Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

überall schreitet in diesen Reihen die Entwickelung in der Art vor
sich, daß bei den Niedergestellten die Larven zwar von der Mutter
mit Proviant versehen, dann aber sich selbst überlassen werden, wäh-
rend bei den Höheren die Larven als Angehörige der Gesellschaft auf-
erzogen und während der Periode ihrer Unbehülflichkeit entweder von
den Müttern selbst, oder von den verkümmerten Weibchen ernähert
und gepflegt werden.

Erste Reihe. Hautflügler mit Legeröhre.

Die Familie der Gallwespen (Cyniphida) besteht aus einer An-

[Abbildung] Fig. 904.

Wespe der Färbergalle
(Cynips gallae tinctoriae).

zahl meist sehr kleiner, träger Insekten, die
durch eine ungemeine Entwickelung des Brust-
stückes buckelig erscheinen. Der Kopf ist klein,
quer gestellt, die Brust breit, hoch, eiförmig,
der Hinterleib gewöhnlich rund und durch einen
kurzen Stiel mit dem Bruststücke verbunden.
Meist ist der Leib an seinem hinteren Ende zu-
sammengedrückt, und endet dort in zwei Klap-
pen, welche die außerordentlich dünne und feine
Legeröhre einschließen. Die Fühler sind gerade,
mitten auf der Stirn eingelenkt, aus dreizehn bis fünfzehn Gliedern
zusammengesetzt, kürzer bei den Weibchen; die Oberlippe sehr klein;
die Kiefer kurz, dick, am Rande gezähnelt; die Kinnladen am Ende
mit einem großen, häutigen Lappen versehen; Kiefertaster kurz, fünf-
gliederig, Lippentaster rudimentär. Die Flügel sind sehr zart und
durchsichtig und zeigen nur sehr wenige, unbedeutende Adern, die sogar
bei einigen Gattungen gänzlich fehlen.

Die Gallwespen legen ihre Eier unter die Oberhaut der Pflanzen,
in das Zellengewebe derselben, indem sie mit ihrer Legeröhre, die aus
einer einfachen Halbscheide und zwei darin verborgenen gezähnelten
Borsten besteht, ein Loch in die äußere Hülle sägen, in welches sie
dann ihr Ei einschieben. Die Verwundung erzeugt bei den Gewäch-
sen eine hohle, meist harte Geschwulst, in deren Inneren dann die
fußlosen Larven leben und sich von dem Marke des Gallapfels näh-
ren. -- Zuweilen verpuppen sich die Larven im Innern der Galläpfel
selbst; Andere bohren sich hervor, und verpuppen sich in der Erde.
In den meisten Galläpfeln lebt nur eine Larve; es giebt indessen

überall ſchreitet in dieſen Reihen die Entwickelung in der Art vor
ſich, daß bei den Niedergeſtellten die Larven zwar von der Mutter
mit Proviant verſehen, dann aber ſich ſelbſt überlaſſen werden, wäh-
rend bei den Höheren die Larven als Angehörige der Geſellſchaft auf-
erzogen und während der Periode ihrer Unbehülflichkeit entweder von
den Müttern ſelbſt, oder von den verkümmerten Weibchen ernähert
und gepflegt werden.

Erſte Reihe. Hautflügler mit Legeröhre.

Die Familie der Gallwespen (Cyniphida) beſteht aus einer An-

[Abbildung] Fig. 904.

Wespe der Färbergalle
(Cynips gallae tinctoriae).

zahl meiſt ſehr kleiner, träger Inſekten, die
durch eine ungemeine Entwickelung des Bruſt-
ſtückes buckelig erſcheinen. Der Kopf iſt klein,
quer geſtellt, die Bruſt breit, hoch, eiförmig,
der Hinterleib gewöhnlich rund und durch einen
kurzen Stiel mit dem Bruſtſtücke verbunden.
Meiſt iſt der Leib an ſeinem hinteren Ende zu-
ſammengedrückt, und endet dort in zwei Klap-
pen, welche die außerordentlich dünne und feine
Legeröhre einſchließen. Die Fühler ſind gerade,
mitten auf der Stirn eingelenkt, aus dreizehn bis fünfzehn Gliedern
zuſammengeſetzt, kürzer bei den Weibchen; die Oberlippe ſehr klein;
die Kiefer kurz, dick, am Rande gezähnelt; die Kinnladen am Ende
mit einem großen, häutigen Lappen verſehen; Kiefertaſter kurz, fünf-
gliederig, Lippentaſter rudimentär. Die Flügel ſind ſehr zart und
durchſichtig und zeigen nur ſehr wenige, unbedeutende Adern, die ſogar
bei einigen Gattungen gänzlich fehlen.

