Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Linie, sondern ebensosehr in der Farbengebung aus und sie ist es denn §. 735. An die Venetianer und Rubens schließt sich die spanische Schule, welche Der §. erinnert in Kürze an jenen Dualismus im spanischen Geiste,
Linie, ſondern ebenſoſehr in der Farbengebung aus und ſie iſt es denn §. 735. An die Venetianer und Rubens ſchließt ſich die ſpaniſche Schule, welche Der §. erinnert in Kürze an jenen Dualiſmus im ſpaniſchen Geiſte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0252" n="744"/> Linie, ſondern ebenſoſehr in der Farbengebung aus und ſie iſt es denn<lb/> hauptſächlich, wodurch Rubens ſeine ſtarken, aber unedlen Formen verklärt.<lb/> Hier knüpft ſich der Faden zwiſchen dem Süden und Norden (vergl. §. 725<lb/> Anm. 1. 2.): Rubens iſt in der Farbe Schüler der Venetianer. Mit<lb/> ihm erſt verſchwindet jene Art falſcher Plaſtik, die dem, doch ächt maleri-<lb/> ſchen, deutſchen Styl eigen iſt: die Härte der Grenzen (§. 726). Wie<lb/> der Umriß durch die ſchwungvolle Auffaſſung der Form bei ihm zuerſt<lb/> prinzipiell und durchgängig das Eckige abſtreift (und darin erkennt man<lb/> beſtimmt genug den Einfluß Italiens), ſo ſaugt nun auch techniſch die<lb/> Farbe den Umriß auf, gibt ihm jene Lockerung, die ihm bei den deutſchen<lb/> Meiſtern noch fehlte. So iſt Rubens im Norden der erſte eigentliche<lb/> Maler. Seine Farbe iſt nun überhaupt, ſelbſt noch mehr, als bei den<lb/> Venetianern, ein reif durchkochtes Ganzes; jene Conſumtion (§. 673)<lb/> tritt bei ihm ein, aber ſie ſteht noch mit der Entſchiedenheit der Local-<lb/> farbe im Gleichgewicht, Alles leuchtet von innen heraus, das Fleiſch<lb/> heller mit röthlichen Reflexen, als bei den Venetianern, Alles fließt und<lb/> ſchwimmt unbeſchadet der Kraft der Selbſtändigkeit im geſättigten Elemente<lb/> des Tons und der Töne. — In ſeiner Schule mildert ſich der Styl zu<lb/> größerer Zartheit durch <hi rendition="#g">Anton van Dyk</hi>, den empfindungsvollen Ma-<lb/> ler heiliger Scenen, den genialen Porträteur.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 735.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">An die Venetianer und Rubens ſchließt ſich die <hi rendition="#g">ſpaniſche</hi> Schule, welche<lb/> mit glühendem Myſticiſmus heiteren, realiſtiſchen Lebensſinn vereinigt (vergl.<lb/> §. 475) und in beiden Richtungen, dort durch die Tiefe des ſubjectiven Aus-<lb/> drucks, hier durch die Idealität des Humors im Sittenbilde das ächt Maleriſche<lb/> ebenſoſehr, als durch eigenthümliche Fortbildung des Colorits erweitert.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Der §. erinnert in Kürze an jenen Dualiſmus im ſpaniſchen Geiſte,<lb/> wovon bereits in der Geſchichte der Phantaſie die Rede geweſen, und<lb/> deutet zugleich an, wie beide Seiten deſſelben nach dem ächt Maleriſchen<lb/> hinwirkten. Die myſtiſche Gluth wirft ſich in der mythiſchen Sphäre vom<lb/> Object auf die Anbetenden (vergl. Kugler, Handb. d. Geſch. d. Malerei<lb/> S. 445) und arbeitet aus den innerſten Seelentiefen eine neue Welt<lb/> wunderbaren Ausdrucks zu Tage. Der derbe Lebensſinn, der Sancho<lb/> Panſa, dagegen wirft ſich auf das Sittenbild. Es vertheilt ſich dieß<lb/> allerdings auch an verſchiedene Meiſter, denn <hi rendition="#g">Zurbaran</hi> iſt der Maler<lb/> der Andacht, <hi rendition="#g">Murillo</hi> der Genremaler, aber die Trennung hebt ſich im<lb/> Letzteren wieder auf, denn er iſt ebenſoſehr auch der Maler der unendli-<lb/> chen Schmerzen und ſeligen Verzückungen der Andachtglühenden Seele.<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [744/0252]
Linie, ſondern ebenſoſehr in der Farbengebung aus und ſie iſt es denn
hauptſächlich, wodurch Rubens ſeine ſtarken, aber unedlen Formen verklärt.
