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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] grossen Opferfeste des Herbstes zusammen, welches auch der Kirmesfeier zu Grunde liegt. Wenigstens beruhen beide nachweisbar auf derselben Vorstellung, nämlich, dass der genannte Gott in Begleitung anderer Götterfürsten Segen spendend und Opfer fordernd um diese Zeit das Land durchziehe. An Martini findet bei den wohlhabenden schlesischen Bauern das zweite >Schweinschlachten< jeden Winter statt; und die >Martinsgans< gibt überall in Stadt und Land den üblichen Festbraten dieses Tags. Auch Kuchen werden wieder gebacken; aber diesmal nicht die platten, viereckigen oder kreisrunden Streusel- und andern Kuchen, sondern >Märt'nhernla< oder >Märt'nhernd'l<, süsser Kuchen in Hufeisenform. Die Hufeisen gehörten zu den Symbolen Wodan's. Die hufeisenförmige Gestalt des Gebäcks steht im engsten Zusammenhange mit dem wirklichen als glückbringend geltenden Hufeisen, die man in Schlesien häufig auf die Thürschwellen genagelt findet, desgleichen auch bei fränkischen Bewohnern des sächsischen Vogtlandes. Die wohlschmeckenden >Märt'nhernln< sind weiter nichts als einstiges Opfergebäck, dessen heidnische Form bis zum heutigen Tage beibehalten wurde." (Vgl. Simrock, Myth., 563; Rochholz, 378.)

2 Wenn de Märtensgos up'n EIse steit, Christkindk'n in't Woater (oder: in'n Dreck) geit. (Altmark.) - Danneil, 133; Schmeller, II, 622; für Hannover: Schambach, II, 661.

Wenn es um Martini schon Eis gibt, soll, nach dem Sprichwort, um Weihnachten Kothwetter sein.

*3 Er hat viel Mertens Genss helffen essen. - Eyering, I, 340; II, 225 u. 308; Henisch, 1351, 49.

Er hat lange gelebt.

*4 Man läutet die Martinsgans hin.

Bezeichnet den Misbrauch der Glocken im Papstthum. (Adr. Beier in seiner handschriftlichen Sammlung thüringischer Sprichwörter im 17. Jahrhundert.) (Vgl. Richard, 391, 5.)


Martinskohl.

* De ward ok ken Martinskohl eten. (Elbing.) - Frischbier2, 2548.

Er wird kein Jahr im Dienste dort bleiben.


Martinsmonat.

Wenn in'n Martensmant det Water autgeit, sau geit et in'n Winter vele aut. - Schambach, II, 616.

Wenn im November das Wasser ausgeht (d. i. austritt, sein Bett überschwemmt), so sollen im Winter die Flüsse vielmal austreten.


Martinsnacht.

1 Man muss nicht alle Tage Martinsnacht halten, sonst hett man nicht Hüner vnnd Gänss gnug. - Lehmann, 723, 37.

2 Wer zu oft hält Martinsnacht, hat bald sein Haus und Hof verbracht.

Böhm.: Kdo Martinka zhusta sveti, statek dymem mu vyleti. (Celakovsky, 60.)


Martinssommer.

Der Martinssommer währt nicht lange.

In Toscana heisst es: Er währt drei Tage und ein bischen. (Orakel, 894.)


Martinstag.

1 Alle tagen Mertenstag, zechevoll früe vnd spatt, in die wochn zwier ins badt machen eine lere hofstadt. - Ms. aus dem 17. Jahrhundert in der königl. Bibliothek zu Königsberg.

2 An Martinitag die Gans zu Hause bleiben mag.

Man trieb an diesem Tage die Gänse nicht ins Feld, weil jedermann das Recht besass, sie wegzunehmen. (Vgl. Baumgarten, Progr., 31.)

