Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.Durchführung eines Bildes durch seine Beziehung zu andern zu ergän- §. 694. 1. Verbindung mit kleineren architektonischen Werken und Ausschmückung Durchführung eines Bildes durch ſeine Beziehung zu andern zu ergän- §. 694. 1. Verbindung mit kleineren architektoniſchen Werken und Ausſchmückung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0142" n="634"/> <hi rendition="#et">Durchführung eines Bildes durch ſeine <hi rendition="#g">Beziehung</hi> zu andern zu ergän-<lb/> zen; es handelt ſich um das Bild ſelbſt, nicht um das, was zwiſchen den<lb/> Bildern iſt. Die Ueberfruchtung des einzelnen Bildes durch Zuthaten,<lb/> welche die höheren Beziehungen darſtellen ſollen, iſt eine weitere natür-<lb/> liche Folge der Ueberſteigerung des einfach Aeſthetiſchen in das Gedanken-<lb/> hafte; dahin ſind nicht die freien Spiele zu zählen, mit denen eine frucht-<lb/> bare Erfindung gerne die Haupt- und Nebenbilder noch in Arabeskenform,<lb/> in Frieſen, Sockeln u. ſ. w. umgibt, um, was jene mit großen Zügen<lb/> ausſprechen, noch überdieß in ſprudelnder Fülle von Andeutungen ſich<lb/> ausathmen zu laſſen, wie ſchon Raphael in den Stanzen und Tapeten<lb/> gethan hat; vielmehr ſchlägt ſich die einmal ausgebildete Neigung zum<lb/> Beziehungsreichen, Andeutungsvollen auch auf die Hauptbilder und ſteckt<lb/> in jede Ecke derſelben verborgenen Tiefſinn. Wir haben ferner bereits<lb/> darauf hingewieſen, daß der plaſtiſche Styl ſich vorzüglich an die Auf-<lb/> faſſung der Kunſtſtoffe unter dem Standpuncte der zweiten Stoffwelt<lb/> halten werde. Wir wollen Mythus und Allegorie nicht ſchlechthin ver-<lb/> bannen und haben ſchon in der Anm. zu §. 683 geſagt, daß die Freske<lb/> in ihrer natürlichen Beſtimmung zum Cykliſchen ſie nicht wohl ganz ent-<lb/> behren kann, aber die Meinung, der Inhalt des Schönen ſei in dieſen<lb/> Zurückführungen des Lebens und der Geſchichte auf tranſcendente, einſt<lb/> geglaubte, noch geglaubte oder ſubjectiv erſonnene Geſtalten vollkommener<lb/> dargeſtellt, als wenn er dem wirklichen Lebensſtoff immanent bleibt, liegt<lb/> bei der ganzen Richtung nahe und kann bis zu tiefer Verblendung gegen<lb/> das wahre Verhältniß von Idee und Bild führen. Was aber die For-<lb/> menbehandlung betrifft, ſo führt das Prinzip des directen Idealiſmus in<lb/> einſeitiger Verfolgung entweder zu einer flachen und abſtracten Schönheit oder<lb/> einer gewaltſamen Erhabenheit und Ueberkraft, welche alsgemach in das<lb/> Gegentheil des reformatoriſchen Anfangs, in das Conventionelle ausläuft.<lb/> Man ſieht aus dem Allem, daß auch die Zeit wieder kommt, wo der<lb/> monumentale Freskenſtyl von der Oelmalerei und der ächt maleriſchen<lb/> Richtung einfaches Verharren bei dem Objecte, richtiger: Idealiſirung des<lb/> Objects innerhalb ſeiner ſelbſt, erſchöpfende Ausführung, Wärme der Na-<lb/> turwahrheit, überhaupt den Geiſt der Wirklichkeit, wie er ſich mit dem zu<lb/> ſeinem Recht gelangten Prinzip des Colorits verbindet, zu lernen hat:<lb/> einer der Belege für den Inhalt des §. 676.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 694.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#b">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Verbindung mit kleineren architektoniſchen Werken und Ausſchmückung<lb/> bedeutender Räume begründet auch für die ſelbſtändige Malerei cykliſche Zu-<lb/><note place="left">2.</note>ſammenſtellungen, große monumentale, von einer Idee getragene Reihen. End-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [634/0142]
Durchführung eines Bildes durch ſeine Beziehung zu andern zu ergän-
zen; es handelt ſich um das Bild ſelbſt, nicht um das, was zwiſchen den
Bildern iſt. Die Ueberfruchtung des einzelnen Bildes durch Zuthaten,
welche die höheren Beziehungen darſtellen ſollen, iſt eine weitere natür-
liche Folge der Ueberſteigerung des einfach Aeſthetiſchen in das Gedanken-
hafte; dahin ſind nicht die freien Spiele zu zählen, mit denen eine frucht-
bare Erfindung gerne die Haupt- und Nebenbilder noch in Arabeskenform,
in Frieſen, Sockeln u. ſ. w. umgibt, um, was jene mit großen Zügen
ausſprechen, noch überdieß in ſprudelnder Fülle von Andeutungen ſich
ausathmen zu laſſen, wie ſchon Raphael in den Stanzen und Tapeten
gethan hat; vielmehr ſchlägt ſich die einmal ausgebildete Neigung zum
Beziehungsreichen, Andeutungsvollen auch auf die Hauptbilder und ſteckt
in jede Ecke derſelben verborgenen Tiefſinn. Wir haben ferner bereits
darauf hingewieſen, daß der plaſtiſche Styl ſich vorzüglich an die Auf-
faſſung der Kunſtſtoffe unter dem Standpuncte der zweiten Stoffwelt
halten werde. Wir wollen Mythus und Allegorie nicht ſchlechthin ver-
bannen und haben ſchon in der Anm. zu §. 683 geſagt, daß die Freske
in ihrer natürlichen Beſtimmung zum Cykliſchen ſie nicht wohl ganz ent-
behren kann, aber die Meinung, der Inhalt des Schönen ſei in dieſen
Zurückführungen des Lebens und der Geſchichte auf tranſcendente, einſt
geglaubte, noch geglaubte oder ſubjectiv erſonnene Geſtalten vollkommener
dargeſtellt, als wenn er dem wirklichen Lebensſtoff immanent bleibt, liegt
bei der ganzen Richtung nahe und kann bis zu tiefer Verblendung gegen
das wahre Verhältniß von Idee und Bild führen. Was aber die For-
menbehandlung betrifft, ſo führt das Prinzip des directen Idealiſmus in
einſeitiger Verfolgung entweder zu einer flachen und abſtracten Schönheit oder
einer gewaltſamen Erhabenheit und Ueberkraft, welche alsgemach in das
Gegentheil des reformatoriſchen Anfangs, in das Conventionelle ausläuft.
Man ſieht aus dem Allem, daß auch die Zeit wieder kommt, wo der
monumentale Freskenſtyl von der Oelmalerei und der ächt maleriſchen
Richtung einfaches Verharren bei dem Objecte, richtiger: Idealiſirung des
Objects innerhalb ſeiner ſelbſt, erſchöpfende Ausführung, Wärme der Na-
turwahrheit, überhaupt den Geiſt der Wirklichkeit, wie er ſich mit dem zu
ſeinem Recht gelangten Prinzip des Colorits verbindet, zu lernen hat:
einer der Belege für den Inhalt des §. 676.
§. 694.
Verbindung mit kleineren architektoniſchen Werken und Ausſchmückung
bedeutender Räume begründet auch für die ſelbſtändige Malerei cykliſche Zu-
ſammenſtellungen, große monumentale, von einer Idee getragene Reihen. End-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |