - Altmann VI, 386. *26 Auf einen solchen Thurm gehört ein solcher Knopf (oder gehören solche Glocken). - Parömiakon, 1686. *27 Der Thurm Sanct-Gereon's soll ihn schlagen. Die Sonne soll ihn nicht bescheinen. Er soll ins Gefängniss kommen. Im Mittelalter gab es bis nahe zu dessen Ende keine besondern Gefängnissgebäude wie jetzt; man benutzte dafür die vielen zur Vertheidigung bestimmten Thürme einer Stadt, um Leute in Haft zu bringen. Man nannte das Verhaften daher auch "thurmen" oder "auf den Thurm bringen". Anstatt des Wortes Thurm war auch das Wort Schloss für Gefängniss gebräuchlich. Auch kommen Käfig und Loch in diesem Sinne vor, wie man ebenso den Wörtern Stockhaus und Block in Betreff der Festhaltung von Gefangenen begegnet. (Vgl. G. L. Kriegk, Deutsches Bürgerthum in Mittelalter, Frankfurt a. M.) *28 Einem den Thurm zeigen. (Baiern.) - Klein, II, 189. Ihn mit beiden Händen am Kopf in die Höhe heben. *29 Er baut einen Thurm auf Sand. Holl.: Hij bouwt (timmert) een toren op het sand. (Harrebomee, II, 341a.) *30 Er baut keinen Thurm. - Sailer, 300.
[Spaltenumbruch] wie folgt: „Ein thüringischer Bauer hat einen Hering gekauft, selbigen bis auf das Haupt und Bessttheil beim Bier verzehrt, die Nase oder den Kopf aber den um den Tisch sitzenden Zechgenossen zum Lecken gegeben, damit ihnen das Bier besser schmecken solle. Danach hat der Bauer die Heringsnase wieder eingesteckt, und zu Hause seinem Gesinde einige Suppen davon machen lassen. Der sonach durch die genannten Vorgänge sehr mitgenommene Hering hat sein Schicksal aber noch nicht ganz überstanden. Der Bauer soll nämlich denselben Heringskopf, so oft er wieder zu Bier gegangen, in der Tasche bei sich gehabt, ehe er getrunken, wieder daran geleckt, und infolge seines Beispiels unter den Nachbarn viele Anhänger seiner Weise, den Hering zu verwenden, gefunden haben.“ – Es ist in die Augen springend, dass damit nur die bekannte Sparsamkeit der Thüringer verspottet werden soll. (Vgl. Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Thüringen u. s. w. in der Zeitung für die eleg. Welt, 1824, Nr. 128-132.) Der Heringswitz ist übrigens schon zu Luther's Zeiten in vollem Schwange gewesen, denn in der Thüringer Landschronik werden Corvinus und Schleder als Gewährsmänner dieses Sprichworts angeführt. Letzterer sagt unter anderm: „Thuringos halecibus, iisdemque vel parie admodum uti vulgare et protitum testatur proverbium.“ Und an einem andern Orte habe ich den Vers gefunden: „Halec assatum Thuringis est bene gratum de solo capite feciunt sibi fercula quinque.“ (S. Thier 99.) Thürlein. *1 Einem das hintere Thürl offen lassen. (Niederösterreich.) Ihn verächtlich behandeln. Bewirbt sich z. B. ein junger Mann um ein Mädchen, und sie zieht einen andern vor, so hat sie ihm das hinter Thürl offen gelassen. *2 Hinter das Thürlein treten. – Luther's Tischr., 148a. Zurücktreten, sein Recht andern überlassen. Thurm. 1 An (auf) hohen Thürmen wehen oft starke Winde. Holl.: Bij hooge torens waaijen veeltijds groote winden. (Harrebomée, II, 340a.) 2 Der Thurm zu Cremona hat nicht seinesgleichen. – Hesekiel, 34. 3 Einen Thurm ohne Dach bis zur Stund', ein Haus (Schloss) ohne Rost und Grund, ohne Damm und Wall einen Teich hat nur Kaaden im ganzen Reich. – Egerbote, 1875, Nr. 63. In einer humoristischen Vorlesung (lithographirtes Manuscript), die der durch seine national-ökonomischen Schriften bekannte Dr. Stamm am 25. März 1852 im Schiesshaussaale zu Kaadan (einer böhmischen, jetzt gewöhnlich Kaaden geschriebenen Stadt) zum Besten der Begründung eines Waisenhauses im kaadaner Elisabethiner Kloster veranstalteten musikalisch-deklamatorischen Akademie gehalten hat, heisst es in Bezug auf das obige Sprichwort: „Bisjetzt hat Kaadan diese drei Merkwürdigkeiten; und jeder der sein Getreide, seinen Process, seine Vergehen, seine Steuern oder seine Sünden hierher bringt, dem zeigt man das Rathhaus, die Kaserne und drüben eine Himmelsgegend und sagt: Das sind die drei Merkwürdigkeiten ohne Dach, Grund und Spund.