3 Martensdag dunkel, werd de Bauer en Junker. - Schambach, II, 640.

Hat der Bauer so viel geerntet und so gut gewirthschaftet, dass am Martinstage (10. Nov.) seine Scheune noch gefüllt, folglich dunkel ist, so wird er ein wohlhabender Mann (Junker). Für dunkel hat man früher dunker gesagt.

4 Wenn am Martinitag die Wagengleise auf der Strasse von Wasser überlaufen, so laufen am Herbst die Zuber von Wein über.

In Norditalien gibt man den Rath: Wenn am Martinstage die Sonne hinter Wolken untergeht, verkaufe das Brot und behalte die Kuh; wenn sie aber klar untergeht, so verkaufe die Kuh und behalte das Heu. (Reinsberg VIII, 195.) Denn: wenn es heiter ist, fürchtet man viel Schnee und Kälte, und ist es neblig, so soll das Gegentheil stattfinden. (Orakel, 897.)

5 Wenn am Martinstage Wind ist, fehlt's im ganzen Jahre nicht daran. - Orakel, 899.

6 Wenn der Martinstag trübe oder regnerisch ist, so folgt ein unbeständiger, ist er hell, ein harter Winter. - Orakel, 896.

[Spaltenumbruch] 7 Wer offt begeht Sanct Martinstag, kein Gans noch Huhn auffbringen mag. - Petri, II, 746; Henisch, 1351, 47.


Martinswein.

* Den Sanct Martinswein trinken.

Der Martinswein ist ein Geschenk, welchen Herrschaften ihren Dienstleuten, Inhaber grosser Werke (Industrien) ihren Arbeitern geben.

Frz.: Boire le vin de la Saint-Martin. (Kritzinger, 443b.)


Märtyrer.

1 Märtyrer haben einen schönen Tod, sagte der Dieb, als man ihn zum Galgen führte.

Holl.: Die het op de galg aanstellt, zei Joris, die sterft een profeet en een martelaar. (Harrebomee, I, 199.)

2 Vierzig Märtyrer, vierzig Morgenfröste. - Orakel, 384.

Nach dem Wetter der vierzig Märtyrer richtet sich in Russland der Peter-Paulstag.

3 Wenn zu den Märtyrern fällt Regen, gibt's vierzehn Tage Koth in Wegen.

*4 Er macht sich zum Märtyrer.

Holl.: Hij is een martelaar in zijn werk. - Hij is een martelaar van zijn gevoelen geworden. (Harrebomee, II, 68a.)


Märtyrertag.

1 Wenn's am vierzig Märtyrertage gefriert, so gefriert es noch vierzig Nächte. - Orakel, 383; Reinsberg VIII, 106.

D. i. am Tage der vierzig Märtyrer.

2 Wenn's am vierzig Märtyrertage regnet, so regnet's noch vierzig Tage. - Orakel, 382.

Die griechische Kirche feiert den Tag am 9., die römische am 10. März.


Märwunder.

* Es is e Märwunder. - Tendlau, 48.

Ein Wunder, wie es in der Mär, im Märchen vorkommt; etwas Seltenes, Ausserordentliches. (S. Meerwunder.)


Marx.

Merk's, Marx, drei Batzen ist ein Ort. - Eiselein, 452.

Ort ist ein Viertel einer Geldmünze.


Marxbruder.

Marxbrüder und Federfechter.