Die Gallwespen legen ihre Eier unter die Oberhaut der Pflanzen,
in das Zellengewebe derſelben, indem ſie mit ihrer Legeröhre, die aus
einer einfachen Halbſcheide und zwei darin verborgenen gezähnelten
Borſten beſteht, ein Loch in die äußere Hülle ſägen, in welches ſie
dann ihr Ei einſchieben. Die Verwundung erzeugt bei den Gewäch-
ſen eine hohle, meiſt harte Geſchwulſt, in deren Inneren dann die
fußloſen Larven leben und ſich von dem Marke des Gallapfels näh-
ren. — Zuweilen verpuppen ſich die Larven im Innern der Galläpfel
ſelbſt; Andere bohren ſich hervor, und verpuppen ſich in der Erde.
In den meiſten Galläpfeln lebt nur eine Larve; es giebt indeſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0694" n="688"/>
überall &#x017F;chreitet in die&#x017F;en Reihen die Entwickelung in der Art vor<lb/>
&#x017F;ich, daß bei den Niederge&#x017F;tellten die Larven zwar von der Mutter<lb/>
mit Proviant ver&#x017F;ehen, dann aber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en werden, wäh-<lb/>
rend bei den Höheren die Larven als Angehörige der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auf-<lb/>
erzogen und während der Periode ihrer Unbehülflichkeit entweder von<lb/>
den Müttern &#x017F;elb&#x017F;t, oder von den verkümmerten Weibchen ernähert<lb/>
und gepflegt werden.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Er&#x017F;te Reihe. Hautflügler mit Legeröhre.</hi> </head><lb/>
            <p>Die Familie der <hi rendition="#b">Gallwespen</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Cyniphida</hi></hi>) be&#x017F;teht aus einer An-<lb/><figure><head>Fig. 904.</head><lb/><p>Wespe der Färbergalle<lb/>
(<hi rendition="#aq">Cynips gallae tinctoriae</hi>).</p></figure><lb/>
zahl mei&#x017F;t &#x017F;ehr kleiner, träger In&#x017F;ekten, die<lb/>
durch eine ungemeine Entwickelung des Bru&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tückes buckelig er&#x017F;cheinen. Der Kopf i&#x017F;t klein,<lb/>
quer ge&#x017F;tellt, die Bru&#x017F;t breit, hoch, eiförmig,<lb/>
der Hinterleib gewöhnlich rund und durch einen<lb/>
kurzen Stiel mit dem Bru&#x017F;t&#x017F;tücke verbunden.<lb/>
Mei&#x017F;t i&#x017F;t der Leib an &#x017F;einem hinteren Ende zu-<lb/>
&#x017F;ammengedrückt, und endet dort in zwei Klap-<lb/>
pen, welche die außerordentlich dünne und feine<lb/>
Legeröhre ein&#x017F;chließen. Die Fühler &#x017F;ind gerade,<lb/>
mitten auf der Stirn eingelenkt, aus dreizehn bis fünfzehn Gliedern<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, kürzer bei den Weibchen; die Oberlippe &#x017F;ehr klein;<lb/>
die Kiefer kurz, dick, am Rande gezähnelt; die Kinnladen am Ende<lb/>
mit einem großen, häutigen Lappen ver&#x017F;ehen; Kieferta&#x017F;ter kurz, fünf-<lb/>
gliederig, Lippenta&#x017F;ter rudimentär. Die Flügel &#x017F;ind &#x017F;ehr zart und<lb/>
durch&#x017F;ichtig und zeigen nur &#x017F;ehr wenige, unbedeutende Adern, die &#x017F;ogar<lb/>
bei einigen Gattungen gänzlich fehlen.</p><lb/>
            <p>Die Gallwespen legen ihre Eier unter die Oberhaut der Pflanzen,<lb/>
in das Zellengewebe der&#x017F;elben, indem &#x017F;ie mit ihrer Legeröhre, die aus<lb/>
