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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Pflanze im Gegentheile, saugt Kohlensäure ein und gibt dafür Sauer-
stoff an die Atmosphäre zurück. So stehen beide Reiche in inniger
Wechselwirkung durch das Mittel der Atmosphäre. Die Existenz des
Einen bedingt die des Andern; ohne Pflanzenwelt keine Thierwelt und
umgekehrt. Die in dem Wasser lebenden Pflanzen und Thiere sind
hinsichtlich ihrer Athmung auf diejenigen Gasarten angewiesen, welche
in dem Wasser selbst enthalten sind. Der im Wasser aufgelöste Sauer-
stoff dient den Thieren, die darin aufgelöste Kohlensäure den Pflanzen
zur Unterhaltung dieser Wechselwirkung mit der Atmosphäre. Durch
Abhaltung der Luft, durch Entziehung derselben aus dem Wasser kann
man die Bewohner dieses Elementes ebenso ersticken, wie die Land-
thiere durch Entziehung der Atmosphäre. Aber auch bei den Orga-
nen, welche die Athmung vermitteln, zeigt sich eine stufenweise Aus-
bildung und genauere Specialisirung ihrer Function. Anfänglich ist
die Athmung der allgemeinen Körperoberfläche anheim gegeben, dann
entstehen besondere Organe, welche oft mit den Bewegungsorganen
verschmolzen oder nur theilweise von ihnen getrennt sind; dann erschei-
nen sie als Anhängsel auf der äußern Fläche, bis sie endlich besondere
Höhlen im Innern bilden, die einen complicirten röhrenförmigen Bau
annehmen. Man unterscheidet hier in der Thierwelt wesentlich zwei
Arten von Athemorganen: Kiemen, die unterste Stufe, bestimmt im
Wasser zu athmen und deßhalb wesentlich in Form von Vorsprüngen,
Blättern, Bäumchen etc. entwickelt und Lungen, bestimmt mit der
atmosphärischen Luft unmittelbar in Wechselwirkung zu treten und
deßhalb in Form von Blasen, Säcken oder Luftröhren ausgebildet.
Wie der Darmkanal das Organ für die Aufnahme von Stoffen in
flüssiger Form ist, so haben die Athemorgane die specielle Function des
Austausches von Gasarten, welche sich im Blute finden, mit denen
des Mediums, in welchem das Thier lebt. Aber dieser Austausch be-
schränkt sich nie, selbst bei der höchsten Entwickelung der Athemorgane
nicht, auf diese allein, indem stets auch die äußere Haut an dieser
Function, die sie Anfangs allein hatte, Antheil nimmt. Eine wesent-
liche Bedingung zur Erhaltung der Athemfunction ist der stete Wechsel
des zur Athmung dienenden Mediums, zu welchem Zwecke theils eigen-
thümliche, der Einrichtung eines Blasebalgs ähnliche Vorrichtungen
dienen, theils auch besondere Wirbel- und Strudelorgane, welche eine
Strömung des Wassers oder der Luft erzeugen, vorhanden sind.

Die sogenannten vegetativen Functionen, welche die Erhal-
tung des Individuums bezwecken, zersplittern sich in der angedeuteten
Weise immer mehr und mehr bei fortschreitender Ausbildung des thie-

Pflanze im Gegentheile, ſaugt Kohlenſäure ein und gibt dafür Sauer-
ſtoff an die Atmosphäre zurück. So ſtehen beide Reiche in inniger
Wechſelwirkung durch das Mittel der Atmosphäre. Die Exiſtenz des
Einen bedingt die des Andern; ohne Pflanzenwelt keine Thierwelt und
umgekehrt. Die in dem Waſſer lebenden Pflanzen und Thiere ſind
hinſichtlich ihrer Athmung auf diejenigen Gasarten angewieſen, welche
in dem Waſſer ſelbſt enthalten ſind. Der im Waſſer aufgelöſte Sauer-
ſtoff dient den Thieren, die darin aufgelöſte Kohlenſäure den Pflanzen
zur Unterhaltung dieſer Wechſelwirkung mit der Atmosphäre. Durch
Abhaltung der Luft, durch Entziehung derſelben aus dem Waſſer kann
man die Bewohner dieſes Elementes ebenſo erſticken, wie die Land-
thiere durch Entziehung der Atmosphäre. Aber auch bei den Orga-
nen, welche die Athmung vermitteln, zeigt ſich eine ſtufenweiſe Aus-
bildung und genauere Specialiſirung ihrer Function. Anfänglich iſt
die Athmung der allgemeinen Körperoberfläche anheim gegeben, dann
entſtehen beſondere Organe, welche oft mit den Bewegungsorganen
verſchmolzen oder nur theilweiſe von ihnen getrennt ſind; dann erſchei-
nen ſie als Anhängſel auf der äußern Fläche, bis ſie endlich beſondere
Höhlen im Innern bilden, die einen complicirten röhrenförmigen Bau
annehmen. Man unterſcheidet hier in der Thierwelt weſentlich zwei
Arten von Athemorganen: Kiemen, die unterſte Stufe, beſtimmt im
Waſſer zu athmen und deßhalb weſentlich in Form von Vorſprüngen,
Blättern, Bäumchen etc. entwickelt und Lungen, beſtimmt mit der
atmosphäriſchen Luft unmittelbar in Wechſelwirkung zu treten und
deßhalb in Form von Blaſen, Säcken oder Luftröhren ausgebildet.
Wie der Darmkanal das Organ für die Aufnahme von Stoffen in
flüſſiger Form iſt, ſo haben die Athemorgane die ſpecielle Function des
Austauſches von Gasarten, welche ſich im Blute finden, mit denen
des Mediums, in welchem das Thier lebt. Aber dieſer Austauſch be-
ſchränkt ſich nie, ſelbſt bei der höchſten Entwickelung der Athemorgane
nicht, auf dieſe allein, indem ſtets auch die äußere Haut an dieſer
Function, die ſie Anfangs allein hatte, Antheil nimmt. Eine weſent-
liche Bedingung zur Erhaltung der Athemfunction iſt der ſtete Wechſel
des zur Athmung dienenden Mediums, zu welchem Zwecke theils eigen-
thümliche, der Einrichtung eines Blaſebalgs ähnliche Vorrichtungen
dienen, theils auch beſondere Wirbel- und Strudelorgane, welche eine
Strömung des Waſſers oder der Luft erzeugen, vorhanden ſind.

