Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
im edelsten, allgemeinsten Sinn ergreift. Man sieht hier in schwachen §. 575. Da die Gesammtperson eines Volkes dem höchsten Inhalt ihres Bewußt- 17*
im edelſten, allgemeinſten Sinn ergreift. Man ſieht hier in ſchwachen §. 575. Da die Geſammtperſon eines Volkes dem höchſten Inhalt ihres Bewußt- 17*
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im edelſten, allgemeinſten Sinn ergreift. Man ſieht hier in ſchwachen
Linien etwas den Stoff-Unterſchieden der Plaſtik Aehnliches, in deutlicheren
die Gattungen der Malerei, in ganz zarten Umriſſen die der Dichtkunſt
wie in der Ferne ſich ankündigen: die letzteren, denn das politiſche Ge-
bäude erinnert an das politiſche Drama, den hiſtoriſchen Roman,
auch an das Epos, das ländliche an die Idylle, wohl auch an
das Volkslied, Palaſt und Wohnhaus etwa an die Novelle, das
Grabmal an die Elegie. Freilich ſieht man auch, wie wenig von einer
ſtrengen logiſchen Analogie die Rede ſein kann, da bei den meiſten
Gattungen verſchiedene Beziehungen ſich finden laſſen; zudem bringt das
Haus der Religion eine beſondere Schwierigkeit in dieſe Vergleichung, daher
wir es bei der Aufzeigung der Analogieen gar nicht berückſichtigt haben:
es entſpricht den höchſten Zweigen in allen Künſten und zugleich der
mythiſchen Abzweigung derſelben, hat aber, wie gezeigt iſt, eine andere
Berechtigung, als letztere, nämlich eine bleibende. Die Zweige der
andern Künſte, mit denen wir die Sphären der Baukunſt andeutend
zuſammengehalten haben, beruhen übrigens nicht blos auf der Ergreifung
verſchiedenen Stoffes, ſondern, namentlich in der Dichtkunſt, auf dem
Unterſchiede der bildenden, empfindenden, dichtenden Phantaſie; ſind daher
jene Analogieen trotz ihrer Unbeſtimmtheit kein leeres Spiel, ſo macht ſich
in den Gebieten der Baukunſt auch dieſes auf die Arten der Phantaſie
begründete oberſte Eintheilungsgeſetz der Kunſtzweige (vergl. §. 539) in
erſten ſchwachen Spuren bemerklich. Schließlich iſt nunmehr auch hervorzu-
heben, daß der Unterſchied der einfach ſchönen und erhabenen Phantaſie,
obwohl, wie geſagt, nicht eine Haupt-Eintheilung begründend, doch in den
Gegenſätzen zierlicher, ſchlanker, heiterer und gewaltiger, pompöſer, im-
poſanter Bauart ſtark genug ſich geltend machen wird und ebenſo der des
Einfachen und Gruppen-Umfaſſenden, wie der des Materials und darauf
ſich gründenden Styl-Unterſchieds.
§. 575.
Da die Geſammtperſon eines Volkes dem höchſten Inhalt ihres Bewußt-
ſeins in der Verehrung des abſoluten Geiſtes ſeinen Ausdruck gibt, die Einzel-
perſon aber ſich ihr als Glied einreiht, ſo tritt die für einzelne, endliche Zwecke
thätige Baukunſt mit derjenigen, die ſich durch den abſoluten Zweck zur freien
Schönheit erhebt (§. 556), in eine innere Einheit zuſammen, die ſich als Rück-
wirkung des am Tempelbau entwickelten Monumentalſtyls auf jenes ganze Ge-
biet äußert. Am weiteſten liegt von dem oberſten Puncte dieſer Einheit das
Wohnhaus ab, das im Privatpalaſte ſeine geſonderte Idealität ausbildet; unter
den öffentlichen Bauten haben zunächſt die für den Zweck der Ernährung und
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