So hiessen die Mitglieder zweier deutschen Fechtschulen. Der deutsche Kaiser Friedrich III. hat den "deutschen Meistern des Schwerts" zu Nürnberg am 10. August 1487 dem ersten Privilegiumsbrief mit der Bestimmung verliehen, es solle hinfort im deutschen Reiche sich niemand, der nicht von ihnen zugelassen sei, "Meister des Schwerts" nennen und gegen ein Lehrgeld Schule halten, um die Fechtkunst zu lehren. Das "Schulehalten der Fechter" bestand im Veranstalten öffentlicher Fechtvorstellungen. Da der Privilegiumsbrief Friedrich's III. nur von "Meistern des Schwerts" im allgemeinen spricht, diese aber, wie ihr älteres Meisterbuch (Archiv der Stadt Frankfurt a. M.) nachweist, sich die "Brüderschaft unserer lieben Frauen der reinen Jungfrau Maria und des heiligen und gewaltsamen Himmelsfürsten Sanct- Marx" (daher Marxbrüder) nannte, so ist nicht bekannt, wenn die Gesellschaft der "Federfechter" sich gebildet hat. Mair's um das Jahr 1542 geschriebene Kunstfechtbuch (Bibliothek zu Dresden) weiss noch nichts von "Federfechtern". Es heisst darin: "Die ritterliche Kunst sei dahin gekommen, dass die Brüderschaft >Sanct- Marxen< daraus entstanden sei." Die Gegenüberstellung der >Marxbrüder und Federfechter< findet sich zum erstenmal in des Pritschmeisters Benedict Eilbeck Ordentlicher Beschreibung des grossen Schiessens in Zwickau vom Jahre 1573. Was den Namen "Federfechter" betrifft, so behaupten einige, er rühre von einer Fechtwaffe "Feder" her, deren sich die Genossenschaft bediente. Andere verweisen auf den von Kaiser Rudolf II. unter dem 7. März 1607 zu Prag bestätigten Privilegiumsbrief, in welchem die Satzungen, über die sich die "Gesellschaft der Freifechter von der Feder geeinigt", bestätigt wurden. Auf dem Schilde des ihnen verliehenen Wappens sieht man aus einer Wolke zwei Mannsarme mit geschlossenen Händen, eine Schreibfeder haltend, hervorragen. Das der Gesellschaft verliehene Siegel trug die Umschrift: "Siegel der Meister des langen Schwerts." Noch andere verweisen auf das Einladungsschreiben der Federfechter zu ihrer ersten Schule "am Sonntag nach Sanct-Veit". Ihr Name ist also wol nur eine Verstümmelung aus Viter = oder Veiterfechter, d. i. Fechter des heiligen Veit. Prag mit seiner Sanct-Veitskirche ist der Hauptsitz der Federfechter. Hatten die Marxbrüder zu ihrem Schutzheiligen den Apostel Markus (Marx), so war der Patron der Federfechter der heilige Vitus (Veit), nach welchen sie sich Viter- oder Veiterfechter nannten, woraus endlich Federfechter entstanden ist. (Vgl. darüber Steger, Europa, Leipzig 1870, Nr. 29.)


[Spaltenumbruch] grossen Opferfeste des Herbstes zusammen, welches auch der Kirmesfeier zu Grunde liegt. Wenigstens beruhen beide nachweisbar auf derselben Vorstellung, nämlich, dass der genannte Gott in Begleitung anderer Götterfürsten Segen spendend und Opfer fordernd um diese Zeit das Land durchziehe. An Martini findet bei den wohlhabenden schlesischen Bauern das zweite ›Schweinschlachten‹ jeden Winter statt; und die ›Martinsgans‹ gibt überall in Stadt und Land den üblichen Festbraten dieses Tags. Auch Kuchen werden wieder gebacken; aber diesmal nicht die platten, viereckigen oder kreisrunden Streusel- und andern Kuchen, sondern ›Märt'nhernla‹ oder ›Märt'nhernd'l‹, süsser Kuchen in Hufeisenform. Die Hufeisen gehörten zu den Symbolen Wodan's. Die hufeisenförmige Gestalt des Gebäcks steht im engsten Zusammenhange mit dem wirklichen als glückbringend geltenden Hufeisen, die man in Schlesien häufig auf die Thürschwellen genagelt findet, desgleichen auch bei fränkischen Bewohnern des sächsischen Vogtlandes. Die wohlschmeckenden ›Märt'nhernln‹ sind weiter nichts als einstiges Opfergebäck, dessen heidnische Form bis zum heutigen Tage beibehalten wurde.“ (Vgl. Simrock, Myth., 563; Rochholz, 378.)