einer einfachen Halb&#x017F;cheide und zwei darin verborgenen gezähnelten<lb/>
Bor&#x017F;ten be&#x017F;teht, ein Loch in die äußere Hülle &#x017F;ägen, in welches &#x017F;ie<lb/>
dann ihr Ei ein&#x017F;chieben. Die Verwundung erzeugt bei den Gewäch-<lb/>
&#x017F;en eine hohle, mei&#x017F;t harte Ge&#x017F;chwul&#x017F;t, in deren Inneren dann die<lb/>
fußlo&#x017F;en Larven leben und &#x017F;ich von dem Marke des Gallapfels näh-<lb/>
ren. &#x2014; Zuweilen verpuppen &#x017F;ich die Larven im Innern der Galläpfel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t; Andere bohren &#x017F;ich hervor, und verpuppen &#x017F;ich in der Erde.<lb/>
In den mei&#x017F;ten Galläpfeln lebt nur eine Larve; es giebt inde&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[688/0694] überall ſchreitet in dieſen Reihen die Entwickelung in der Art vor ſich, daß bei den Niedergeſtellten die Larven zwar von der Mutter mit Proviant verſehen, dann aber ſich ſelbſt überlaſſen werden, wäh- rend bei den Höheren die Larven als Angehörige der Geſellſchaft auf- erzogen und während der Periode ihrer Unbehülflichkeit entweder von den Müttern ſelbſt, oder von den verkümmerten Weibchen ernähert und gepflegt werden. Erſte Reihe. Hautflügler mit Legeröhre. Die Familie der Gallwespen (Cyniphida) beſteht aus einer An- [Abbildung Fig. 904. Wespe der Färbergalle (Cynips gallae tinctoriae).] zahl meiſt ſehr kleiner, träger Inſekten, die durch eine ungemeine Entwickelung des Bruſt- ſtückes buckelig erſcheinen. Der Kopf iſt klein, quer geſtellt, die Bruſt breit, hoch, eiförmig, der Hinterleib gewöhnlich rund und durch einen kurzen Stiel mit dem Bruſtſtücke verbunden. Meiſt iſt der Leib an ſeinem hinteren Ende zu- ſammengedrückt, und endet dort in zwei Klap- pen, welche die außerordentlich dünne und feine Legeröhre einſchließen. Die Fühler ſind gerade, mitten auf der Stirn eingelenkt, aus dreizehn bis fünfzehn Gliedern zuſammengeſetzt, kürzer bei den Weibchen; die Oberlippe ſehr klein; die Kiefer kurz, dick, am Rande gezähnelt; die Kinnladen am Ende mit einem großen, häutigen Lappen verſehen; Kiefertaſter kurz, fünf- gliederig, Lippentaſter rudimentär. Die Flügel ſind ſehr zart und durchſichtig und zeigen nur ſehr wenige, unbedeutende Adern, die ſogar bei einigen Gattungen gänzlich fehlen. Die Gallwespen legen ihre Eier unter die Oberhaut der Pflanzen, in das Zellengewebe derſelben, indem ſie mit ihrer Legeröhre, die aus einer einfachen Halbſcheide und zwei darin verborgenen gezähnelten Borſten beſteht, ein Loch in die äußere Hülle ſägen, in welches ſie dann ihr Ei einſchieben. Die Verwundung erzeugt bei den Gewäch- ſen eine hohle, meiſt harte Geſchwulſt, in deren Inneren dann die fußloſen Larven leben und ſich von dem Marke des Gallapfels näh- ren. — Zuweilen verpuppen ſich die Larven im Innern der Galläpfel ſelbſt; Andere bohren ſich hervor, und verpuppen ſich in der Erde. In den meiſten Galläpfeln lebt nur eine Larve; es giebt indeſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/694
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/694>, abgerufen am 21.11.2024.