Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
nun aber mit diesem Gesetze, daß die einzelne Gestalt schön sein muß, §. 604. Das Wesen der Bildnerkunst als reine Einheit des Subjectiven und Wir wissen jetzt, daß die einzelne Gestalt schön sein muß, jede Kunst
nun aber mit dieſem Geſetze, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß, §. 604. Das Weſen der Bildnerkunſt als reine Einheit des Subjectiven und Wir wiſſen jetzt, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß, jede Kunſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0033" n="359"/> nun aber mit dieſem Geſetze, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß,<lb/> ein Styl-Prinzip auf, deſſen Kampf mit einem entgegengeſetzten uns von<lb/> hier an durch alle Kunſt und als innerſte Seele der Bewegung durch die<lb/> Geſchichte der Künſte begleiten wird: <hi rendition="#g">das Prinzip der directen<lb/> Idealiſirung</hi>. Was es bedeutet, iſt zunächſt im Bisherigen einfach<lb/> ausgeſprochen: das Kunſtwerk gibt dem Auge oder Sinn überhaupt nicht<lb/> auf, von Solchem, was unmittelbar nicht ſchön oder häßlich iſt, fortzugehen<lb/> zu einem Weiteren und ſchließlich zu einer Geſammtwirkung, worin es<lb/> ſich zur Schönheit aufhebt; es iſt alſo der Prozeß der Anſchauung nach<lb/> dieſer Seite nicht ein <hi rendition="#g">vermittelter</hi>, ſondern ein <hi rendition="#g">einfacher</hi>. Das<lb/> Schöne überhaupt iſt weſentlich die den trübenden Zufall ausſcheidende<lb/> Zuſammenziehung des unendlichen Fluſſes der Dinge auf Einen Punct:<lb/> das Reine und Vollkommene ſoll nicht durch Wechſelergänzung der Er-<lb/> ſcheinungen im Fortgange ſich ergeben, ſondern in <hi rendition="#g">dieſer</hi> Erſcheinung,<lb/> nicht anderswo und ein andermal, ſondern <hi rendition="#g">hier</hi> gegeben ſein (vergl. §.<lb/> 52. 53). Dadurch iſt an ſich nicht ausgeſchloſſen, daß ein Kunſtwerk<lb/><hi rendition="#g">innerhalb ſeiner</hi> jenen Fortgang dem Schauenden zumuthe, wenn es<lb/> nur als <hi rendition="#g">ganzes Einzelnes</hi> ſchön iſt; aber in der Bildnerkunſt iſt dieß<lb/> in engere Grenzen eingeſchränkt, hier gilt jene Grundbeſtimmung des<lb/> Schönen nicht nur vom einzelnen Kunſtwerk als einem Ganzen, ſondern<lb/> auch vom einzelnen Ganzen, das nur ein <hi rendition="#g">Theil</hi> des größeren Ganzen,<lb/> nämlich des einzelnen Kunſtwerks iſt. „Die Plaſtik iſt genöthigt, die<lb/> Schönheit des Weltalls faſt auf Einem Puncte zu zeigen“ (Schelling<lb/> Ueber d. Verh. d. bild. Künſte zu d. Natur). Schlechtweg allerdings<lb/> kann das dieſem Prinzip der directen Idealiſirung entgegenſtehende von<lb/> der Plaſtik nicht ausgeſchloſſen ſein, ſonſt hätte ſie keine Bewegung und<lb/> Geſchichte. Die Unterſuchung dieſes wichtigen Punctes iſt unſerer weitern<lb/> Entwicklung vorbehalten.</hi> </p> </div><lb/> <div n="7"> <head>§. 604.