“ Nach Dr. Stamm's weiterer Ausführung schütteln die Fremden darüber gewöhnlich ungläubig den Kopf und meinen, die Kaadaner wollen ihnen Räthsel zu lösen aufgeben, da ja der Rathhausthurm sein Dach, die Kaserne (Schloss) ihren Grund, der Teich seinen Grund habe. Dr. Stamm löst nun im Weitern vor seinen Zuhörern das Räthsel in der Weise, dass er unter dem Thurm ohne Dach (collectiv aufgefasst) die ausserhalb der Stadt befindlichen, „unzerstörbaren ewigen Thürme“, den Goldberg, den Heiligenberg, den Spitzingberg und den breitschulterigen Riesen, den Purberg, unter dem „Schloss ohne Grund“ die Luftschlösser (der Kaadaner) unter dem „Teich ohne Damm“ (Spund), das Auge voll Thränen verstanden wissen wollen, erinnert zum Schluss daran, dass die Kaadaner diesem Teiche einen Damm gebaut (Stillung der Waisenthränen) durch Errichtung eines Waisenhauses und beglückwünscht sie dazu als zur vierten und schönsten Merkwürdigkeit der Stadt. 4 Es ist nit loblich eim turn, dass er steiff stot, da em keine Darnsbüchs1 daran gericht ist gewesen. – Alsatia, 1862-67, 438. 1) Ein Belagerungsgeschütz, von Darras, Tarras Wall. 5 Grosse hohe Thürn seynd von geringen schlechten Steinen gebawet. – Lehmann, 269, 66. 6 Grosse Thürme sieht man bald. 7 Hoche thürn fallen hart. – Franck, I, 68a; Lehmann, II, 267, 82. Lat.: Excelsis multo facilius casus nocet. (Franck, I, 68a.) 8 Hohe Thürme fallen leicht ein. Dän.: Høg gjerning høg fare. – Høgt verk er snart a gaae paa. (Prov. dan., 229.) Lat.: Non sine periculo facinus magnum et memorabile. (Terenz.) [Spaltenumbruch] 9 Hohe Thürme trifft der Blitz am ersten. – Parömiakon, 101. Auch russisch Altmann VI, 426. Gefahren hoher Stellungen und grossen Glücks. Dän.: Paa høyeste taarn og slotte treffer allersnarest torden. (Prov. dan., 551.) Lat.: Feriunt summos fulmina montes. (Horaz.) (Binder I, 540; II, 1124; Philippi, I, 154.) 10 Im Thurm gebührt sich die Rechtfertigung. – Graf, 445, 402. Auch wenn ein Gut besetzt (vom Gericht mit Beschlag belegt) und der Eigenthümer „in des Kaisers Finsternis“ (Gefängniss) gebracht worden war, war ein auf zweiseitiges Gehör gegründetes Verfahren nothwendig, einerseits zur Rechtfertigung des Kummers (der Beschlagnahme), andererseits zur Durchführung des Rechtsstreits. Mhd.: In dem thurn gepurt sich die rechtfertigung. (Grimm, Weisth., II, 426.) 11 In hohe Thürme schlägt es gern. Dän.: Fast borg, stor sorg. – Høge taarne slaaes af torden snarest. (Prov. dan., 83.) Lat.: Saepe ferit Jupiter sublimae fulmine montes. (Chaos, 981, 107.) 12 Je höher der Thurm, je näher beim Wetter. – Chaos, 980, 99; Winckler, XX, 41. 13 Je höher ein Thurm, desto enger (spitzer). – Parömiakon, 1917. 14 Läwer sâl der grîss Torn ämfalen wä en Flasch vol Wéinj. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 317. 15 Thürme misst man nach ihrem Schatten, grosse Menschen nach ihren Neidern. – Cibot, 166. 16 Vor alten Thürmen soll man sich neigen. 17 Wenn der Thorn niedergeworffen, so läufft jedermann vber hin. – Petri, II, 639. 18 Wenn ein Thurm fällt, entsteht viel Staub. In Aegypten sagt man, um auszudrücken, dass der Fall einer hohen Person selbst in seinen entfernten Wirkungen und Folgen zu fürchten sei: Der Pharus von Alexandrien ist nun gefallen. Gott bewahre uns, sagten sie, vor dem blossen Staube desselben. (Burckhardt, 720.) 19 Wenn ein Thurm fällt, so ist es immer noch ein Thurm, und wenn ein Misthaufen steigt, so bleibt es ein Misthaufen. 20 Wer auf dem Thurme ist, muss wieder herabsteigen. 21 Wer bei einem Thurme wohnt, muss sich das Läuten gefallen lassen. Holl.: Die bij torens woont, moet hooren klok-luiden. (Harrebomée, II, 341a.) 22 Wer einen einfallenden Thurm will helffen erhalten, der wird drunter erschlagen. „Also wer Herrn will helfen, die im fall seind, der muss mit jhnen verderben.