Orte), geschichtliches Bild. So gruppiren sich hier klarer und einfacher die in §. 403 aufgeführten Unterschiede; in der Dichtkunst wird sich die Sache wieder anders stellen. Diese Eintheilung zeigt sich aber als eine ganz organische, wenn man bedenkt, daß im Sittenbilde der Mensch unter dem Standpuncte des Seins, der Zuständlichkeit aufgefaßt wird, welcher in seiner Reinheit der Standpunct des landschaftlichen Gebiets ist; nun haben wir zwei Extreme: Natur gleich Sein, Zustand, Mensch gleich Geist, That, und eine Mitte zwischen beiden: der Mensch als Naturwesen, Kind der Gewohnheit, des Zustands. Daß das Thierstück sich dieser Mitte von vornen anschließt, bedarf keiner weiteren Erläuterung; man kann es auch als eine weitere, untergeordnete Mitte auffassen, nämlich zwischen Landschaft und Sittenbild, doch ist es besser, als logisch entscheidend das durchzuführen, was die Anordnung vereinfacht. Wie das Portrait an der andern Seite dieser Mitte steht und bald mehr nach dem Sittenbilde, bald mehr nach dem geschichtlichen hinweist, wird seines Orts genauer nachge- wiesen werden. -- Nun sind von der innern Einheit in dieser Theilung noch zu unterscheiden die mannigfachen Verbindungen zwischen den Zwei- gen, welche darin bestehen, daß ein Stück von dem einen sich dem andern zugesellt; da sind natürlich verschiedene Grade der Geltung und Ausdeh- nung des Zugesellten möglich, aber ein jedes Gemälde muß doch unzwei- felhaft dem einen oder andern Zweig angehören; daher darf sich das Zugesellte nicht so weit ausdehnen, daß es in gleiche Höhe der Geltung mit der Hauptaufgabe tritt, sonst wird das erste Gesetz der Composition, die Einheit, zerrissen, das Interesse zertheilt. Bedeutung und Gewicht dieses Satzes wird in der folgenden Darstellung der Zweige sich erweisen.
§. 697.
1.
Bestimmter, als in der Bildnerkunst, tritt in diesen Unterschieden aller- dings auch das Theilungsprinzip zu Tage, das sich auf die Verbindung der bildenden Phantasie mit der empfindenden und dichtenden gründet 2.(vergl. §. 404). In der Unter-Eintheilung der Zweige kommt zu den übrigen Bedingungen (vergl. §. 540) der Gegensatz der Style.
1. Wir haben gesehen, wie die Malerei an der Grenze der bildenden Kunst steht, indem in die Grundbestimmung des Objectiven hier das Subjective bis nahe zur Auflösung desselben eindringt (§. 659). Es läßt sich dieß bereits als ein relativer Uebertritt der bildenden Phantasie auf den Boden der empfindenden und dichtenden auffassen (vgl. §. 539): die Malerei als ganze Kunst nähert sich dem Musikalischen, dem Lyrischen und neigt (vergl. §. 684) schon stark zum Dramatischen. Nun haben
Orte), geſchichtliches Bild. So gruppiren ſich hier klarer und einfacher die in §. 403 aufgeführten Unterſchiede; in der Dichtkunſt wird ſich die Sache wieder anders ſtellen. Dieſe Eintheilung zeigt ſich aber als eine ganz organiſche, wenn man bedenkt, daß im Sittenbilde der Menſch unter dem Standpuncte des Seins, der Zuſtändlichkeit aufgefaßt wird, welcher in ſeiner Reinheit der Standpunct des landſchaftlichen Gebiets iſt; nun haben wir zwei Extreme: Natur gleich Sein, Zuſtand, Menſch gleich Geiſt, That, und eine Mitte zwiſchen beiden: der Menſch als Naturweſen, Kind der Gewohnheit, des Zuſtands. Daß das Thierſtück ſich dieſer Mitte von vornen anſchließt, bedarf keiner weiteren Erläuterung; man kann es auch als eine weitere, untergeordnete Mitte auffaſſen, nämlich zwiſchen Landſchaft und Sittenbild, doch iſt es beſſer, als logiſch entſcheidend das durchzuführen, was die Anordnung vereinfacht. Wie das Portrait an der andern Seite dieſer Mitte ſteht und bald mehr nach dem Sittenbilde, bald mehr nach dem geſchichtlichen hinweist, wird ſeines Orts genauer nachge- wieſen werden. — Nun ſind von der innern Einheit in dieſer Theilung noch zu unterſcheiden die mannigfachen Verbindungen zwiſchen den Zwei- gen, welche darin beſtehen, daß ein Stück von dem einen ſich dem andern zugeſellt; da ſind natürlich verſchiedene Grade der Geltung und Ausdeh- nung des Zugeſellten möglich, aber ein jedes Gemälde muß doch unzwei- felhaft dem einen oder andern Zweig angehören; daher darf ſich das Zugeſellte nicht ſo weit ausdehnen, daß es in gleiche Höhe der Geltung mit der Hauptaufgabe tritt, ſonſt wird das erſte Geſetz der Compoſition, die Einheit, zerriſſen, das Intereſſe zertheilt. Bedeutung und Gewicht dieſes Satzes wird in der folgenden Darſtellung der Zweige ſich erweiſen.