2 Wenn de Märtensgôs up'n Îse steit, Christkindk'n in't Woater (oder: in'n Dreck) geit. (Altmark.) – Danneil, 133; Schmeller, II, 622; für Hannover: Schambach, II, 661.

Wenn es um Martini schon Eis gibt, soll, nach dem Sprichwort, um Weihnachten Kothwetter sein.

*3 Er hat viel Mertens Genss helffen essen.Eyering, I, 340; II, 225 u. 308; Henisch, 1351, 49.

Er hat lange gelebt.

*4 Man läutet die Martinsgans hin.

Bezeichnet den Misbrauch der Glocken im Papstthum. (Adr. Beier in seiner handschriftlichen Sammlung thüringischer Sprichwörter im 17. Jahrhundert.) (Vgl. Richard, 391, 5.)


Martinskohl.

* De ward ok kên Martinskohl êten. (Elbing.) – Frischbier2, 2548.

Er wird kein Jahr im Dienste dort bleiben.


Martinsmonat.

Wenn in'n Martensmânt det Wâter ûtgeit, sau geit et in'n Winter vêle ût.Schambach, II, 616.

Wenn im November das Wasser ausgeht (d. i. austritt, sein Bett überschwemmt), so sollen im Winter die Flüsse vielmal austreten.


Martinsnacht.

1 Man muss nicht alle Tage Martinsnacht halten, sonst hett man nicht Hüner vnnd Gänss gnug.Lehmann, 723, 37.

2 Wer zu oft hält Martinsnacht, hat bald sein Haus und Hof verbracht.

Böhm.: Kdo Martinka zhusta svĕtí, statek dýmem mu vyletí. (Čelakovský, 60.)


Martinssommer.

Der Martinssommer währt nicht lange.

In Toscana heisst es: Er währt drei Tage und ein bischen. (Orakel, 894.)


Martinstag.

1 Alle tagen Mertenstag, zechevoll früe vnd spatt, in die wochn zwier ins badt machen eine lere hofstadt.Ms. aus dem 17. Jahrhundert in der königl. Bibliothek zu Königsberg.

2 An Martinitag die Gans zu Hause bleiben mag.

Man trieb an diesem Tage die Gänse nicht ins Feld, weil jedermann das Recht besass, sie wegzunehmen. (Vgl. Baumgarten, Progr., 31.)

3 Martensdag dunkel, werd de Bûer en Junker.Schambach, II, 640.

Hat der Bauer so viel geerntet und so gut gewirthschaftet, dass am Martinstage (10. Nov.) seine Scheune noch gefüllt, folglich dunkel ist, so wird er ein wohlhabender Mann (Junker). Für dunkel hat man früher dunker gesagt.

4 Wenn am Martinitag die Wagengleise auf der Strasse von Wasser überlaufen, so laufen am Herbst die Zuber von Wein über.

In Norditalien gibt man den Rath: Wenn am Martinstage die Sonne hinter Wolken untergeht, verkaufe das Brot und behalte die Kuh; wenn sie aber klar untergeht, so verkaufe die Kuh und behalte das Heu. (Reinsberg VIII, 195.) Denn: wenn es heiter ist, fürchtet man viel Schnee und Kälte, und ist es neblig, so soll das Gegentheil stattfinden. (Orakel, 897.)

5 Wenn am Martinstage Wind ist, fehlt's im ganzen Jahre nicht daran.Orakel, 899.

6 Wenn der Martinstag trübe oder regnerisch ist, so folgt ein unbeständiger, ist er hell, ein harter Winter.Orakel, 896.

[Spaltenumbruch] 7 Wer offt begeht Sanct Martinstag, kein Gans noch Huhn auffbringen mag.Petri, II, 746; Henisch, 1351, 47.


