Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.[Spaltenumbruch]
Gepräzel. * Ein gros gepretzel vnd geschrey davon machen. - Mathesy, 106b. Geputzt. *1 Er ist geputzt wie ein Jahrmarktsochse. - Frischbier, 248. *2 Geputzt wie ein Pfingstochse. - Frischbier2, 1227. Das Hauptopferthier am Frühlingsfest scheint der Stier gewesen zu sein. Am Donnerstag oder Freitag vor Pfingsten ward nämlich früher in Mecklenburg der für das Fest bestimmte fette Ochse von den Schlächtern feierlich durch die Stadt geführt, mit einem Blumenkranze um das Haupt, die Hörner mit Gold- und Silberschaum belegt und einer Citrone auf der Spitze, endlich auch der Schwanz mit Blumen und bunten Bändern geschmückt. In dem ganzen Aufzuge, der wegen seiner Gemeingefährlichkeit erst vor wenigen Jahren obrigkeitlich verboten worden ist, war der geschmückte Opferstier nicht zu verkennen. Dieser Pfingstochs, der in Rostock und Güstrow "Pipos" heisst, ist, wie die obige Redensart zeigt, durch ganz Deutschland bekannt. (Vgl. Schiller, II, 5.) *3 Sie (er) ist geputzt wie der Esel am Palmsonntage. *4 Sie ist geputzt wie die Malke-Schwo. - Tendlau, 555. Wie die Königin von Saba. *5 Sie ist geputzt wie Schippe-Malke. - Tendlau, 555. Wie die Schippenkönigin im Kartenspiel. Von einem sehr geputzten Weibe. Gerade (der). Der Grad und der Ungrad händ mit enand es Brod g'esse. (S. Eben.) (Luzern.) Der Grad oder Eben schnitt das Ungerade oder Unebene davon weg, und der Ungerade oder Unebene das Gerade oder Ebene, bis es auf diese Weise verschnitten war. Gerade (die). 1 Die die Gerade genommen, lassen die Gerade. - Graf, 217, 245. Aus dem Nachlass der Frau wurde die Gerade (s. 4) nur dann ausgeschieden, wenn sie dieselbe selbst ererbt hatte, in welchem Fall sie wieder vererbt wurde. Hatte sie dieselbe aber - und davon handelt das Sprichwort - als nächste Niftel (s. d.) angenommen, so kam sie wieder an die nächste weibliche Verwandte. (Vgl. M. Nering, Das alte kölnische Recht, IV, 57.) 2 Die Gerade an die nächste Niftel, das Heergewäte an den nächsten Schwertmag. - Graf, 184, 10. Gerade und Heergewäte gehörten nicht zum Erbe im engern Sinne (s. Eigen 7, Grossvater und Nachlass). Die Gerade, welche im allgemeinen alles in sich begriff, was durch weibliche Thätigkeit geschaffen oder zum Schmucke der Frauen bestimmt war, fiel an die nächste weibliche Anverwandte (Niftel) aus der Reihe der Kunkel- oder Spillmagen. Was z. B. im Kirchspiel Debstedt unter stadt-bremischer Hoheit zur Gerade gehörte, findet sich in Pratje's Historischen Sammlungen (III, 375) wie in Köster (93) aufgeführt. Das Heergewäte, d. i. all das Geräth, dessen der wehrhafte Mann zu Schutz und Wehre bedurfte, als Schwert, Streitross, Feldbett, Sattel u. dgl. an den nächsten männlichen Anverwandten. (S. Schwertmagen.) Mhd.: Di gerade an di neste niftelen, daz herwerte an den nesten swertmac. (Homeyer, Sachsenspiegel, I, 27, 1.) 3 Die Gerade geht nicht über die Brücken. - Eisenhart, 298; Eiselein, 226; Hillebrand, 162, 225; Graf, 217, 246; Estor, III, 697; Simrock, 3418. Dies Sprichwort redet von der Gewohnheit solcher Städte, wo Heergewette (Gesetz über das, was die Söhne erben) und Gerade (was den Töchtern zukommt) noch in Gebrauch sind, bei Theilungen nichts in Städte verabfolgen zu lassen, wo dies Erbschaftsgesetz nicht besteht. (S. Niftel.) Es ist ferner über dies Sprichwort zu vergleichen Haltaus, Glossarium, 662; Grimm, Rechtsalt., 585. 4 Gerade erbt man nicht. - Graf, 217, 247. Sie war nicht im allgemeinen Erbgange, sie wurde nur vererbt, wo sie ererbt war. (S. 1.) Bei Pufendorf (II, 14, 8): "Rehde ne gift men nicht." 