§. 697.
1.
Beſtimmter, als in der Bildnerkunſt, tritt in dieſen Unterſchieden aller- dings auch das Theilungsprinzip zu Tage, das ſich auf die Verbindung der bildenden Phantaſie mit der empfindenden und dichtenden gründet 2.(vergl. §. 404). In der Unter-Eintheilung der Zweige kommt zu den übrigen Bedingungen (vergl. §. 540) der Gegenſatz der Style.
1. Wir haben geſehen, wie die Malerei an der Grenze der bildenden Kunſt ſteht, indem in die Grundbeſtimmung des Objectiven hier das Subjective bis nahe zur Auflöſung deſſelben eindringt (§. 659). Es läßt ſich dieß bereits als ein relativer Uebertritt der bildenden Phantaſie auf den Boden der empfindenden und dichtenden auffaſſen (vgl. §. 539): die Malerei als ganze Kunſt nähert ſich dem Muſikaliſchen, dem Lyriſchen und neigt (vergl. §. 684) ſchon ſtark zum Dramatiſchen. Nun haben
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Orte), geſchichtliches Bild. So gruppiren ſich hier klarer und einfacher
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Sache wieder anders ſtellen. Dieſe Eintheilung zeigt ſich aber als eine
ganz organiſche, wenn man bedenkt, daß im Sittenbilde der Menſch unter
dem Standpuncte des Seins, der Zuſtändlichkeit aufgefaßt wird, welcher
in ſeiner Reinheit der Standpunct des landſchaftlichen Gebiets iſt; nun
haben wir zwei Extreme: Natur gleich Sein, Zuſtand, Menſch gleich
Geiſt, That, und eine Mitte zwiſchen beiden: der Menſch als Naturweſen,
Kind der Gewohnheit, des Zuſtands. Daß das Thierſtück ſich dieſer Mitte
von vornen anſchließt, bedarf keiner weiteren Erläuterung; man kann es
auch als eine weitere, untergeordnete Mitte auffaſſen, nämlich zwiſchen
Landſchaft und Sittenbild, doch iſt es beſſer, als logiſch entſcheidend das
durchzuführen, was die Anordnung vereinfacht. Wie das Portrait an der
andern Seite dieſer Mitte ſteht und bald mehr nach dem Sittenbilde, bald
mehr nach dem geſchichtlichen hinweist, wird ſeines Orts genauer nachge-
wieſen werden. — Nun ſind von der innern Einheit in dieſer Theilung
noch zu unterſcheiden die mannigfachen Verbindungen zwiſchen den Zwei-
gen, welche darin beſtehen, daß ein Stück von dem einen ſich dem andern
zugeſellt; da ſind natürlich verſchiedene Grade der Geltung und Ausdeh-
nung des Zugeſellten möglich, aber ein jedes Gemälde muß doch unzwei-
felhaft dem einen oder andern Zweig angehören; daher darf ſich das
Zugeſellte nicht ſo weit ausdehnen, daß es in gleiche Höhe der Geltung
mit der Hauptaufgabe tritt, ſonſt wird das erſte Geſetz der Compoſition,
die Einheit, zerriſſen, das Intereſſe zertheilt. Bedeutung und Gewicht
dieſes Satzes wird in der folgenden Darſtellung der Zweige ſich erweiſen.
§. 697.
Beſtimmter, als in der Bildnerkunſt, tritt in dieſen Unterſchieden aller-
dings auch das Theilungsprinzip zu Tage, das ſich auf die Verbindung der
bildenden Phantaſie mit der empfindenden und dichtenden gründet
(vergl. §. 404). In der Unter-Eintheilung der Zweige kommt zu den übrigen
Bedingungen (vergl. §. 540) der Gegenſatz der Style.
1. Wir haben geſehen, wie die Malerei an der Grenze der bildenden
Kunſt ſteht, indem in die Grundbeſtimmung des Objectiven hier das
Subjective bis nahe zur Auflöſung deſſelben eindringt (§. 659). Es
läßt ſich dieß bereits als ein relativer Uebertritt der bildenden Phantaſie
auf den Boden der empfindenden und dichtenden auffaſſen (vgl. §. 539):
die Malerei als ganze Kunſt nähert ſich dem Muſikaliſchen, dem Lyriſchen
und neigt (vergl. §. 684) ſchon ſtark zum Dramatiſchen. Nun haben
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/154>, abgerufen am 05.07.2024.
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