Martinswein.

* Den Sanct Martinswein trinken.

Der Martinswein ist ein Geschenk, welchen Herrschaften ihren Dienstleuten, Inhaber grosser Werke (Industrien) ihren Arbeitern geben.

Frz.: Boire le vin de la Saint-Martin. (Kritzinger, 443b.)


Märtyrer.

1 Märtyrer haben einen schönen Tod, sagte der Dieb, als man ihn zum Galgen führte.

Holl.: Die het op de galg aanstellt, zei Joris, die sterft een profeet en een martelaar. (Harrebomée, I, 199.)

2 Vierzig Märtyrer, vierzig Morgenfröste.Orakel, 384.

Nach dem Wetter der vierzig Märtyrer richtet sich in Russland der Peter-Paulstag.

3 Wenn zu den Märtyrern fällt Regen, gibt's vierzehn Tage Koth in Wegen.

*4 Er macht sich zum Märtyrer.

Holl.: Hij is een martelaar in zijn werk. – Hij is een martelaar van zijn gevoelen geworden. (Harrebomée, II, 68a.)


Märtyrertag.

1 Wenn's am vierzig Märtyrertage gefriert, so gefriert es noch vierzig Nächte.Orakel, 383; Reinsberg VIII, 106.

D. i. am Tage der vierzig Märtyrer.

2 Wenn's am vierzig Märtyrertage regnet, so regnet's noch vierzig Tage.Orakel, 382.

Die griechische Kirche feiert den Tag am 9., die römische am 10. März.


Märwunder.

* Es is e Märwunder.Tendlau, 48.

Ein Wunder, wie es in der Mär, im Märchen vorkommt; etwas Seltenes, Ausserordentliches. (S. Meerwunder.)


Marx.

Merk's, Marx, drei Batzen ist ein Ort.Eiselein, 452.

Ort ist ein Viertel einer Geldmünze.


Marxbruder.

Marxbrüder und Federfechter.

So hiessen die Mitglieder zweier deutschen Fechtschulen. Der deutsche Kaiser Friedrich III. hat den „deutschen Meistern des Schwerts“ zu Nürnberg am 10. August 1487 dem ersten Privilegiumsbrief mit der Bestimmung verliehen, es solle hinfort im deutschen Reiche sich niemand, der nicht von ihnen zugelassen sei, „Meister des Schwerts“ nennen und gegen ein Lehrgeld Schule halten, um die Fechtkunst zu lehren. Das „Schulehalten der Fechter“ bestand im Veranstalten öffentlicher Fechtvorstellungen. Da der Privilegiumsbrief Friedrich's III. nur von „Meistern des Schwerts“ im allgemeinen spricht, diese aber, wie ihr älteres Meisterbuch (Archiv der Stadt Frankfurt a. M.) nachweist, sich die „Brüderschaft unserer lieben Frauen der reinen Jungfrau Maria und des heiligen und gewaltsamen Himmelsfürsten Sanct- Marx“ (daher Marxbrüder) nannte, so ist nicht bekannt, wenn die Gesellschaft der „Federfechter“ sich gebildet hat. Mair's um das Jahr 1542 geschriebene Kunstfechtbuch (Bibliothek zu Dresden) weiss noch nichts von „Federfechtern“. Es heisst darin: „Die ritterliche Kunst sei dahin gekommen, dass die Brüderschaft ›Sanct- Marxen‹ daraus entstanden sei.“ Die Gegenüberstellung der ›Marxbrüder und Federfechter‹ findet sich zum erstenmal in des Pritschmeisters Benedict Eilbeck Ordentlicher Beschreibung des grossen Schiessens in Zwickau vom Jahre 1573. Was den Namen „Federfechter“ betrifft, so behaupten einige, er rühre von einer Fechtwaffe „Feder“ her, deren sich die Genossenschaft bediente. Andere verweisen auf den von Kaiser Rudolf II. unter dem 7. März 1607 zu Prag bestätigten Privilegiumsbrief, in welchem die Satzungen, über die sich die „Gesellschaft der Freifechter von der Feder geeinigt“, bestätigt wurden. Auf dem Schilde des ihnen verliehenen Wappens sieht man aus einer Wolke zwei Mannsarme mit geschlossenen Händen, eine Schreibfeder haltend, hervorragen. Das der Gesellschaft verliehene Siegel trug die Umschrift: „Siegel der Meister des langen Schwerts.“ Noch andere verweisen auf das Einladungsschreiben der Federfechter zu ihrer ersten Schule „am Sonntag nach Sanct-Veit“. Ihr Name ist also wol nur eine Verstümmelung aus Viter = oder Veiterfechter, d. i. Fechter des heiligen Veit. Prag mit seiner Sanct-Veitskirche ist der Hauptsitz der Federfechter. Hatten die Marxbrüder zu ihrem Schutzheiligen den Apostel Markus (Marx), so war der Patron der Federfechter der heilige Vitus (Veit), nach welchen sie sich Viter- oder Veiterfechter nannten, woraus endlich Federfechter entstanden ist. (Vgl. darüber Steger, Europa, Leipzig 1870, Nr. 29.)