5 Gerade hat viel Ungerade. - Eisenhart, 297; Eiselein, 226; Pistor., IX, 47; Simrock, 3417; Runde, 682; Hillebrand, 159, 223; Hertius, 92, 18; Estor, I, 570; Graf, 184, 12. Unter Gerade, was soviel als Geräth bedeutet (Grimm, Rechtsalt., 567), versteht man diejenigen beweglichen Güter, die nach den besondern Rechten und Verordnungen eines jeden Landes stets gewissen derselben fähigen Personen zufallen, also z. B. gewisse den Töchtern, andere den Söhnen, was bei Theilungen früher zu grossen Streitigkeiten Anlass gab, wenn es Dinge betraf, von denen es zweifelhaft schien, ob sie zur [Spaltenumbruch] Gerade gehörten. Auch war es z. B. der Mutter sehr leicht gemacht, ihre Töchter, wenn sie eine grössere Liebe zu ihnen als zu den Söhnen hatte, reichlicher zu betheilen; sie durfte nur mehr solche Sachen und Geräthe ankaufen, die bei einer einstigen Theilung den Töchtern zufielen. Diese Theilung war daher oft sehr ungerade. Gerade (Adj.). 1 Gerad' und krumm kann nie sich einen. Es kann sich wol berühren, aber nicht beisammenbleiben. Die gerade Linie berührt die krumme in einem Punkte, dann aber, wenn die krumme ein Kreis ist, nicht mehr. 2 Heut gerad, morgen im grab. - Henisch, 1723, 24. 3 Hübsch gerade, meine Tochter, dort kommen Herren, sagte die Mutter. Holl.: Regt op, mijne dochter, daar komen heeren. (Harrebomee, I, 296.) 4 Wer gerade ist, dem wird vieles krumm genommen. *5 Dat's so gerad, als wenn't de Boll gepösst heft. - Frischbier, 1229. Zur Bezeichnung eines krummen Beetes oder einer krummen Ackerfurche. *6 Er geht gerade, wie die Donau bei Dillingen. - Parömiakon, 276. *7 Er ist gerade wie ein Bockshorn. D. i. wenig aufrichtig. *8 Er (sie) ist gerade wie eine Kerze. Nordfries.: So striam üs an Lacht. Frz.: Droite comme une cierge, jonc, statue. *9 Es geht (nicht) gerade zu. Frz.: Garde toy de l'homme angulaire. - Il fault aller rondement. Lat.: Angulare cave virum. - Rotunde incedendum. (Bovill, III, 147.) *10 Es ist gerade wie der Weg nach Rom. Der eben nicht sehr gerade ist. Aus den Zeiten der Jubeljahre, in denen Tausende es für etwas Verdienstliches hielten, nach Rom zu wallfahrten. *11 Es ist gerade wie ein Hundebein. *12 Es ist gerade wie eine Sichel. Auch: Er ist gerade gewachsen wie eine Sichel. Frz.: Il est fait comme un Z. (Lendroy, 1467.) *13 Es kann nicht immer gerade gehen. - Mayer, II, 63. *14 Et es gerade as de Foss im Weinfat. (Grafschaft Mark.) - Frommann, V, 59, 50. *15 Gerade, wie grün Holz hinter dem Ofen getrocknet. *16 Geroade wei anne Prazel. - Frommann, III, 249, 278. *17 Wenn's wert groade zugehen (oder: wenn's wird geradezu gehen), do war ech oach a Fuhrmann waren. - Gomolcke, 1096; Robinson, 115. Frommann (III, 244, 103) hat: geradezu. Geradeauf. Gradauf, wie ich, säd' de schew' (schiefe) Danzmeister. - Diermissen, 251; Hoefer, 203. Geradeaus. 1 Geradeaus gibt gute Renner. Wer ohne Umschweife seine Zwecke zu erreichen sucht, soll eher ans Ziel kommen, als der, welcher schlaue Schleichwege einschlägt. *2 Geradeaus wie der Schweinsrüssel. *3 Geradeaus wie die Ferkel schnäuzen (schnauben). (Fries.) Geradedurch. Geradedurch das hält den Stich. - Körte, 2403; Simrock, 3422. Geradeheraus. Geradeheraus ist Meister. - Steiger, 272; Kirchhofer, 139. Sieg der Aufrichtigkeit. Gerader. Der Gerade spottet des Halgo. Lat.: Loripedem rectus deridet, Aethiopem albus. Geradeweg. Geradeweg, wie der Teufel 'n Bauern, holt. - Mayer, I, 95; Simrock, 3423; Zaupser. Ohne viel Umstände und Ceremonien. Geradezu. 1 Geradezu, bekennen vnnd sich besseren gibt gute Christen. - Henisch, 1504, 38. 2 Geradezu eis der neaste Weg im de Krimm. (Militsch.) Geradezu ist der nächste Weg um die Krümme.
