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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Sohle den Boden, die Hunde, Hyänen und Katzen gehen auf der
Spitze der Zehen. So ergeben sich denn drei natürliche Unterord-
nungen
(Subordo) in der Ordnung der Fleischfresser, die Sohlen-
gänger, die Halbsohlengänger und die Zehengänger, deren jede eine
bestimmte Anzahl von Familien und Gattungen einschließt. Die Ord-
nungen, wie die Unterordnungen können meist weit sicherer durch be-
stimmte Merkmale charakterisirt werden als die Familien; und wenn
man die Geschichte derjenigen größern Abtheilungen des Thierreiches
betrachtet, mit denen man seit längerer Zeit vertraut war, wie z. B.
der Säugethiere, so überzeugt man sich leicht, daß die verschiedenen
Systeme nur in sofern sich unterscheiden, als man den einzelnen Ab-
theilungen verschiedenen relativen Werth beimaß, daß aber die Cha-
raktere dieser Abtheilungen selbst seit Linne's Zeiten fast dieselben ge-
blieben sind.

Schon das Zusammenfügen der Ordnungen würde einen sichern
Ueberblick gewähren; allein man findet noch allgemeinere Merkmale,
nach welchen man die Ordnungen zusammenstellt. Trotz der großen
Verschiedenheit zwischen einem Affen, einem Hunde, einem Pferde und
einer Robbe, wird man dieselben doch einem Vogel oder einem Fische
gegenüber als Glieder eines gemeinschaftlichen Typus erkennen und bei
genauerer Untersuchung wird man in der Behaarung ihrer Haut und
in der Art und Weise, wie sie ihre Jungen säugen, genügende Kenn-
zeichen finden, um diese Säugethiere als Klasse (Classis) und als
ein Ganzes mit bestimmten Merkmalen den Vögeln oder Fischen gegen-
über zu stellen.

So gelangt man endlich zu den letzten großen Gruppen des
Thierreiches, zu den Kreisen und Provinzen. Verschiedene Klassen
haben wieder gemeinsame Merkmale in der Gesammtbildung ihres
Körpers, in der Lagerung ihrer Organe, in ihrer Entwickelung wäh-
rend der Embryonalzeit; so stimmen Fisch und Vogel, Frosch und
Säugethier in der Existenz eines inneren Skelettes, eines wahren Hir-
nes und Rückenmarkes und in deren Lagerung auf der Rückenfläche
mit einander überein, unterscheiden sich als Bildungstypus, als Kreis
der Wirbelthiere und stehen als solche den Gliederthieren, den Weich-
thieren, den Strahlthieren, die eine andere Lagerung der Leibesorgane,
eine andere Entwicklungsart haben, scharf gegenüber.

Es ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, daß nicht alle Merk-
male welche ein Thier zeigt, von gleicher Bedeutung für die Klassi-
ficationen sind, daß man, wie schon oft gesagt wurde, die Charaktere
wägen und nicht zählen muß. Die Gesammtbildung des Körpers, die

Sohle den Boden, die Hunde, Hyänen und Katzen gehen auf der
Spitze der Zehen. So ergeben ſich denn drei natürliche Unterord-
nungen
(Subordo) in der Ordnung der Fleiſchfreſſer, die Sohlen-
gänger, die Halbſohlengänger und die Zehengänger, deren jede eine
beſtimmte Anzahl von Familien und Gattungen einſchließt. Die Ord-
nungen, wie die Unterordnungen können meiſt weit ſicherer durch be-
ſtimmte Merkmale charakteriſirt werden als die Familien; und wenn
man die Geſchichte derjenigen größern Abtheilungen des Thierreiches
betrachtet, mit denen man ſeit längerer Zeit vertraut war, wie z. B.
der Säugethiere, ſo überzeugt man ſich leicht, daß die verſchiedenen
Syſteme nur in ſofern ſich unterſcheiden, als man den einzelnen Ab-
theilungen verſchiedenen relativen Werth beimaß, daß aber die Cha-
raktere dieſer Abtheilungen ſelbſt ſeit Linné’s Zeiten faſt dieſelben ge-
blieben ſind.

Schon das Zuſammenfügen der Ordnungen würde einen ſichern
Ueberblick gewähren; allein man findet noch allgemeinere Merkmale,
nach welchen man die Ordnungen zuſammenſtellt. Trotz der großen
Verſchiedenheit zwiſchen einem Affen, einem Hunde, einem Pferde und
einer Robbe, wird man dieſelben doch einem Vogel oder einem Fiſche
gegenüber als Glieder eines gemeinſchaftlichen Typus erkennen und bei
genauerer Unterſuchung wird man in der Behaarung ihrer Haut und
in der Art und Weiſe, wie ſie ihre Jungen ſäugen, genügende Kenn-
zeichen finden, um dieſe Säugethiere als Klaſſe (Classis) und als
ein Ganzes mit beſtimmten Merkmalen den Vögeln oder Fiſchen gegen-
über zu ſtellen.

