sen, während doch jeder Bearbeiter dieser merkwürdigen Thiere offen gestehen mußte, daß es ihm unmöglich sei, auch nur durch ein einziges in der Organisation begründetes Merkmal diese Klasse der Eingeweide- würmer zu charakterisiren. Man hatte hier Alles zusammengeworfen, was nicht mit äußerster Evidenz andern Klassen angehörte und wagte nicht, mit Trennungen vorzuschreiten, welche alte Gewohnheiten be- leidigen konnten, obgleich man aus andern Klassen viele reine Para- siten kannte, die man trotz ihres Wohnsitzes nicht zu den Eingeweide- würmern rechnete, da es zu evident war, daß sie dem Kreise der Würmer nicht angehörten.
Klasse der Rundwürmer. (Nematelmia.)
[Abbildung]
Fig. 170
Spul- wurm (Ascaris) Oben der Mund um die drei knotigen Lix- pen zu zeigen; unten das Körperende des Männchens mit vorstehender Ruthe.
Die sämmtlichen Rundwürmer, mit Ausnahme einer Familie, bringen die größte Zeit ihres Lebens schmarotzend im Körper anderer Thiere zu, wo man sie sowohl in den Eingeweiden als auch innerhalb ganz geschlossener Organe findet, zu welchen sie sich meistens in der Jugend einen Weg durch die Gewebe gebahnt haben. Der Körper der Rundwürmer ist meist cylindrisch, zuweilen gleich- förmig an beiden Seiten zugespitzt, selten abgeplattet oder mehr rundlich. Einzelne Gattungen derselben erreichen im Verhältniß zu ihrer Dicke eine ungeheure Länge, so daß sie wie dünne Faden oder Drähte erscheinen; bei vielen ist das eine oder andere Ende des Körpers bedeutend verschmä- lert und stellt sich wie ein Rüssel oder feiner Schwanz- anhang dar, während bei andern mancherlei Anhänge, wie Lippen, Schwanzblasen etc. das eine oder andere Körperende breiter oder ver- dickt erscheinen lassen. Die Haut dieser Thiere ist stets derb und bei den meisten in zahlreiche Querrunzeln gefaltet, so daß der Körper manchmal mehr oder minder geringelt erscheint. Es verschwinden diese Runzeln leicht durch Einsaugung von Wasser, wodurch sich der Kör- per oft bis zum Platzen füllt. Bei den meisten Typen der Klasse kann man außer der homogenen Oberhaut, eine aus Längs- und Quer- fasern gewebte Lederhaut und außerdem noch eine Schicht von Muskelfasern unterscheiden, durch welche die Zusammenziehungen und Ausdehnungen des Körpers bewirkt werden. Nur bei der nieder-
ſen, während doch jeder Bearbeiter dieſer merkwürdigen Thiere offen geſtehen mußte, daß es ihm unmöglich ſei, auch nur durch ein einziges in der Organiſation begründetes Merkmal dieſe Klaſſe der Eingeweide- würmer zu charakteriſiren. Man hatte hier Alles zuſammengeworfen, was nicht mit äußerſter Evidenz andern Klaſſen angehörte und wagte nicht, mit Trennungen vorzuſchreiten, welche alte Gewohnheiten be- leidigen konnten, obgleich man aus andern Klaſſen viele reine Para- ſiten kannte, die man trotz ihres Wohnſitzes nicht zu den Eingeweide- würmern rechnete, da es zu evident war, daß ſie dem Kreiſe der Würmer nicht angehörten.
Klaſſe der Rundwürmer. (Nematelmia.)
[Abbildung]
Fig. 170
Spul- wurm (Ascaris) Oben der Mund um die drei knotigen Lix- pen zu zeigen; unten das Körperende des Männchens mit vorſtehender Ruthe.