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Gepräzel. * Ein gros gepretzel vnd geschrey davon machen. – Mathesy, 106b. Geputzt. *1 Er ist geputzt wie ein Jahrmarktsochse. – Frischbier, 248. *2 Geputzt wie ein Pfingstochse. – Frischbier2, 1227. Das Hauptopferthier am Frühlingsfest scheint der Stier gewesen zu sein. Am Donnerstag oder Freitag vor Pfingsten ward nämlich früher in Mecklenburg der für das Fest bestimmte fette Ochse von den Schlächtern feierlich durch die Stadt geführt, mit einem Blumenkranze um das Haupt, die Hörner mit Gold- und Silberschaum belegt und einer Citrone auf der Spitze, endlich auch der Schwanz mit Blumen und bunten Bändern geschmückt. In dem ganzen Aufzuge, der wegen seiner Gemeingefährlichkeit erst vor wenigen Jahren obrigkeitlich verboten worden ist, war der geschmückte Opferstier nicht zu verkennen. Dieser Pfingstochs, der in Rostock und Güstrow „Pipos“ heisst, ist, wie die obige Redensart zeigt, durch ganz Deutschland bekannt. (Vgl. Schiller, II, 5.) *3 Sie (er) ist geputzt wie der Esel am Palmsonntage. *4 Sie ist geputzt wie die Malke-Schwo. – Tendlau, 555. Wie die Königin von Saba. *5 Sie ist geputzt wie Schippe-Malke. – Tendlau, 555. Wie die Schippenkönigin im Kartenspiel. Von einem sehr geputzten Weibe. Gerade (der). Der Grad und der Ungrad händ mit enand es Brod g'esse. (S. Eben.) (Luzern.) Der Grad oder Eben schnitt das Ungerade oder Unebene davon weg, und der Ungerade oder Unebene das Gerade oder Ebene, bis es auf diese Weise verschnitten war. Gerade (die). 1 Die die Gerade genommen, lassen die Gerade. – Graf, 217, 245. Aus dem Nachlass der Frau wurde die Gerade (s. 4) nur dann ausgeschieden, wenn sie dieselbe selbst ererbt hatte, in welchem Fall sie wieder vererbt wurde. Hatte sie dieselbe aber – und davon handelt das Sprichwort – als nächste Niftel (s. d.) angenommen, so kam sie wieder an die nächste weibliche Verwandte. (Vgl. M. Nering, Das alte kölnische Recht, IV, 57.) 2 Die Gerade an die nächste Niftel, das Heergewäte an den nächsten Schwertmag. – Graf, 184, 10. Gerade und Heergewäte gehörten nicht zum Erbe im engern Sinne (s. Eigen 7, Grossvater und Nachlass). Die Gerade, welche im allgemeinen alles in sich begriff, was durch weibliche Thätigkeit geschaffen oder zum Schmucke der Frauen bestimmt war, fiel an die nächste weibliche Anverwandte (Niftel) aus der Reihe der Kunkel- oder Spillmagen. Was z. B. im Kirchspiel Debstedt unter stadt-bremischer Hoheit zur Gerade gehörte, findet sich in Pratje's Historischen Sammlungen (III, 375) wie in Köster (93) aufgeführt. Das Heergewäte, d. i. all das Geräth, dessen der wehrhafte Mann zu Schutz und Wehre bedurfte, als Schwert, Streitross, Feldbett, Sattel u. dgl. an den nächsten männlichen Anverwandten. (S. Schwertmagen.) Mhd.: Di gerade an di neste niftelen, daz herwerte an den nesten swertmac. 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Gepräzel.
* Ein gros gepretzel vnd geschrey davon machen. – Mathesy, 106b.
Geputzt.
*1 Er ist geputzt wie ein Jahrmarktsochse. – Frischbier, 248.
*2 Geputzt wie ein Pfingstochse. – Frischbier2, 1227.