Die ſogenannten vegetativen Functionen, welche die Erhal-
tung des Individuums bezwecken, zerſplittern ſich in der angedeuteten
Weiſe immer mehr und mehr bei fortſchreitender Ausbildung des thie-

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[42/0048] Pflanze im Gegentheile, ſaugt Kohlenſäure ein und gibt dafür Sauer- ſtoff an die Atmosphäre zurück. So ſtehen beide Reiche in inniger Wechſelwirkung durch das Mittel der Atmosphäre. Die Exiſtenz des Einen bedingt die des Andern; ohne Pflanzenwelt keine Thierwelt und umgekehrt. Die in dem Waſſer lebenden Pflanzen und Thiere ſind hinſichtlich ihrer Athmung auf diejenigen Gasarten angewieſen, welche in dem Waſſer ſelbſt enthalten ſind. Der im Waſſer aufgelöſte Sauer- ſtoff dient den Thieren, die darin aufgelöſte Kohlenſäure den Pflanzen zur Unterhaltung dieſer Wechſelwirkung mit der Atmosphäre. Durch Abhaltung der Luft, durch Entziehung derſelben aus dem Waſſer kann man die Bewohner dieſes Elementes ebenſo erſticken, wie die Land- thiere durch Entziehung der Atmosphäre. Aber auch bei den Orga- nen, welche die Athmung vermitteln, zeigt ſich eine ſtufenweiſe Aus- bildung und genauere Specialiſirung ihrer Function. Anfänglich iſt die Athmung der allgemeinen Körperoberfläche anheim gegeben, dann entſtehen beſondere Organe, welche oft mit den Bewegungsorganen verſchmolzen oder nur theilweiſe von ihnen getrennt ſind; dann erſchei- nen ſie als Anhängſel auf der äußern Fläche, bis ſie endlich beſondere Höhlen im Innern bilden, die einen complicirten röhrenförmigen Bau annehmen. Man unterſcheidet hier in der Thierwelt weſentlich zwei Arten von Athemorganen: Kiemen, die unterſte Stufe, beſtimmt im Waſſer zu athmen und deßhalb weſentlich in Form von Vorſprüngen, Blättern, Bäumchen etc. entwickelt und Lungen, beſtimmt mit der atmosphäriſchen Luft unmittelbar in Wechſelwirkung zu treten und deßhalb in Form von Blaſen, Säcken oder Luftröhren ausgebildet. Wie der Darmkanal das Organ für die Aufnahme von Stoffen in flüſſiger Form iſt, ſo haben die Athemorgane die ſpecielle Function des Austauſches von Gasarten, welche ſich im Blute finden, mit denen des Mediums, in welchem das Thier lebt. Aber dieſer Austauſch be- ſchränkt ſich nie, ſelbſt bei der höchſten Entwickelung der Athemorgane nicht, auf dieſe allein, indem ſtets auch die äußere Haut an dieſer Function, die ſie Anfangs allein hatte, Antheil nimmt. Eine weſent- liche Bedingung zur Erhaltung der Athemfunction iſt der ſtete Wechſel des zur Athmung dienenden Mediums, zu welchem Zwecke theils eigen- thümliche, der Einrichtung eines Blaſebalgs ähnliche Vorrichtungen dienen, theils auch beſondere Wirbel- und Strudelorgane, welche eine Strömung des Waſſers oder der Luft erzeugen, vorhanden ſind. Die ſogenannten vegetativen Functionen, welche die Erhal- tung des Individuums bezwecken, zerſplittern ſich in der angedeuteten Weiſe immer mehr und mehr bei fortſchreitender Ausbildung des thie-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/48>, abgerufen am 26.04.2024.