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[[238]/0252] grossen Opferfeste des Herbstes zusammen, welches auch der Kirmesfeier zu Grunde liegt. Wenigstens beruhen beide nachweisbar auf derselben Vorstellung, nämlich, dass der genannte Gott in Begleitung anderer Götterfürsten Segen spendend und Opfer fordernd um diese Zeit das Land durchziehe. An Martini findet bei den wohlhabenden schlesischen Bauern das zweite ›Schweinschlachten‹ jeden Winter statt; und die ›Martinsgans‹ gibt überall in Stadt und Land den üblichen Festbraten dieses Tags. Auch Kuchen werden wieder gebacken; aber diesmal nicht die platten, viereckigen oder kreisrunden Streusel- und andern Kuchen, sondern ›Märt'nhernla‹ oder ›Märt'nhernd'l‹, süsser Kuchen in Hufeisenform. Die Hufeisen gehörten zu den Symbolen Wodan's. Die hufeisenförmige Gestalt des Gebäcks steht im engsten Zusammenhange mit dem wirklichen als glückbringend geltenden Hufeisen, die man in Schlesien häufig auf die Thürschwellen genagelt findet, desgleichen auch bei fränkischen Bewohnern des sächsischen Vogtlandes. Die wohlschmeckenden ›Märt'nhernln‹ sind weiter nichts als einstiges Opfergebäck, dessen heidnische Form bis zum heutigen Tage beibehalten wurde.“ (Vgl. Simrock, Myth., 563; Rochholz, 378.) 2 Wenn de Märtensgôs up'n Îse steit, Christkindk'n in't Woater (oder: in'n Dreck) geit. (Altmark.) – Danneil, 133; Schmeller, II, 622; für Hannover: Schambach, II, 661. Wenn es um Martini schon Eis gibt, soll, nach dem Sprichwort, um Weihnachten Kothwetter sein. *3 Er hat viel Mertens Genss helffen essen. – Eyering, I, 340; II, 225 u. 308; Henisch, 1351, 49. Er hat lange gelebt. *4 Man läutet die Martinsgans hin. Bezeichnet den Misbrauch der Glocken im Papstthum. (Adr. Beier in seiner handschriftlichen Sammlung thüringischer Sprichwörter im 17. Jahrhundert.) (Vgl. Richard, 391, 5.) Martinskohl. * De ward ok kên Martinskohl êten. (Elbing.) – Frischbier2, 2548. Er wird kein Jahr im Dienste dort bleiben. Martinsmonat. Wenn in'n Martensmânt det Wâter ûtgeit, sau geit et in'n Winter vêle ût. – Schambach, II, 616. Wenn im November das Wasser ausgeht (d. i. austritt, sein Bett überschwemmt), so sollen im Winter die Flüsse vielmal austreten. Martinsnacht. 1 Man muss nicht alle Tage Martinsnacht halten, sonst hett man nicht Hüner vnnd Gänss gnug. – Lehmann, 723, 37. 2 Wer zu oft hält Martinsnacht, hat bald sein Haus und Hof verbracht. Böhm.: Kdo Martinka zhusta svĕtí, statek dýmem mu vyletí. (Čelakovský, 60.) Martinssommer. Der Martinssommer währt nicht lange. In Toscana heisst es: Er währt drei Tage und ein bischen. (Orakel, 894.) Martinstag. 1 Alle tagen Mertenstag, zechevoll früe vnd spatt, in die wochn zwier ins badt machen eine lere hofstadt. – Ms. aus dem 17. Jahrhundert in der königl. Bibliothek zu Königsberg. 