Das Hauptopferthier am Frühlingsfest scheint der Stier gewesen zu sein. Am Donnerstag oder Freitag vor Pfingsten ward nämlich früher in Mecklenburg der für das Fest bestimmte fette Ochse von den Schlächtern feierlich durch die Stadt geführt, mit einem Blumenkranze um das Haupt, die Hörner mit Gold- und Silberschaum belegt und einer Citrone auf der Spitze, endlich auch der Schwanz mit Blumen und bunten Bändern geschmückt. In dem ganzen Aufzuge, der wegen seiner Gemeingefährlichkeit erst vor wenigen Jahren obrigkeitlich verboten worden ist, war der geschmückte Opferstier nicht zu verkennen. Dieser Pfingstochs, der in Rostock und Güstrow „Pipos“ heisst, ist, wie die obige Redensart zeigt, durch ganz Deutschland bekannt. (Vgl. Schiller, II, 5.)
*3 Sie (er) ist geputzt wie der Esel am Palmsonntage.
*4 Sie ist geputzt wie die Malke-Schwo. – Tendlau, 555.
Wie die Königin von Saba.
*5 Sie ist geputzt wie Schippe-Malke. – Tendlau, 555.
Wie die Schippenkönigin im Kartenspiel. Von einem sehr geputzten Weibe.
Gerade (der).
Der Grad und der Ungrad händ mit enand es Brod g'esse. (S. Eben.) (Luzern.)
Der Grad oder Eben schnitt das Ungerade oder Unebene davon weg, und der Ungerade oder Unebene das Gerade oder Ebene, bis es auf diese Weise verschnitten war.
Gerade (die).
1 Die die Gerade genommen, lassen die Gerade. – Graf, 217, 245.
Aus dem Nachlass der Frau wurde die Gerade (s. 4) nur dann ausgeschieden, wenn sie dieselbe selbst ererbt hatte, in welchem Fall sie wieder vererbt wurde. Hatte sie dieselbe aber – und davon handelt das Sprichwort – als nächste Niftel (s. d.) angenommen, so kam sie wieder an die nächste weibliche Verwandte. (Vgl. M. Nering, Das alte kölnische Recht, IV, 57.)
2 Die Gerade an die nächste Niftel, das Heergewäte an den nächsten Schwertmag. – Graf, 184, 10.
Gerade und Heergewäte gehörten nicht zum Erbe im engern Sinne (s. Eigen 7, Grossvater und Nachlass). Die Gerade, welche im allgemeinen alles in sich begriff, was durch weibliche Thätigkeit geschaffen oder zum Schmucke der Frauen bestimmt war, fiel an die nächste weibliche Anverwandte (Niftel) aus der Reihe der Kunkel- oder Spillmagen. Was z. B. im Kirchspiel Debstedt unter stadt-bremischer Hoheit zur Gerade gehörte, findet sich in Pratje's Historischen Sammlungen (III, 375) wie in Köster (93) aufgeführt. Das Heergewäte, d. i. all das Geräth, dessen der wehrhafte Mann zu Schutz und Wehre bedurfte, als Schwert, Streitross, Feldbett, Sattel u. dgl. an den nächsten männlichen Anverwandten. (S. Schwertmagen.)
Mhd.: Di gerade an di neste niftelen, daz herwerte an den nesten swertmac. (Homeyer, Sachsenspiegel, I, 27, 1.)
3 Die Gerade geht nicht über die Brücken. – Eisenhart, 298; Eiselein, 226; Hillebrand, 162, 225; Graf, 217, 246; Estor, III, 697; Simrock, 3418.
Dies Sprichwort redet von der Gewohnheit solcher Städte, wo Heergewette (Gesetz über das, was die Söhne erben) und Gerade (was den Töchtern zukommt) noch in Gebrauch sind, bei Theilungen nichts in Städte verabfolgen zu lassen, wo dies Erbschaftsgesetz nicht besteht. (S. Niftel.) Es ist ferner über dies Sprichwort zu vergleichen Haltaus, Glossarium, 662; Grimm, Rechtsalt., 585.
4 Gerade erbt man nicht. – Graf, 217, 247.
Sie war nicht im allgemeinen Erbgange, sie wurde nur vererbt, wo sie ererbt war. (S. 1.) Bei Pufendorf (II, 14, 8): „Rehde ne gift men nicht.“
5 Gerade hat viel Ungerade. – Eisenhart, 297; Eiselein, 226; Pistor., IX, 47; Simrock, 3417; Runde, 682; Hillebrand, 159, 223; Hertius, 92, 18; Estor, I, 570; Graf, 184, 12.