“ 23 Wer einen Thurm bauen will, muss erst fragen, was er kostet. Holl.: Wie een' toren wil bouwen, die berekene eerst de kosten. (Harrebomée, II, 341a.) 24 Wer eines hohen Thurn dach decken vnd bessern soll, der ist in grosser gefahr. – Lehmann, 794, 4. 25 Wer im Thurm sitzt, der hat immer Winter. – Altmann VI, 386. *26 Auf einen solchen Thurm gehört ein solcher Knopf (oder gehören solche Glocken). – Parömiakon, 1686. *27 Der Thurm Sanct-Gereon's soll ihn schlagen. Die Sonne soll ihn nicht bescheinen. Er soll ins Gefängniss kommen. Im Mittelalter gab es bis nahe zu dessen Ende keine besondern Gefängnissgebäude wie jetzt; man benutzte dafür die vielen zur Vertheidigung bestimmten Thürme einer Stadt, um Leute in Haft zu bringen. Man nannte das Verhaften daher auch „thurmen“ oder „auf den Thurm bringen“. Anstatt des Wortes Thurm war auch das Wort Schloss für Gefängniss gebräuchlich. Auch kommen Käfig und Loch in diesem Sinne vor, wie man ebenso den Wörtern Stockhaus und Block in Betreff der Festhaltung von Gefangenen begegnet. (Vgl. G. L. Kriegk, Deutsches Bürgerthum in Mittelalter, Frankfurt a. M.) *28 Einem den Thurm zeigen. (Baiern.) – Klein, II, 189. Ihn mit beiden Händen am Kopf in die Höhe heben. *29 Er baut einen Thurm auf Sand. Holl.: Hij bouwt (timmert) een toren op het sand. (Harrebomée, II, 341a.) *30 Er baut keinen Thurm. – Sailer, 300.
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Der Bauer soll nämlich denselben Heringskopf, so oft er wieder zu Bier gegangen, in der Tasche bei sich gehabt, ehe er getrunken, wieder daran geleckt, und infolge seines Beispiels unter den Nachbarn viele Anhänger seiner Weise, den Hering zu verwenden, gefunden haben.“ – Es ist in die Augen springend, dass damit nur die bekannte Sparsamkeit der Thüringer verspottet werden soll. (Vgl. <hi rendition="#i">Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Thüringen u. s. w. in der Zeitung für die eleg. Welt, 1824, Nr. 128-132.</hi>) Der Heringswitz ist übrigens schon zu Luther's Zeiten in vollem Schwange gewesen, denn in der <hi rendition="#i">Thüringer Landschronik</hi> werden <hi rendition="#i">Corvinus</hi> und <hi rendition="#i">Schleder</hi> als Gewährsmänner dieses Sprichworts angeführt. 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wie folgt: „Ein thüringischer Bauer hat einen Hering gekauft, selbigen bis auf das Haupt und Bessttheil beim Bier verzehrt, die Nase oder den Kopf aber den um den Tisch sitzenden Zechgenossen zum Lecken gegeben, damit ihnen das Bier besser schmecken solle. Danach hat der Bauer die Heringsnase wieder eingesteckt, und zu Hause seinem Gesinde einige Suppen davon machen lassen. Der sonach durch die genannten Vorgänge sehr mitgenommene Hering hat sein Schicksal aber noch nicht ganz überstanden. Der Bauer soll nämlich denselben Heringskopf, so oft er wieder zu Bier gegangen, in der Tasche bei sich gehabt, ehe er getrunken, wieder daran geleckt, und infolge seines Beispiels unter den Nachbarn viele Anhänger seiner Weise, den Hering zu verwenden, gefunden haben.“ – Es ist in die Augen springend, dass damit nur die bekannte Sparsamkeit der Thüringer verspottet werden soll. (Vgl. Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Thüringen u. s. w. in der Zeitung für die eleg. Welt, 1824, Nr. 128-132.) Der Heringswitz ist übrigens schon zu Luther's Zeiten in vollem Schwange gewesen, denn in der Thüringer Landschronik werden Corvinus und Schleder als Gewährsmänner dieses Sprichworts angeführt. Letzterer sagt unter anderm: „Thuringos halecibus, iisdemque vel parie admodum uti vulgare et protitum testatur proverbium.“ Und an einem andern Orte habe ich den Vers gefunden: „Halec assatum Thuringis est bene gratum de solo capite feciunt sibi fercula quinque.“ (S. Thier 99.)
