Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Odüßee.
Elfter Gesang
.


Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Zogen wir erstlich das Schiff hinab in die heilige Meersflut,
Stellten die Masten empor und die Segel im schwärzlichen Schiffe,
Brachten darauf die Schafe hinein, und traten dann selber
Herzlich bekümmert ins Schiff, und viele Thränen vergießend. 5
Jene sandte vom Ufer dem blaugeschnäbelten Schiffe,
Günstigen segelschwellenden Wind, zum guten Begleiter,
Kirkä die schöngelockte, die hehre melodische Göttin.
Eilig brachten wir jezt die Geräthe des Schiffes in Ordnung,
Saßen dann still, und ließen vom Wind' und Steuer uns lenken. 10
Und wir durchschifften den Tag mit vollem Segel die Waßer.
Und die Sonne sank, und Dunkel umhüllte die Pfade.

Jezo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende. V. 13.
Alda liegt das Land und die Stadt der kimmerischen Männer. V. 14.

V. 13. Das Ende des Ozeanflußes, nämlich der Meerenge zwischen Afrika
und der eingebildeten Spize Italiens.
V. 14. Die westliche und nördliche Grenze der Welt, von dem Ozeanfluß bis
über das schwarze Meer hinauf, hielt man wegen der Entfernung der Sonne für
dunkel. Denn die Sonne, meinte man, ginge von dem Ozean bei Kolchis, nicht
viel höher als die Wolken, über das Land der Aithiopen (in Asien und Afrika),
und schiffte dann von dem Atlas in einem goldnen Becher hinter dem hohen Gestade
Europa's wieder nach dem östlichen Ozean.
Oduͤßee.
Elfter Geſang
.


Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Zogen wir erſtlich das Schiff hinab in die heilige Meersflut,
Stellten die Maſten empor und die Segel im ſchwaͤrzlichen Schiffe,
Brachten darauf die Schafe hinein, und traten dann ſelber
Herzlich bekuͤmmert ins Schiff, und viele Thraͤnen vergießend. 5
Jene ſandte vom Ufer dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe,
Guͤnſtigen ſegelſchwellenden Wind, zum guten Begleiter,
Kirkaͤ die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin.
Eilig brachten wir jezt die Geraͤthe des Schiffes in Ordnung,
Saßen dann ſtill, und ließen vom Wind' und Steuer uns lenken. 10
Und wir durchſchifften den Tag mit vollem Segel die Waßer.
Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade.

Jezo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende. V. 13.
Alda liegt das Land und die Stadt der kimmeriſchen Maͤnner. V. 14.

V. 13. Das Ende des Ozeanflußes, naͤmlich der Meerenge zwiſchen Afrika
und der eingebildeten Spize Italiens.
V. 14. Die weſtliche und noͤrdliche Grenze der Welt, von dem Ozeanfluß bis
uͤber das ſchwarze Meer hinauf, hielt man wegen der Entfernung der Sonne fuͤr
dunkel. Denn die Sonne, meinte man, ginge von dem Ozean bei Kolchis, nicht
viel hoͤher als die Wolken, uͤber das Land der Aithiopen (in Aſien und Afrika),
und ſchiffte dann von dem Atlas in einem goldnen Becher hinter dem hohen Geſtade
Europa's wieder nach dem oͤſtlichen Ozean.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0211" n="205"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.<lb/>
Elfter Ge&#x017F;ang</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>ls wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,<lb/>
Zogen wir er&#x017F;tlich das Schiff hinab in die heilige Meersflut,<lb/>
Stellten die Ma&#x017F;ten empor und die Segel im &#x017F;chwa&#x0364;rzlichen Schiffe,<lb/>
Brachten darauf die Schafe hinein, und traten dann &#x017F;elber<lb/>
Herzlich beku&#x0364;mmert ins Schiff, und viele Thra&#x0364;nen vergießend. <note place="right">5</note><lb/>
Jene &#x017F;andte vom Ufer dem blauge&#x017F;chna&#x0364;belten Schiffe,<lb/>
Gu&#x0364;n&#x017F;tigen &#x017F;egel&#x017F;chwellenden Wind, zum guten Begleiter,<lb/>
Kirka&#x0364; die &#x017F;cho&#x0364;ngelockte, die hehre melodi&#x017F;che Go&#x0364;ttin.<lb/>
Eilig brachten wir jezt die Gera&#x0364;the des Schiffes in Ordnung,<lb/>
Saßen dann &#x017F;till, und ließen vom Wind' und Steuer uns lenken. <note place="right">10</note><lb/>
Und wir durch&#x017F;chifften den Tag mit vollem Segel die Waßer.<lb/>
Und die Sonne &#x017F;ank, und Dunkel umhu&#x0364;llte die Pfade.</p><lb/>
        <p>Jezo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende. <note place="foot" n="V. 13.">Das Ende des Ozeanflußes, na&#x0364;mlich der Meerenge zwi&#x017F;chen Afrika<lb/>
und der eingebildeten Spize Italiens.</note><lb/>
Alda liegt das Land und die Stadt der kimmeri&#x017F;chen Ma&#x0364;nner. <note place="foot" n="V. 14.">Die we&#x017F;tliche und no&#x0364;rdliche Grenze der Welt, von dem Ozeanfluß bis<lb/>
u&#x0364;ber das &#x017F;chwarze Meer hinauf, hielt man wegen der Entfernung der Sonne fu&#x0364;r<lb/>
dunkel. Denn die Sonne, meinte man, ginge von dem Ozean bei Kolchis, nicht<lb/>
viel ho&#x0364;her als die Wolken, u&#x0364;ber das Land der Aithiopen (in A&#x017F;ien und Afrika),<lb/>
und &#x017F;chiffte dann von dem Atlas in einem goldnen Becher hinter dem hohen Ge&#x017F;tade<lb/>
Europa's wieder nach dem o&#x0364;&#x017F;tlichen Ozean.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0211] Oduͤßee. Elfter Geſang. Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Zogen wir erſtlich das Schiff hinab in die heilige Meersflut, Stellten die Maſten empor und die Segel im ſchwaͤrzlichen Schiffe, Brachten darauf die Schafe hinein, und traten dann ſelber Herzlich bekuͤmmert ins Schiff, und viele Thraͤnen vergießend. Jene ſandte vom Ufer dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe, Guͤnſtigen ſegelſchwellenden Wind, zum guten Begleiter, Kirkaͤ die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin. Eilig brachten wir jezt die Geraͤthe des Schiffes in Ordnung, Saßen dann ſtill, und ließen vom Wind' und Steuer uns lenken. Und wir durchſchifften den Tag mit vollem Segel die Waßer. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. 5 10 Jezo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende. V. 13. Alda liegt das Land und die Stadt der kimmeriſchen Maͤnner. V. 14. V. 13. Das Ende des Ozeanflußes, naͤmlich der Meerenge zwiſchen Afrika und der eingebildeten Spize Italiens. V. 14. Die weſtliche und noͤrdliche Grenze der Welt, von dem Ozeanfluß bis uͤber das ſchwarze Meer hinauf, hielt man wegen der Entfernung der Sonne fuͤr dunkel. Denn die Sonne, meinte man, ginge von dem Ozean bei Kolchis, nicht viel hoͤher als die Wolken, uͤber das Land der Aithiopen (in Aſien und Afrika), und ſchiffte dann von dem Atlas in einem goldnen Becher hinter dem hohen Geſtade Europa's wieder nach dem oͤſtlichen Ozean.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/211
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/211>, abgerufen am 30.12.2024.