So gelangt man endlich zu den letzten großen Gruppen des
Thierreiches, zu den Kreiſen und Provinzen. Verſchiedene Klaſſen
haben wieder gemeinſame Merkmale in der Geſammtbildung ihres
Körpers, in der Lagerung ihrer Organe, in ihrer Entwickelung wäh-
rend der Embryonalzeit; ſo ſtimmen Fiſch und Vogel, Froſch und
Säugethier in der Exiſtenz eines inneren Skelettes, eines wahren Hir-
nes und Rückenmarkes und in deren Lagerung auf der Rückenfläche
mit einander überein, unterſcheiden ſich als Bildungstypus, als Kreis
der Wirbelthiere und ſtehen als ſolche den Gliederthieren, den Weich-
thieren, den Strahlthieren, die eine andere Lagerung der Leibesorgane,
eine andere Entwicklungsart haben, ſcharf gegenüber.

Es ergiebt ſich aus dem Vorhergehenden, daß nicht alle Merk-
male welche ein Thier zeigt, von gleicher Bedeutung für die Klaſſi-
ficationen ſind, daß man, wie ſchon oft geſagt wurde, die Charaktere
wägen und nicht zählen muß. Die Geſammtbildung des Körpers, die

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[28/0034] Sohle den Boden, die Hunde, Hyänen und Katzen gehen auf der Spitze der Zehen. So ergeben ſich denn drei natürliche Unterord- nungen (Subordo) in der Ordnung der Fleiſchfreſſer, die Sohlen- gänger, die Halbſohlengänger und die Zehengänger, deren jede eine beſtimmte Anzahl von Familien und Gattungen einſchließt. Die Ord- nungen, wie die Unterordnungen können meiſt weit ſicherer durch be- ſtimmte Merkmale charakteriſirt werden als die Familien; und wenn man die Geſchichte derjenigen größern Abtheilungen des Thierreiches betrachtet, mit denen man ſeit längerer Zeit vertraut war, wie z. B. der Säugethiere, ſo überzeugt man ſich leicht, daß die verſchiedenen Syſteme nur in ſofern ſich unterſcheiden, als man den einzelnen Ab- theilungen verſchiedenen relativen Werth beimaß, daß aber die Cha- raktere dieſer Abtheilungen ſelbſt ſeit Linné’s Zeiten faſt dieſelben ge- blieben ſind. Schon das Zuſammenfügen der Ordnungen würde einen ſichern Ueberblick gewähren; allein man findet noch allgemeinere Merkmale, nach welchen man die Ordnungen zuſammenſtellt. Trotz der großen Verſchiedenheit zwiſchen einem Affen, einem Hunde, einem Pferde und einer Robbe, wird man dieſelben doch einem Vogel oder einem Fiſche gegenüber als Glieder eines gemeinſchaftlichen Typus erkennen und bei genauerer Unterſuchung wird man in der Behaarung ihrer Haut und in der Art und Weiſe, wie ſie ihre Jungen ſäugen, genügende Kenn- zeichen finden, um dieſe Säugethiere als Klaſſe (Classis) und als ein Ganzes mit beſtimmten Merkmalen den Vögeln oder Fiſchen gegen- über zu ſtellen. So gelangt man endlich zu den letzten großen Gruppen des Thierreiches, zu den Kreiſen und Provinzen. Verſchiedene Klaſſen haben wieder gemeinſame Merkmale in der Geſammtbildung ihres Körpers, in der Lagerung ihrer Organe, in ihrer Entwickelung wäh- rend der Embryonalzeit; ſo ſtimmen Fiſch und Vogel, Froſch und Säugethier in der Exiſtenz eines inneren Skelettes, eines wahren Hir- nes und Rückenmarkes und in deren Lagerung auf der Rückenfläche mit einander überein, unterſcheiden ſich als Bildungstypus, als Kreis der Wirbelthiere und ſtehen als ſolche den Gliederthieren, den Weich- thieren, den Strahlthieren, die eine andere Lagerung der Leibesorgane, eine andere Entwicklungsart haben, ſcharf gegenüber. Es ergiebt ſich aus dem Vorhergehenden, daß nicht alle Merk- male welche ein Thier zeigt, von gleicher Bedeutung für die Klaſſi- ficationen ſind, daß man, wie ſchon oft geſagt wurde, die Charaktere wägen und nicht zählen muß. Die Geſammtbildung des Körpers, die

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/34>, abgerufen am 26.04.2024.