Thürlein.
*1 Einem das hintere Thürl offen lassen. (Niederösterreich.)
Ihn verächtlich behandeln. Bewirbt sich z. B. ein junger Mann um ein Mädchen, und sie zieht einen andern vor, so hat sie ihm das hinter Thürl offen gelassen.
*2 Hinter das Thürlein treten. – Luther's Tischr., 148a.
Zurücktreten, sein Recht andern überlassen.
Thurm.
1 An (auf) hohen Thürmen wehen oft starke Winde.
Holl.: Bij hooge torens waaijen veeltijds groote winden. (Harrebomée, II, 340a.)
2 Der Thurm zu Cremona hat nicht seinesgleichen. – Hesekiel, 34.
3 Einen Thurm ohne Dach bis zur Stund', ein Haus (Schloss) ohne Rost und Grund, ohne Damm und Wall einen Teich hat nur Kaaden im ganzen Reich. – Egerbote, 1875, Nr. 63.
In einer humoristischen Vorlesung (lithographirtes Manuscript), die der durch seine national-ökonomischen Schriften bekannte Dr. Stamm am 25. März 1852 im Schiesshaussaale zu Kaadan (einer böhmischen, jetzt gewöhnlich Kaaden geschriebenen Stadt) zum Besten der Begründung eines Waisenhauses im kaadaner Elisabethiner Kloster veranstalteten musikalisch-deklamatorischen Akademie gehalten hat, heisst es in Bezug auf das obige Sprichwort: „Bisjetzt hat Kaadan diese drei Merkwürdigkeiten; und jeder der sein Getreide, seinen Process, seine Vergehen, seine Steuern oder seine Sünden hierher bringt, dem zeigt man das Rathhaus, die Kaserne und drüben eine Himmelsgegend und sagt: Das sind die drei Merkwürdigkeiten ohne Dach, Grund und Spund.“ Nach Dr. Stamm's weiterer Ausführung schütteln die Fremden darüber gewöhnlich ungläubig den Kopf und meinen, die Kaadaner wollen ihnen Räthsel zu lösen aufgeben, da ja der Rathhausthurm sein Dach, die Kaserne (Schloss) ihren Grund, der Teich seinen Grund habe. Dr. Stamm löst nun im Weitern vor seinen Zuhörern das Räthsel in der Weise, dass er unter dem Thurm ohne Dach (collectiv aufgefasst) die ausserhalb der Stadt befindlichen, „unzerstörbaren ewigen Thürme“, den Goldberg, den Heiligenberg, den Spitzingberg und den breitschulterigen Riesen, den Purberg, unter dem „Schloss ohne Grund“ die Luftschlösser (der Kaadaner) unter dem „Teich ohne Damm“ (Spund), das Auge voll Thränen verstanden wissen wollen, erinnert zum Schluss daran, dass die Kaadaner diesem Teiche einen Damm gebaut (Stillung der Waisenthränen) durch Errichtung eines Waisenhauses und beglückwünscht sie dazu als zur vierten und schönsten Merkwürdigkeit der Stadt.
4 Es ist nit loblich eim turn, dass er steiff stot, da em keine Darnsbüchs1 daran gericht ist gewesen. – Alsatia, 1862-67, 438.
1) Ein Belagerungsgeschütz, von Darras, Tarras Wall.
5 Grosse hohe Thürn seynd von geringen schlechten Steinen gebawet. – Lehmann, 269, 66.
6 Grosse Thürme sieht man bald.
7 Hoche thürn fallen hart. – Franck, I, 68a; Lehmann, II, 267, 82.
Lat.: Excelsis multo facilius casus nocet. (Franck, I, 68a.)
8 Hohe Thürme fallen leicht ein.
Dän.: Høg gjerning høg fare. – Høgt verk er snart a gaae paa. (Prov. dan., 229.)
Lat.: Non sine periculo facinus magnum et memorabile. (Terenz.)
9 Hohe Thürme trifft der Blitz am ersten. – Parömiakon, 101.
Auch russisch Altmann VI, 426. Gefahren hoher Stellungen und grossen Glücks.