2 An Martinitag die Gans zu Hause bleiben mag. Man trieb an diesem Tage die Gänse nicht ins Feld, weil jedermann das Recht besass, sie wegzunehmen. (Vgl. Baumgarten, Progr., 31.) 3 Martensdag dunkel, werd de Bûer en Junker. – Schambach, II, 640. Hat der Bauer so viel geerntet und so gut gewirthschaftet, dass am Martinstage (10. Nov.) seine Scheune noch gefüllt, folglich dunkel ist, so wird er ein wohlhabender Mann (Junker). Für dunkel hat man früher dunker gesagt. 4 Wenn am Martinitag die Wagengleise auf der Strasse von Wasser überlaufen, so laufen am Herbst die Zuber von Wein über. In Norditalien gibt man den Rath: Wenn am Martinstage die Sonne hinter Wolken untergeht, verkaufe das Brot und behalte die Kuh; wenn sie aber klar untergeht, so verkaufe die Kuh und behalte das Heu. (Reinsberg VIII, 195.) Denn: wenn es heiter ist, fürchtet man viel Schnee und Kälte, und ist es neblig, so soll das Gegentheil stattfinden. (Orakel, 897.) 5 Wenn am Martinstage Wind ist, fehlt's im ganzen Jahre nicht daran. – Orakel, 899. 6 Wenn der Martinstag trübe oder regnerisch ist, so folgt ein unbeständiger, ist er hell, ein harter Winter. – Orakel, 896. 7 Wer offt begeht Sanct Martinstag, kein Gans noch Huhn auffbringen mag. – Petri, II, 746; Henisch, 1351, 47. Martinswein. * Den Sanct Martinswein trinken. Der Martinswein ist ein Geschenk, welchen Herrschaften ihren Dienstleuten, Inhaber grosser Werke (Industrien) ihren Arbeitern geben. Frz.: Boire le vin de la Saint-Martin. (Kritzinger, 443b.) Märtyrer. 1 Märtyrer haben einen schönen Tod, sagte der Dieb, als man ihn zum Galgen führte. Holl.: Die het op de galg aanstellt, zei Joris, die sterft een profeet en een martelaar. (Harrebomée, I, 199.) 2 Vierzig Märtyrer, vierzig Morgenfröste. – Orakel, 384. Nach dem Wetter der vierzig Märtyrer richtet sich in Russland der Peter-Paulstag. 3 Wenn zu den Märtyrern fällt Regen, gibt's vierzehn Tage Koth in Wegen. *4 Er macht sich zum Märtyrer. Holl.: Hij is een martelaar in zijn werk. – Hij is een martelaar van zijn gevoelen geworden. (Harrebomée, II, 68a.) Märtyrertag. 1 Wenn's am vierzig Märtyrertage gefriert, so gefriert es noch vierzig Nächte. – Orakel, 383; Reinsberg VIII, 106. D. i. am Tage der vierzig Märtyrer. 2 Wenn's am vierzig Märtyrertage regnet, so regnet's noch vierzig Tage. – Orakel, 382. Die griechische Kirche feiert den Tag am 9., die römische am 10. März. Märwunder. * Es is e Märwunder. – Tendlau, 48. Ein Wunder, wie es in der Mär, im Märchen vorkommt; etwas Seltenes, Ausserordentliches. (S. Meerwunder.) Marx. Merk's, Marx, drei Batzen ist ein Ort. – Eiselein, 452. Ort ist ein Viertel einer Geldmünze. Marxbruder. Marxbrüder