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Das Weſen der Bildnerkunſt als reine Einheit des Subjectiven und<lb/> Objectiven enthält aber auch die qualitative Grundbeſtimmung für die beſon-<lb/> dere Weiſe, in welcher auf dem plaſtiſchen Standpuncte das Schöne aufgefaßt<lb/> und dargeſtellt wird: die ſchöne Geſtalt erſcheint als der <hi rendition="#g">Bau</hi> der Seele, als<lb/> ein <hi rendition="#g">Gewächſe</hi>, das die bewohnende Seele getrieben, die Seele als unmittel-<lb/> bar Eines mit dieſem ihrem Glieder-Bau und Wuchs; ſie iſt einfach die<lb/> Idealität ihres Leibs, wie dieſer ihre Realität. Schan hieraus ergibt ſich,<lb/> daß die Bildnerkunſt eine Darſtellung <hi rendition="#g">vollkommener Naturen</hi> iſt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Wir wiſſen jetzt, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß, jede Kunſt<lb/> hat aber ihre qualitativ eigene Auffaſſung und Darſtellung des Schönen und<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [359/0033]
nun aber mit dieſem Geſetze, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß,
ein Styl-Prinzip auf, deſſen Kampf mit einem entgegengeſetzten uns von
hier an durch alle Kunſt und als innerſte Seele der Bewegung durch die
Geſchichte der Künſte begleiten wird: das Prinzip der directen
Idealiſirung. Was es bedeutet, iſt zunächſt im Bisherigen einfach
ausgeſprochen: das Kunſtwerk gibt dem Auge oder Sinn überhaupt nicht
auf, von Solchem, was unmittelbar nicht ſchön oder häßlich iſt, fortzugehen
zu einem Weiteren und ſchließlich zu einer Geſammtwirkung, worin es
ſich zur Schönheit aufhebt; es iſt alſo der Prozeß der Anſchauung nach
dieſer Seite nicht ein vermittelter, ſondern ein einfacher. Das
Schöne überhaupt iſt weſentlich die den trübenden Zufall ausſcheidende
Zuſammenziehung des unendlichen Fluſſes der Dinge auf Einen Punct:
das Reine und Vollkommene ſoll nicht durch Wechſelergänzung der Er-
ſcheinungen im Fortgange ſich ergeben, ſondern in dieſer Erſcheinung,
nicht anderswo und ein andermal, ſondern hier gegeben ſein (vergl. §.
52. 53). Dadurch iſt an ſich nicht ausgeſchloſſen, daß ein Kunſtwerk
innerhalb ſeiner jenen Fortgang dem Schauenden zumuthe, wenn es
nur als ganzes Einzelnes ſchön iſt; aber in der Bildnerkunſt iſt dieß
in engere Grenzen eingeſchränkt, hier gilt jene Grundbeſtimmung des
Schönen nicht nur vom einzelnen Kunſtwerk als einem Ganzen, ſondern
auch vom einzelnen Ganzen, das nur ein Theil des größeren Ganzen,
nämlich des einzelnen Kunſtwerks iſt. „Die Plaſtik iſt genöthigt, die
Schönheit des Weltalls faſt auf Einem Puncte zu zeigen“ (Schelling
Ueber d. Verh. d. bild. Künſte zu d. Natur). Schlechtweg allerdings
kann das dieſem Prinzip der directen Idealiſirung entgegenſtehende von
der Plaſtik nicht ausgeſchloſſen ſein, ſonſt hätte ſie keine Bewegung und
Geſchichte. Die Unterſuchung dieſes wichtigen Punctes iſt unſerer weitern
Entwicklung vorbehalten.
§. 604.
Das Weſen der Bildnerkunſt als reine Einheit des Subjectiven und
Objectiven enthält aber auch die qualitative Grundbeſtimmung für die beſon-
dere Weiſe, in welcher auf dem plaſtiſchen Standpuncte das Schöne aufgefaßt
und dargeſtellt wird: die ſchöne Geſtalt erſcheint als der Bau der Seele, als
ein Gewächſe, das die bewohnende Seele getrieben, die Seele als unmittel-
bar Eines mit dieſem ihrem Glieder-Bau und Wuchs; ſie iſt einfach die
Idealität ihres Leibs, wie dieſer ihre Realität. Schan hieraus ergibt ſich,
daß die Bildnerkunſt eine Darſtellung vollkommener Naturen iſt.
Wir wiſſen jetzt, daß die einzelne Geſtalt ſchön ſein muß, jede Kunſt
hat aber ihre qualitativ eigene Auffaſſung und Darſtellung des Schönen und
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