Unter Gerade, was soviel als Geräth bedeutet (Grimm, Rechtsalt., 567), versteht man diejenigen beweglichen Güter, die nach den besondern Rechten und Verordnungen eines jeden Landes stets gewissen derselben fähigen Personen zufallen, also z. B. gewisse den Töchtern, andere den Söhnen, was bei Theilungen früher zu grossen Streitigkeiten Anlass gab, wenn es Dinge betraf, von denen es zweifelhaft schien, ob sie zur
Gerade gehörten. Auch war es z. B. der Mutter sehr leicht gemacht, ihre Töchter, wenn sie eine grössere Liebe zu ihnen als zu den Söhnen hatte, reichlicher zu betheilen; sie durfte nur mehr solche Sachen und Geräthe ankaufen, die bei einer einstigen Theilung den Töchtern zufielen. Diese Theilung war daher oft sehr ungerade.
Gerade (Adj.).
1 Gerad' und krumm kann nie sich einen.
Es kann sich wol berühren, aber nicht beisammenbleiben. Die gerade Linie berührt die krumme in einem Punkte, dann aber, wenn die krumme ein Kreis ist, nicht mehr.
2 Heut gerad, morgen im grab. – Henisch, 1723, 24.
3 Hübsch gerade, meine Tochter, dort kommen Herren, sagte die Mutter.
Holl.: Regt op, mijne dochter, daar komen heeren. (Harrebomée, I, 296.)
4 Wer gerade ist, dem wird vieles krumm genommen.
*5 Dat's so gerad, als wenn't de Boll gepösst heft. – Frischbier, 1229.
Zur Bezeichnung eines krummen Beetes oder einer krummen Ackerfurche.
*6 Er geht gerade, wie die Donau bei Dillingen. – Parömiakon, 276.
*7 Er ist gerade wie ein Bockshorn.
D. i. wenig aufrichtig.
*8 Er (sie) ist gerade wie eine Kerze.
Nordfries.: So striam üs an Lacht.
Frz.: Droite comme une cierge, jonc, statue.
*9 Es geht (nicht) gerade zu.
Frz.: Garde toy de l'homme angulaire. – Il fault aller rondement.
Lat.: Angulare cave virum. – Rotunde incedendum. (Bovill, III, 147.)
*10 Es ist gerade wie der Weg nach Rom.
Der eben nicht sehr gerade ist. Aus den Zeiten der Jubeljahre, in denen Tausende es für etwas Verdienstliches hielten, nach Rom zu wallfahrten.
*11 Es ist gerade wie ein Hundebein.
*12 Es ist gerade wie eine Sichel.
Auch: Er ist gerade gewachsen wie eine Sichel.
Frz.: Il est fait comme un Z. (Lendroy, 1467.)
*13 Es kann nicht immer gerade gehen. – Mayer, II, 63.
*14 Et es gerâde as de Foss im Wêinfat. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 59, 50.
*15 Gerade, wie grün Holz hinter dem Ofen getrocknet.
*16 Geroade wî anne Prâzel. – Frommann, III, 249, 278.
*17 Wenn's wert groade zugehen (oder: wenn's wird geradezu gehen), do war ech oach a Fuhrmann waren. – Gomolcke, 1096; Robinson, 115. Frommann (III, 244, 103) hat: geradezu.
Geradeauf.
Gradauf, wie ich, säd' de schêw' (schiefe) Danzmeister. – Diermissen, 251; Hoefer, 203.
Geradeaus.
1 Geradeaus gibt gute Renner.
Wer ohne Umschweife seine Zwecke zu erreichen sucht, soll eher ans Ziel kommen, als der, welcher schlaue Schleichwege einschlägt.
*2 Geradeaus wie der Schweinsrüssel.
*3 Geradeaus wie die Ferkel schnäuzen (schnauben). (Fries.)
Geradedurch.
Geradedurch das hält den Stich. – Körte, 2403; Simrock, 3422.
Geradeheraus.
Geradeheraus ist Meister. – Steiger, 272; Kirchhofer, 139.
Sieg der Aufrichtigkeit.
Gerader.
Der Gerade spottet des Halgo.
Lat.: Loripedem rectus deridet, Aethiopem albus.
Geradeweg.
Geradeweg, wie der Teufel 'n Bauern, holt. – Mayer, I, 95; Simrock, 3423; Zaupser.
Ohne viel Umstände und Ceremonien.
Geradezu.
1 Geradezu, bekennen vnnd sich besseren gibt gute Christen. – Henisch, 1504, 38.
2 Geradezu eis der neaste Weg im de Krimm. (Militsch.)
Geradezu ist der nächste Weg um die Krümme.
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