Dän.: Paa høyeste taarn og slotte treffer allersnarest torden. (Prov. dan., 551.)
Lat.: Feriunt summos fulmina montes. (Horaz.) (Binder I, 540; II, 1124; Philippi, I, 154.)
10 Im Thurm gebührt sich die Rechtfertigung. – Graf, 445, 402.
Auch wenn ein Gut besetzt (vom Gericht mit Beschlag belegt) und der Eigenthümer „in des Kaisers Finsternis“ (Gefängniss) gebracht worden war, war ein auf zweiseitiges Gehör gegründetes Verfahren nothwendig, einerseits zur Rechtfertigung des Kummers (der Beschlagnahme), andererseits zur Durchführung des Rechtsstreits.
Mhd.: In dem thurn gepurt sich die rechtfertigung. (Grimm, Weisth., II, 426.)
11 In hohe Thürme schlägt es gern.
Dän.: Fast borg, stor sorg. – Høge taarne slaaes af torden snarest. (Prov. dan., 83.)
Lat.: Saepe ferit Jupiter sublimae fulmine montes. (Chaos, 981, 107.)
12 Je höher der Thurm, je näher beim Wetter. – Chaos, 980, 99; Winckler, XX, 41.
13 Je höher ein Thurm, desto enger (spitzer). – Parömiakon, 1917.
14 Läwer sâl der grîss Torn ämfalen wä en Flasch vol Wéinj. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 317.
15 Thürme misst man nach ihrem Schatten, grosse Menschen nach ihren Neidern. – Cibot, 166.
16 Vor alten Thürmen soll man sich neigen.
17 Wenn der Thorn niedergeworffen, so läufft jedermann vber hin. – Petri, II, 639.
18 Wenn ein Thurm fällt, entsteht viel Staub.
In Aegypten sagt man, um auszudrücken, dass der Fall einer hohen Person selbst in seinen entfernten Wirkungen und Folgen zu fürchten sei: Der Pharus von Alexandrien ist nun gefallen. Gott bewahre uns, sagten sie, vor dem blossen Staube desselben. (Burckhardt, 720.)
19 Wenn ein Thurm fällt, so ist es immer noch ein Thurm, und wenn ein Misthaufen steigt, so bleibt es ein Misthaufen.
20 Wer auf dem Thurme ist, muss wieder herabsteigen.
21 Wer bei einem Thurme wohnt, muss sich das Läuten gefallen lassen.
Holl.: Die bij torens woont, moet hooren klok-luiden. (Harrebomée, II, 341a.)
22 Wer einen einfallenden Thurm will helffen erhalten, der wird drunter erschlagen.
„Also wer Herrn will helfen, die im fall seind, der muss mit jhnen verderben.“
23 Wer einen Thurm bauen will, muss erst fragen, was er kostet.
Holl.: Wie een' toren wil bouwen, die berekene eerst de kosten. (Harrebomée, II, 341a.)
24 Wer eines hohen Thurn dach decken vnd bessern soll, der ist in grosser gefahr. – Lehmann, 794, 4.
25 Wer im Thurm sitzt, der hat immer Winter. – Altmann VI, 386.
*26 Auf einen solchen Thurm gehört ein solcher Knopf (oder gehören solche Glocken). – Parömiakon, 1686.
*27 Der Thurm Sanct-Gereon's soll ihn schlagen.
Die Sonne soll ihn nicht bescheinen. Er soll ins Gefängniss kommen. Im Mittelalter gab es bis nahe zu dessen Ende keine besondern Gefängnissgebäude wie jetzt; man benutzte dafür die vielen zur Vertheidigung bestimmten Thürme einer Stadt, um Leute in Haft zu bringen. Man nannte das Verhaften daher auch „thurmen“ oder „auf den Thurm bringen“. Anstatt des Wortes Thurm war auch das Wort Schloss für Gefängniss gebräuchlich. Auch kommen Käfig und Loch in diesem Sinne vor, wie man ebenso den Wörtern Stockhaus und Block in Betreff der Festhaltung von Gefangenen begegnet. (Vgl. G. L. Kriegk, Deutsches Bürgerthum in Mittelalter, Frankfurt a. M.)
*28 Einem den Thurm zeigen. (Baiern.) – Klein, II, 189.
Ihn mit beiden Händen am Kopf in die Höhe heben.
*29 Er baut einen Thurm auf Sand.
Holl.: Hij bouwt (timmert) een toren op het sand. (Harrebomée, II, 341a.)
*30 Er baut keinen Thurm. – Sailer, 300.
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