Die ſämmtlichen Rundwürmer, mit Ausnahme einer Familie, bringen die größte Zeit ihres Lebens ſchmarotzend im Körper anderer Thiere zu, wo man ſie ſowohl in den Eingeweiden als auch innerhalb ganz geſchloſſener Organe findet, zu welchen ſie ſich meiſtens in der Jugend einen Weg durch die Gewebe gebahnt haben. Der Körper der Rundwürmer iſt meiſt cylindriſch, zuweilen gleich- förmig an beiden Seiten zugeſpitzt, ſelten abgeplattet oder mehr rundlich. Einzelne Gattungen derſelben erreichen im Verhältniß zu ihrer Dicke eine ungeheure Länge, ſo daß ſie wie dünne Faden oder Drähte erſcheinen; bei vielen iſt das eine oder andere Ende des Körpers bedeutend verſchmä- lert und ſtellt ſich wie ein Rüſſel oder feiner Schwanz- anhang dar, während bei andern mancherlei Anhänge, wie Lippen, Schwanzblaſen etc. das eine oder andere Körperende breiter oder ver- dickt erſcheinen laſſen. Die Haut dieſer Thiere iſt ſtets derb und bei den meiſten in zahlreiche Querrunzeln gefaltet, ſo daß der Körper manchmal mehr oder minder geringelt erſcheint. Es verſchwinden dieſe Runzeln leicht durch Einſaugung von Waſſer, wodurch ſich der Kör- per oft bis zum Platzen füllt. Bei den meiſten Typen der Klaſſe kann man außer der homogenen Oberhaut, eine aus Längs- und Quer- faſern gewebte Lederhaut und außerdem noch eine Schicht von Muskelfaſern unterſcheiden, durch welche die Zuſammenziehungen und Ausdehnungen des Körpers bewirkt werden. Nur bei der nieder-
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ſen, während doch jeder Bearbeiter dieſer merkwürdigen Thiere offen
geſtehen mußte, daß es ihm unmöglich ſei, auch nur durch ein einziges in
der Organiſation begründetes Merkmal dieſe Klaſſe der Eingeweide-
würmer zu charakteriſiren. Man hatte hier Alles zuſammengeworfen,
was nicht mit äußerſter Evidenz andern Klaſſen angehörte und wagte
nicht, mit Trennungen vorzuſchreiten, welche alte Gewohnheiten be-
leidigen konnten, obgleich man aus andern Klaſſen viele reine Para-
ſiten kannte, die man trotz ihres Wohnſitzes nicht zu den Eingeweide-
würmern rechnete, da es zu evident war, daß ſie dem Kreiſe der
Würmer nicht angehörten.
Klaſſe der Rundwürmer. (Nematelmia.)
[Abbildung Fig. 170 Spul-
wurm (Ascaris)
Oben der Mund um
die drei knotigen Lix-
pen zu zeigen; unten
das Körperende des
Männchens mit
vorſtehender Ruthe. ]
Die ſämmtlichen Rundwürmer, mit Ausnahme einer
Familie, bringen die größte Zeit ihres Lebens ſchmarotzend
im Körper anderer Thiere zu, wo man ſie ſowohl in den
Eingeweiden als auch innerhalb ganz geſchloſſener Organe
findet, zu welchen ſie ſich meiſtens in der Jugend einen
Weg durch die Gewebe gebahnt haben. Der Körper
der Rundwürmer iſt meiſt cylindriſch, zuweilen gleich-
förmig an beiden Seiten zugeſpitzt, ſelten abgeplattet oder
mehr rundlich. Einzelne Gattungen derſelben erreichen
im Verhältniß zu ihrer Dicke eine ungeheure Länge, ſo
daß ſie wie dünne Faden oder Drähte erſcheinen; bei vielen iſt
das eine oder andere Ende des Körpers bedeutend verſchmä-
lert und ſtellt ſich wie ein Rüſſel oder feiner Schwanz-
anhang dar, während bei andern mancherlei Anhänge, wie Lippen,
Schwanzblaſen etc. das eine oder andere Körperende breiter oder ver-
dickt erſcheinen laſſen. Die Haut dieſer Thiere iſt ſtets derb und
bei den meiſten in zahlreiche Querrunzeln gefaltet, ſo daß der Körper
manchmal mehr oder minder geringelt erſcheint. Es verſchwinden dieſe
Runzeln leicht durch Einſaugung von Waſſer, wodurch ſich der Kör-
per oft bis zum Platzen füllt. Bei den meiſten Typen der Klaſſe
kann man außer der homogenen Oberhaut, eine aus Längs- und Quer-
faſern gewebte Lederhaut und außerdem noch eine Schicht von
Muskelfaſern unterſcheiden, durch welche die Zuſammenziehungen
und Ausdehnungen des Körpers bewirkt werden. Nur bei der nieder-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/181>, abgerufen am 21.11.2024.
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