und Federfechter. So hiessen die Mitglieder zweier deutschen Fechtschulen. Der deutsche Kaiser Friedrich III. hat den „deutschen Meistern des Schwerts“ zu Nürnberg am 10. August 1487 dem ersten Privilegiumsbrief mit der Bestimmung verliehen, es solle hinfort im deutschen Reiche sich niemand, der nicht von ihnen zugelassen sei, „Meister des Schwerts“ nennen und gegen ein Lehrgeld Schule halten, um die Fechtkunst zu lehren. Das „Schulehalten der Fechter“ bestand im Veranstalten öffentlicher Fechtvorstellungen. Da der Privilegiumsbrief Friedrich's III. nur von „Meistern des Schwerts“ im allgemeinen spricht, diese aber, wie ihr älteres Meisterbuch (Archiv der Stadt Frankfurt a. M.) nachweist, sich die „Brüderschaft unserer lieben Frauen der reinen Jungfrau Maria und des heiligen und gewaltsamen Himmelsfürsten Sanct- Marx“ (daher Marxbrüder) nannte, so ist nicht bekannt, wenn die Gesellschaft der „Federfechter“ sich gebildet hat. Mair's um das Jahr 1542 geschriebene Kunstfechtbuch (Bibliothek zu Dresden) weiss noch nichts von „Federfechtern“. Es heisst darin: „Die ritterliche Kunst sei dahin gekommen, dass die Brüderschaft ›Sanct- Marxen‹ daraus entstanden sei.“ Die Gegenüberstellung der ›Marxbrüder und Federfechter‹ findet sich zum erstenmal in des Pritschmeisters Benedict Eilbeck Ordentlicher Beschreibung des grossen Schiessens in Zwickau vom Jahre 1573. Was den Namen „Federfechter“ betrifft, so behaupten einige, er rühre von einer Fechtwaffe „Feder“ her, deren sich die Genossenschaft bediente. Andere verweisen auf den von Kaiser Rudolf II. unter dem 7. März 1607 zu Prag bestätigten Privilegiumsbrief, in welchem die Satzungen, über die sich die „Gesellschaft der Freifechter von der Feder geeinigt“, bestätigt wurden. Auf dem Schilde des ihnen verliehenen Wappens sieht man aus einer Wolke zwei Mannsarme mit geschlossenen Händen, eine Schreibfeder haltend, hervorragen. Das der Gesellschaft verliehene Siegel trug die Umschrift: „Siegel der Meister des langen Schwerts.“ Noch andere verweisen auf das Einladungsschreiben der Federfechter zu ihrer ersten Schule „am Sonntag nach Sanct-Veit“. Ihr Name ist also wol nur eine Verstümmelung aus Viter = oder Veiterfechter, d. i. Fechter des heiligen Veit. Prag mit seiner Sanct-Veitskirche ist der Hauptsitz der Federfechter. Hatten die Marxbrüder zu ihrem Schutzheiligen den Apostel Markus (Marx), so war der Patron der Federfechter der heilige Vitus (Veit), nach welchen sie sich Viter- oder Veiterfechter nannten, woraus endlich Federfechter entstanden ist. (Vgl. darüber Steger, Europa, Leipzig 1870, Nr. 29.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [238]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/252>, abgerufen am 21.11.2024.