Hier knüpft ſich der Faden zwiſchen dem Süden und Norden (vergl. §. 725
Anm. 1. 2.): Rubens iſt in der Farbe Schüler der Venetianer. Mit
ihm erſt verſchwindet jene Art falſcher Plaſtik, die dem, doch ächt maleri-
ſchen, deutſchen Styl eigen iſt: die Härte der Grenzen (§. 726). Wie
der Umriß durch die ſchwungvolle Auffaſſung der Form bei ihm zuerſt
prinzipiell und durchgängig das Eckige abſtreift (und darin erkennt man
beſtimmt genug den Einfluß Italiens), ſo ſaugt nun auch techniſch die
Farbe den Umriß auf, gibt ihm jene Lockerung, die ihm bei den deutſchen
Meiſtern noch fehlte. So iſt Rubens im Norden der erſte eigentliche
Maler. Seine Farbe iſt nun überhaupt, ſelbſt noch mehr, als bei den
Venetianern, ein reif durchkochtes Ganzes; jene Conſumtion (§. 673)
tritt bei ihm ein, aber ſie ſteht noch mit der Entſchiedenheit der Local-
farbe im Gleichgewicht, Alles leuchtet von innen heraus, das Fleiſch
heller mit röthlichen Reflexen, als bei den Venetianern, Alles fließt und
ſchwimmt unbeſchadet der Kraft der Selbſtändigkeit im geſättigten Elemente
des Tons und der Töne. — In ſeiner Schule mildert ſich der Styl zu
größerer Zartheit durch Anton van Dyk, den empfindungsvollen Ma-
ler heiliger Scenen, den genialen Porträteur.
§. 735.
An die Venetianer und Rubens ſchließt ſich die ſpaniſche Schule, welche
mit glühendem Myſticiſmus heiteren, realiſtiſchen Lebensſinn vereinigt (vergl.
§. 475) und in beiden Richtungen, dort durch die Tiefe des ſubjectiven Aus-
drucks, hier durch die Idealität des Humors im Sittenbilde das ächt Maleriſche
ebenſoſehr, als durch eigenthümliche Fortbildung des Colorits erweitert.
Der §. erinnert in Kürze an jenen Dualiſmus im ſpaniſchen Geiſte,
wovon bereits in der Geſchichte der Phantaſie die Rede geweſen, und
deutet zugleich an, wie beide Seiten deſſelben nach dem ächt Maleriſchen
hinwirkten. Die myſtiſche Gluth wirft ſich in der mythiſchen Sphäre vom
Object auf die Anbetenden (vergl. Kugler, Handb. d. Geſch. d. Malerei
S. 445) und arbeitet aus den innerſten Seelentiefen eine neue Welt
wunderbaren Ausdrucks zu Tage. Der derbe Lebensſinn, der Sancho
Panſa, dagegen wirft ſich auf das Sittenbild. Es vertheilt ſich dieß
allerdings auch an verſchiedene Meiſter, denn Zurbaran iſt der Maler
der Andacht, Murillo der Genremaler, aber die Trennung hebt ſich im
Letzteren wieder auf, denn er iſt ebenſoſehr auch der Maler der unendli-
chen Schmerzen und ſeligen Verzückungen der Andachtglühenden Seele.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |